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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Erkan Gezen und Malena Muller haben im Alltag mit vielen Hürden zu kämpfen – beide müssen mit einer Behinderung leben

Mancher träumt von einer Weltreise oder gar einem Flug ins Weltall. Erkan Gezen träumt davon, in einem Döner-​Laden zu arbeiten. Doch so einfach wie es sich anhört, ist das nicht. Denn der 28-​Jährige sitzt im Rollstuhl.

Freitag, 18. Februar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (nb). Der Gmünder ist darauf angewiesen, in einer Einrichtung zu arbeiten, die behindertenfreundlich ausgestattet ist. Treppen wären ein Hindernis und eine Behindertentoilette wäre notwendig. Einen entsprechenden Döner-​Laden gibt es in der Stauferstadt nicht. Gezen weiß das, er kennt sich aus in Schwäbisch Gmünd. Vielleicht sogar besser als manch anderer Bürger. Denn wer weiß schon, wo es einen abgesenkten Bordstein oder in welchem Einzelhandelsgeschäft es einen barrierefreien Zugang gibt. Gezen weiß es, gezwungenermaßen sozusagen.
Zum Einkaufen geht er am liebsten ins City-​Center. Nicht nur wegen dem barrierefreien Zugang, sondern auch wegen der freundlichen Mitarbeiter, die ihm mit großer Offenheit begegnen. Diese Freundlichkeit begegnet Gezen nicht überall. Noch heute hat er die Worte eines Busfahrers im Ohr, der ihm einst gesagt hat, dass der Unterboden vom Bus durchbricht, wenn er mit seinem Rollstuhl darauf fährt. Manche Busse hätten Rampen, die eigens für die Rollstühle gedacht seien, so Gezen. Eingesetzt würden sie nur selten. Malena Muller ärgert sich, wenn sie an die Aussage des Busfahrers denkt. Sie ist ab und an mit Erkan Gezen unterwegs, so auch an diesem Tag. Und auch der Ausflug zum Löwenmarkt nach Lorch ist den Beiden bestens in Erinnerung geblieben. Nach der Hinfahrt mit dem Bus wollten sie mit dem Zug zurückfahren. „Das müssen Sie vorher anmelden“, lautete der erste Kommentar des Lokführers, der dann aber doch half, den Rollstuhl in den Zug zu befördern.
Auch Malena Muller hatte schon öfters mit den Hürden des Alltags zu kämpfen, die 27-​Jährige ist lernbehindert. Aus diesem Grund war sie auch etwas skeptisch, als sie zusammen mit anderen Menschen mit Behinderung anfing, in der Schulmensa am Aalener Schubert-​Gymnasium zu arbeiten. Die Stadt Aalen war damals auf die Stiftung Haus Lindenhof zugekommen. 1600 Schüler besuchen das Gymnasium, die Zahl der Mensabesucher liegt zwischen 100 und 200.
Anfangs, so Muller, seien die Schüler zurückhaltend gewesen. Doch mit der Zeit habe man sich angenähert, erzählt die junge Frau zufrieden. Wenn die Mensa am Gmünder Parler-​Gymnasium die Pforten öffnet, kann sie sich gut vorstellen, dort zu arbeiten. Die morgendliche Zugfahrt von Gmünd nach Aalen bliebe ihr dann erspart. Erkan Gezen ist froh, dass es die Stiftung Haus Lindenhof gibt. Ohne diese Einrichtung, so glaubt er, wären einige seiner Bekannten arbeitslos. Der 28-​Jährige wiegt und kontrolliert an seinem Arbeitsplatz Waren der Firma Weleda.
In Gmünd tut sich einiges, wie die Beiden erfreut feststellen. So wurde im Rahmen des Gleichstellungstages im vergangenen Jahr angeregt, einen Schwimmbadlifter im Gmünder Hallenbad einzubauen. Ein Wunsch, der in die Tat umgesetzt wurde und auch im Freibad weiterverfolgt werden soll. Auch das Problem von zu wenig öffentlichen Toiletten für Menschen mit Behinderung hat sich minimiert, u. a. wurde dies bei den sanitären Einrichtungen am Rathaus berücksichtigt. Hohe Bordsteine und Verkaufsständer, die Rollstuhlfahrern teils den Eingang zu Einzelhandelsgeschäften nicht möglich machten, waren zwei Problempunkte, die vor drei Jahren im Rahmen eines Stadtspaziergangs angesprochen wurden. Die Verkaufsständer stehen noch immer in der gleichen Menge vor den Geschäften, bei den Bordsteinen gibt es einen Lichtblick. So wurde im Rahmen einer Straßensanierung am Ende der Bocksgasse der dortige Bordstein gesenkt. Und auch bei den Landesgartenschauplanungen werden die Menschen mit Behinderung mit ins Boot geholt, z. B. bei der Frage, wie steil eine Rampe sein darf, damit sie problemlos von Rollstuhlfahrern genutzt werden kann.
Malena Muller wünscht sich, dass sie und die anderen von der Stiftung Haus Lindenhof bei der Landesgartenschau mitwirken dürfen. „Wir könnten zum Beispiel Kaffee und Kuchen in einer Gaststätte ausgeben.“ Die junge Frau wünscht sich vor allem aber eines: Mehr Akzeptanz.
Und Erkan Gezen ergänzt: „Die anderen brauchen keine Angst zu haben. Wir sind ganz normale Menschen.“ Wie normal, das zeigt sich an ihrer Freizeitgestaltung, die sich zunächst nicht groß von der anderer Leute unterscheidet. Malena Muller führt seit April 2010 einen eigenen Haushalt, ihre Wohnung liegt in der Gmünder Innenstadt. Auch Erkan Gezen lebt im Herzen von Gmünd, in einer Wohngemeinschaft mit insgesamt sechs Leuten, davon zwei Rollstuhlfahrern. In ihrer Freizeit gehen Muller und Gezen gerne in die Disco, ins Bassano oder ins Kino. Bei letzterem fährt Gezen nach Aalen — denn dort gibt es das einzige Kino in der näheren Umgebung, wo es einen barrierefreien Zugang gibt.

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