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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

800 schrägspielende Musikerinnen und Musiker machten die Straßen und Gassen der Stadt unsicher

Besser hätte man es nicht einteilen können: Bei strahlendem Sonnenschein feierten die Guggen am Samstag in Schwäbisch Gmünd ihr großes, internationales Fest – um sich am verregneten Sonntag zum Frühschoppen in die große Sporthalle zurückzuziehen.

Montag, 28. Februar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt/​ml/​nb). Der Samstagmorgen des großen Gmünder Guggenwochenendes ist stets den Kindern vorbehalten. Kleine Prinzessinnen sind sich nicht zu schade, den Narrenbaum zum Marktplatz zu ziehen, und auch Polizist und Sträfling in Miniaturformat arbeiten einträchtig Seite an Seite. Die Silberglöckchen mit den weißen Locken lassen das Publikum ebenso in „Sind die süß“-Rufe ausbrechen, wie die Stöpselgarde mit bunten Zeichnungen in den Kindergesichtchen.
Zum 19. Mal wurde am Samstag der Narrenbaum aufgestellt, und es ist immer wieder nett. Dass eine Premiere anstand, wie der langjährige Moderator Thomas Schwendele verkündete, heißt nichts anderes, als dass es auch in Zukunft diesen Auftakt des Guggenwochenendes geben wird: Die Nachfolge ist gesichert. Der AGV 1955, der die Zeremonie bislang ge-​stemmt hat, zieht sich zurück: „Wir sind zu alt für so was“, erklärte Schwendele unter dem Gelächter seiner Zuhörer. Statt dessen übernimmt jetzt die 1. Narrenzunft Hölltalschütz, also die Rudos, diese vogelwilden Gesellen.
Konsequenterweise hat Schwendele dann auch gleich das Mikro an seinen Nachfolger übergeben, an Hölltalschütz Lukas Krieg – versprach aber, weiterhin Narrenbaum-​Berater zu bleiben. Aufgestellt wurde der Baum wie immer gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr Wetzgau, die dafür mit einem herzlichen Applaus bedacht wurde, ebenso wie die Guggenkappellen Grossschtadtchnulleri (Schweiz) und Ohräquäler, Rheinfelden, die den Kinderzug begleitet hatten. Mit Blick auf die „Ohrenquäler“, erklärte ein Zuschauer nachdenklich – und zur Freude der Umstehenden – wenn das das einzige Kriterium sei, könnten seine Schwestern auch eine Kapelle aufmachen. Der Narrenbaum 2011 zeigt wie immer ein Silbermännle und einen Rudo, die närrischen Einhörner – eines gar beim Versuch, sich als Zebra zu verkleiden. Den aktuellen Filter-​Bezug schafft ein rostiges Ofenrohr samt roter Abgasplakette, zudem sind die Embleme des Guggenfestivals zu sehen. Und um den AGV 1955 zu ehren, haben die Rudos außerdem dessen Wahrzeichen angebracht. Der Narrenbaum hat jetzt eine schwarz-​rot-​goldene Spitze unter dem schwarzen Hut. Witzbolde freilich sehen im großen Rest, der in den Stadtfarben Rot und Weiß gehalten ist, die VfB-​Farben: Und der schwarze Ring ist der Trauerflor. Fand nicht jeder komisch.
Guggenmusiker bewiesen unglaubliche Ausdauer – bis
spät in die Nacht wurde geguggt
Zum „grandiosen Guggenwochenende“ begrüßten dann Robert Frank mit Landesgartenschau-​Hut für die T&M sowie Albert Scherrenbacher für die AG Fasnet. Oberbürgermeister Richard Arnold zeigte Stimmgewalt wie Boxkampfkommentator Michael Buffer, als er die vielen Gäste aus aller Welt begrüßte und die amtierende Barnsleyer Bürgermeisterin – The Worshipful the Mayor – Margaret Sheard auf der Bühne begrüßte. Auch das Prinzenpaar Birgit I. und Christian I. sowie der närrische Schultes Sabine die Pfiffige und der Zeremonienmeister Daniel der Absulute gaben sich die Ehre.
Begrüßt wurden natürlich auch die 20 Guggenkapellen mit über 800 Musikerinnen und Musikern aus der Schweiz, dem Fürstentum Liechtenstein und Deutschland, die Gmünd wieder zum „Mekka der Guggenmusik“ gemacht haben. Besonderes Augenmerk galt den Guggenmusikerinnen und –musikern der Gruppe „Los Krawallos“ des Lindenhofs, die zeigen, wie Menschen mit Behinderung wirklich Teil der Gesellschaft werden können.
Am Nachmittag präsentierten sich die Kapellen nacheinander auf dem Markt-​, dem Johannis– und dem Münsterplatz. Auf der Bühne vor dem Rathaus wurden sie dabei einzeln vom Ersten Bürgermeister Joachim Bläse begrüßt und vorgestellt. Auf den Plätzen konnte man sehen, wie Guggenmusik alle Altersgruppen anspricht: Vom fünfjährigen „Silberglöckle“ bis zum Urgroßvater reichte das Spektrum der Zuhörer, die teils mit, größtenteils allerdings ohne eigene Verkleidung unterwegs waren.
Wer sich an alte Guggenmusik-​Tage erinnert, dem wird vielleicht das relativ enge Repertoire der Kapellen einfallen. Davon hat man sich inzwischen Lichtjahre entfernt. Da konnte man hier eine Interpretation von Lenas „Satellite“ hören, dort erklang das James-​Bond-​Thema und wieder woanders wagte man sich an das einstige Skandalstück „Je t’aime“.
Wer am Samstagabend in der Stadt unterwegs war und ob der Kälte zu frieren anfing, der hatte zwei Möglichkeiten: Glühwein trinken oder rein in die Menge und mitschunkeln. Die Gelegenheit hierzu bot sich beim Monsterkonzert, das auf dem Münsterplatz, dem Johannisplatz und dem Marktplatz stattfand. Bis kurz nach 22 Uhr wurde auf den Plätzen geguggt. Vorbei war die Veranstaltung dann aber noch längst nicht. In den Lokalen der Innenstadt ging die Party weiter. Kneipengänger und Guggenmusiker standen dichtgedrängt beieinander und sorgten mächtig für Stimmung.
Und wo im Innenbereich ob der großen Anzahl an Guggen und Besucher kein Platz mehr war, da versammelten sich auch vor den Lokalen Jung und Alt, äugten neugierig durch die Scheiben und waren, dem Regen zum Trotz, bester Stimmung. Und: Kein Bein blieb ruhig. Überall wurde geschunkelt, gewippt oder in die Hände geklatscht. Die Guggenmusiker und auch die Besucher der Veranstaltung bewiesen mal wieder eine unglaubliche Ausdauer.
Rege genutzt wurde die Möglichkeit, drei Guggengruppen auszuzeichnen — für die schönsten Kostüme, den besten Sound und die überzeugendsten Stimmungsmacher. Das Publikum konnte Stimmzettel ausfüllen, die dann bis zum Frühschoppen gestern ausgewertet worden waren.
Für das schönste Kostüm zeichneten die Festivalbesucher die Gruppe „Pföhrassler“ aus Balzers in Liechtenstein aus. Den besten Sound lieferten nach Ansicht ihrer Zuhörer die „Weißahoarer Giggelesbronzer“ aus Weißenhorn im bayerischen Landkreis Neu-​Ulm. Als Top-​Stimmungsmacher galt dem Publikum die Truppe der „Moosfürz“ aus dem schweizerischen St. Gallen.

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