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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Tragischer Tod im Pflegeheim: Eine junge Pflegerin versäumte eine wichtige Kontrolle und wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Ein tragisches Geschehen führte am Freitag eine junge, 1985 in der Ukraine geborene und 2006 nach Deutschland gekommene Frau vor den Strafrichter, weil sie einen gegen sie erlassenen Strafbefehl von 160 Tagessätzen Einspruch erhoben hatte. Da es sich aber um eine fahrlässige Tötung handelte, hatte sie wenig Erfolg damit.

Mittwoch, 26. Oktober 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 27 Sekunden Lesedauer


Von Dietrich Kossien
SCHWÄBISCH GMÜND. Die Staatsanwältin Sarah Barth wollte von der jungen Frau wissen, warum sie überhaupt gegen den Strafbefehl Einspruch erhoben habe. Der Sachverhalt sei eindeutig, und die Höhe der Tagessätze angemessen. Die junge Frau fand, als sie nach Deutschland kam, bei einer Familie in Lorch Unterkunft und absolvierte ein soziales Jahr, auch um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern – sie wollte studieren. Sie begann dann Betriebswirtschaft zu studieren und arbeitete, um das Studium zu finanzieren, in einer kirchlichen Pflegeeinrichtung in Schwäbisch Gmünd.
Was dort passierte, warf ihr die Staatsanwältin vor. Eine 45-​jährige behinderte Frau sollte gebadet werden. Die dort als Hilfskraft tätige junge Frau ließ bis zu einer Höhe von etwa zehn Zentimetern das Badewasser ein, versäumte jedoch, die Temperatur zu kontrollieren, weil sie sich darauf verließ, dass der Zulauf wie immer auf 36 Grad eingestellt sei. Das war nicht der Fall, weil ihn wohl irgendwer verstellt haben musste. So war das einlaufende Wasser 70 Grad heiß. Die Frau setzte sich in das zu heiße Wasser und war nicht in der Lage, Hilfe zu rufen. In der Folge war sie ins Spital nach Stuttgart gebracht worden, wo sie am Nachmittag an den sich zugezogenen schweren Verbrennungen verstarb. Eine andere Todesursache war ausgeschlossen worden.
Richter Hans-​Dieter Grimm stellte heraus, dass die fahrlässige Tötung unbestritten sei. Daher könne es nur um die Höhe der Strafe von 160 Tagessätzen gehen, die aber sei milde ausgefallen, allenfalls könne es darum gehen, die Höhe der einzelnen Tagessätze zu reduzieren.
Die junge Frau führte aus, an diesem Abend müsse der Verteiler, der immer auf 36 Grad gestanden habe, verstellt worden sein. Die Frau, die sie duschen sollte, habe sonst immer, wenn ihr das Wasser zu heiß schien, den Duschkopf weggeschoben. An diesem Tag habe sie sich in das Wasser gesetzt und gelächelt, ohne sich sonst zu äußern. Erst als sie ihr geholfen habe, aufzustehen, habe sie die roten Stellen auf Rücken und Unterkörper gesehen. Sie habe Handschuhe getragen und nicht bemerkt, dass das Wasser zu heiß gewesen sei. Als sie die roten Stellen gesehen habe, sei sofort der Arzt gerufen und die Frau nach Stuttgart gebracht worden.
Ihr Verteidiger, Rechtsanwalt Bäumel, gab zu verstehen, dass seine Mandantin, die in der Pflegeeinrichtung als ungelernte Hilfskraft arbeitete, fürchte, mit der Eintragung ins Strafregister sei ihr der Weg in die Zukunft nach dem Studium verbaut. Die junge Frau hatte offensichtlich auch im Gericht mit den Folgen ihres Versäumnisses schwer zu kämpfen. Rechtsanwalt Bäumel wies darauf hin, es sei für sie wichtig, den auch für sie katastrophalen Sachverhalt noch einmal zu erklären, auch wenn der Staatsanwalt seinerzeit sehr sensibel gegen sie vorgegangen sei.
Auch Richter Grimm sah eine Verkettung widriger Umstände, weil auch das Opfer keinen Schmerz gefühlt habe. Doch sie habe sich strafbar gemacht, weil sie die Wassertemperatur nicht ausreichend überprüft habe. Würde man nicht die besonderen Umstände beim Strafbefehl berücksichtigt haben, wäre sogar eine Freiheitsstrafe zu verhängen gewesen.
Das Gericht verkenne nicht, dass der nicht vorbestraften jungen Frau das Geschehen leid tue, doch die tatsächlichen Feststellungen seien rechtskräftig. Trotzdem hat das Gericht die Höhe der einzelnen Tagessätze auf insgesamt 800 Euro reduziert.
Auf die Frage, welche Tätigkeiten ungelernten Hilfskräften in Pflegeeinrichtungen für Behinderte zugeteilt werden dürfen, konnte das Gericht in diesem Fall aber nicht eingehen.

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