Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Ostalb

Hervorragend besuchte Tagung zum Thema „Medizinische Versorgung im Ländlichen Raum“ gestern im Mutlanger Forum

Dass die „Medizinische Versorgung im Ländlichen Raum“ vielen auf den Nägeln brennt, war nicht nur daran erkennbar, dass an der Tagung dazu gestern in Mutlangen zwei Landesminister teilnahmen. Es hatten sich so viele kommunale Vertreter angemeldet, dass die Veranstaltung von der Stauferklinik ins Mutlanger Forum verlegt werden musste. Von Manfred Laduch

Dienstag, 08. Februar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

MUTLANGEN. Für den Veranstalter, die Akademie Ländlicher Raum, begrüßte Dr. Gerhard Faix die Gäste. Medizinische Versorgung sei ein entscheidender Standortfaktor. Sei sei in Baden-​Württemberg heute zwar noch sehr gut, Schwierigkeiten aber schon absehbar. Deshalb seien Strategien erforderlich. Das Land sei nicht untätig, habe Modellprojekte und ein Aktionsprogramm entwickelt. In einem schonungslosen Grußwort, bei dem er die Finger in viele Wunden legte, beleuchtete der ärztliche Direktor der Stauferklinik, Dr. Manfred Wiedemann, das Thema aus Medizinersicht. Die Versorgung des ländlichen Raumes sei nur ein kleiner Teil eines viel größeren Problems. 30 Prozent der Medizinstudenten planten ihren Berufsweg im Ausland. Deshalb werden im Jahr 2020 rund 24 000 Ärzte fehlen, 2030 seien es schon 165 000. Von den 200 praktizierenden Hausärzten im Ostalbkreis sei etwa sie Hälfte über 55 Jahre alt. Und jeder Deutsche besuche im Schnitt 18 Mal pro Jahr einen Arzt, jeder Österreicher nur vier Mal. Im Jahr 1990 seien an der Stauferklinik pro Woche noch 20 Spontanbewerbungen eingegangen – heute komme praktisch das ganze Jahr über keine einzige mehr. Auch das Krankenhaus brauche Ärzte und kämpfe deshalb mit um Talente. Nach Wiedemanns Ansicht liegt das Problem der Gesundheitsversorgung in zu vielen und zu teueren Spezialisten. Auch gebe es große regionale Unterschiede. Während in Heidelberg 240 Patienten auf einen Arzt kämen, seien es in Hohenlohe zirka 800. Um Mediziner für ein Dasein als Hausarzt zu interessieren seien die Anreize falsch, die Kontrollen insuffizient und nicht fair, das Klima nicht vertrauensvoll. „Ich bin nicht negativ“, versicherte Wiedemann seinen Zuhörern, „drei meiner Kinder sind in die Medizin gegangen.“ Bürgermeister Peter Seyfried freute sich über die volle Halle. Auch aus dem Ostalbkreis war über die Hälfte seiner Kollegen gekommen. Er stellte kurz die Gemeinde Mutlangen vor, erwähnte den großen Bevölkerungszuwachs und den Strukturwandel. „Das Interesse zeigt, dass das Thema ein Volltreffer ist“, betonte Rudolf Köberle, Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz. Von der Gesundheit – und damit auch der medizinischen Versorgung – hänge die Lebensqualität ab. Je nachdem, welche Gemeinden man dazuzähle, lebten immerhin 35 bis 50 Prozent der Bevölkerung Baden-​Württembergs im Ländlichen Raum. Köberle nannte die demographische Entwicklung und den Kostendruck im Gesundheitswesen als Einflussfaktoren für die medizinische Versorgung. Vielen Ärzten fehlten die Anreize für eine Niederlassung im Ländlichen Raum. „Wir wollen, dass das drohende Problem der Unterversorgung gar nicht erst in der Wirklichkeit ankommt“, betonte der Minister. Deshalb beschäftige sich der Kabinettsausschuss Ländlicher Raum bereits seit 2006 damit. Die Landesregierung wolle Anreize bieten, dass sich Ärzte im Ländlichen Raum niederlassen und habe dafür sieben Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Köberle nannte auch die Telemedizin einen vielversprechenden Ansatz, über die im späteren Verlauf der Tagung Ostalb-​Gesundheitsdezernent Dr. Klaus Walter einen Vortrag hielt. Auswirkungen auf die Hausarztversorgung habe auch die Tatsache, dass 60 Prozent der Medizinstudenten weiblich seien, erklärte die Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren, Dr. Monika Stolz. Diesen angehenden Ärztinnen werde man den 24-​Stunden-​Einzelkämpfer auf dem Land kaum schmackhaft machen können. Eine funktionierende Balance zum Privatleben sei notwendig. Spreche man mit Medizinstudenten, dann legten diese Wert auf Teamarbeit. Hier wären Medizinische Versorgungszentren eine Lösungsmöglichkeit. Und die beschränkte Neigung zu finanziellen Risiken, mit denen der Aufbau einer eigenen Praxis auf dem Land verbunden sei, könne mit entsprechender Förderung durch Land und Kommunen abgemildert werden: „Wir brauchen differenzierte regionale Lösungsansätze in Kooperation“, forderte die Ministerin. Zum Beispiel müsse man vom Bund eine kleinräumigere Bedarfsplanung einfordern. Die Feststellung, dass ein Landkreis statistisch mit einer ausreichenden Ärztezahl versorgt sei, nutze der Bevölkerung gar nicht, wenn sich diese Ärzte auf die großen Kreisstädte konzentrierten. Gerade ältere, immobilie Menschen und junge Familien benötigten eine Versorgung vor Ort. Die könne freilich nicht in jedem Dorf stattfinden. Deshalb müsse man über Alternativen nachdenken: Fahrdienste, Zulassung von Zweitpraxen, eine Telemedizin vor der keine Ängste geschürt würden. „Lösungen brauchen Zeit und die Zusammenarbeit aller Beteiligten“, betonte Monika Stolz. Im Ostalbkreis, der sich als Gesundheitsregion verstehe, sei das Problem schließender Landarzt-​Praxen seit vielen Monaten bekannt, erläuterte Landrat Klaus Pavel in seinem Vortrag. Um ihm entgegenzuwirken, habe man gemeinsam mit den Kliniken im Kreis ein Weiterbildungskonzept gestartet, bei den Kommunen das Zur-​Verfügungstellen von Räumen für Praxen angeregt, die Kreissparkasse von einem Förderprogramm für Praxisgrundungen überzeugt und Telemedizin-​Projekte ins Leben gerufen.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

3515 Aufrufe
741 Wörter
4819 Tage 15 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4819 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2011/2/8/hervorragend-besuchte-tagung-zum-thema-medizinische-versorgung-im-laendlichen-raum-gestern-im-mutlanger-forum/