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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Der Reißer aus dem Rotenbachtal: A.D. 235 — Fall des Limes /​Kooperation zwischen Stadt und Hochschule der Medien in Stuttgart

Vielleicht wird einmal noch mehr daraus. Zunächst ist es eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Stadt und der Stuttgarter Hochschule der Medien. Im Hintergrund steht ein Projekt, an dem die Stadt durchaus ein Interesse hat: ein Dokudrama mit dem Titel „A.D. 235 — Fall des Limes“.

Donnerstag, 14. Januar 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (rw). Das Projekt, ein von Masterstudenten der Medienhochschule produzierter 60-​Minuten-​Streifen, ist schon länger im Werden. Exposé und ein filmischer Anreißer wurden schon vor zwei Jahren in Schwäbisch Gmünd vorgestellt. Dann schlummerte die Sache wieder ein. Jetzt wird’s konkret: Am Samstag beginnen die Dreharbeiten — allerdings in Oberbayern. Im Juli sollen sie abgeschlossen sein. Die Premiere kann im Turm-​Theater stattfinden.
Schauplatz im Film — daher das Interesse der Stadt — sind die Römerkastelle an der Provinzgrenze von Obergermanien, Rätien und Germanien, also Schirenhof, Freimühle und Kleindeinbach in Schwäbisch Gmünd. Die örtliche Häufung von Kastellen und Siedlungen ist eine Besonderheit, die sich szenisch und für die Handlung nützen lässt. Die Stadt hofft, so Erster Bürgermeister Joachim Bläse, das Gmünder Stück des UNESCO-​Welterbes per Film „noch besser als im Original erlebbar zu machen.“ Nachhilfeunterricht für das Vorstellungsvermögen also, das man zu touristischen wie auch Bildungszwecken einsetzen kann. Denn selbst nach ausgiebiger Renovierung, Ergänzung und Schautafel-​Aufstellung: soviel ist hier eben nicht zu sehen, weil es sich um Bodendenkmäler handelt. Dabei ist Schwäbisch Gmünd im Limes-​Entwicklungsplan des Landes mit seinen Denkmälern, der Dauerausstellung im Museum und der Rekonstruktion der Provinzgrenze im als regionales Informationszentrum benannt. Das ist das Eine.
Nachhilfeunterricht
für das Vorstellungsvermögen
Das Andere: OB Richard Arnold hofft, dass das Projekt zu mehr führt, zu einer vertieften Kooperation mit der Hochschule der Medien, diesem „Juwel im Land“, von der eine Dependance sich im Gefolge der Landesgartenschau am Gamundia-​Boulevard niederlassen könnte. Eine reizvolle Vorstellung auch unter dem Aspekt, dass es in Gmünd Firmen gibt, die bei der Film-​Digitalisierung die Nase vorne haben. Und schließlich ist der Prorektor der Medienhochschule ein Gmünder: Prof. Dr. Franco Rota. Auch solche Verbindungen sind von Nutzen.
Laut Kooperationsvertrag, unter den OB Arnold und der stellvertretende Verwaltungsdirektor der Medienhochschule, Peter Marquardt, ihre Unterschriften setzten, fungiert die Stadt als Koproduzent. Über sie fließen auch die Mittel in Höhe von 25 000 Euro, die von der EnBW kommen. Die Stadt unterstützt die Produktion auch logistisch und technisch.
Für ein Dokudrama braucht es eine Handlung. Die erläuterte Prof. Stuart Marlow: „Irgendwo hier muss ein Komplott entwickelt worden sein.“ Dieses führte zur Ermordung der Quasi-​Regentin Julia Mamaea und ihres Sohns, des jungen Kaisers Severus Alexander, im Jahr 235 in Mainz. Danach folgte die Phase der Soldatenkaiser, deren erster Maximinus Thrax war. In der Tat: die römische Geschichte der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, als das Imperium im Osten wie in Germanien unter Druck kam, war so krisenhaft, kriegerisch und innenpolitisch so chaotisch, dass sie unendlichen Stoff für historisch ausstaffierte Reißer, Thriller und Kolportageromane bietet — manche davon mit beträchtlichen und kenntnisreich eingesetzten Rückgriffen auf die Ergebnisse historischer Forschung. Das kann man auch filmisch nutzen. In diesem Fall: Ein römischer Offizier wird in dieser Zeit an die hiesige Grenzregion versetzt. Kann Rom dem wachsenden Druck von Seiten sich organisierender Germanenstämme standhalten? Welches Schicksal erleiden die Grenzsoldaten und deren Familien?
Auf Forschung und auf die Hilfe von Re-​enactment-​Gruppen stützen sich die den Film herstellenden Studenten. Sie verwenden das professionelle Kamera-​equipment und die Technik der Hochschule. Ohne computergenerierte visuelle Effekte kommt man nicht aus, will sie aber auf ein Mindestmaß beschränken. Deshalb liegen die Drehorte weit verteilt — Türme und Tor, die das Kastell Schirenhof darstellen, stehen als Rekonstruktionen in Newcastle on Tyne in England. Gedreht wird auch in Italien und kreuz und quer in Süddeutschland, darunter auch im Kastell Welzheim.
Näher an Gmünd zu kommen, hatten die Studierenden zunächst nicht vor. Der Originalschauplatz würde sich wegen der Bebauung nicht eignen, es sollen schließlich keine modernen Bauwerke wie Straßen, Häuser und Brücken sichtbar sein.
Das wollte OB Arnold so nicht akzeptieren. Wenn es mit der Holzpalisade im Rotenbachtal klappt, sollen ein, zwei Minuten des Dokudramas jetzt doch hier entstehen. Tragende Rollen werden mit Schauspielern besetzt. Laien dürfen auch mitwirken — „wenn alle ihre Toga und Ausrüstung mitbringen, die historisch gerecht ist“, sagt Produktionsleiter Dominik Hügle.
Für die Medienhochschule, so Marlow, stellt dieser Film Pionierarbeit dar. Ein so großes Team — 32 Studierende — und solchen Aufwand von der Recherche bis zur Realisierung habe es nie zuvor gegeben. Das Stadtoberhaupt wusste gleich ein Anschluss-​Drama aus seiner Lieblingsepoche: das Weihnachtsfest des letzten Staufers Konradin anno 1267 in der Johanniskirche, bevor er nach Italien zu seinem frühen Tod aufbrach.
Erst müssen die Römer im Kasten sein.

Den Film soll es im Sommer als DVD geben. Er wird allgemein erhältlich sein, der Bildungs– und der Öffentlichkeitsarbeit des Limes-​Weltkulturerbes dienen.

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