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Keltische Siedlung beim Pipeline-​Bau in Alfdorf entdeckt

Im Zuge des Baus der EPS-​Pipeline könnte sich für die Gemeinde Alfdorf und für die gesamte Heimatgeschichte im Gmünder Raum eine kleine Sensation anbahnen. Seit Donnerstag werden an der Pipeline-​Trasse archäologische Spuren unter die Lupe genommen, die ziemlich eindeutig auf eine keltische Siedlung hinweisen. Von Heino Schütte

Samstag, 30. April 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

ALFDORF. Bewahrheiten sich die Ursprünge der Funde, dann könnte Alfdorf von sich behaupten, eine Siedlung mit 2500-​jähriger Geschichte zu sein. Inwieweit der Bau der Ethylen-​Pipeline verzögert werden könnte, ist derzeit noch nicht ganz klar und hängt von den weiteren Beobachtungen der Archäologen und Denkmalschützer des Regierungspräsidiums ab. Im Auftrag des RP begleiten die Bodendenkmalpfleger mit einer ganzen Kolonne von Grabungshelfern den Bau der Pipeline. Im Bereich nördlich des Remstals wird an mehreren Stellen damit gerechnet, dass die Pipeline-​Baustelle archäologisch auffällige Bereiche durchschneidet. Dies betrifft besonders das UNESCO-​Weltkulturerbe Limes (Entstehung und Bestand zwischen 150 und 260 n. Chr.). Gerade bei Alfdorf und weiter in Richtung Welzheim richten die Archäologen ihr Augenmerk auf diese Zeugnisse der römischen Geschichte.
Eine Siedlungsfläche von
vermutlich einem Hektar
Dass jetzt sogar eine Fundbeobachtung, die augenscheinlich aus vorrömischer Zeit stammt, stattfinden kann, lässt das Herz eines jeden Heimatforschers in der Region höher schlagen. Beim Vortrieb des Erdaushubs für Bau der Ethylen-​Pipeline tauchten auf der Hochebene nordöstlich bei Alfdorf zunächst verdächtige dunkle Rundungen im lehmigen Boden auf. Die EPS-​Bagger schieben ja vergleichsweise sorgsam zunächst die oberste Schicht (Mutterboden) auf die Seite einer etwa zehn Meter breiten Arbeitstrasse, um mit diesem Material nach dem Einbau der Stahlrohre in einem etwa eineinhalb Meter tiefen Grabungsschnitt die Äcker und Felder wieder zu „reparieren“. Eine ideale Voraussetzung also für archäologische Beobachtungen der freigelegten Erdschichten.
Beim Wegschieben des Mutterbodens kamen nun die „Flecken“ zum Vorschein. Bei mehreren Grabungsschnitten bestätigte sich jetzt der erste Verdacht unter den geschulten und aufmerksamen Blicken der Experten des Amtes für Denkmalschutz aus dem Regierungspräsidium: Es handelt sich völlig eindeutig um eine Unmenge von so genannten Pfostengruben. Bei weiteren Grabungen kamen Feuerstellen (Holzkohlereste) und Scherben zum Vorschein. In der Gesamtschau handelt es sich um eine auffallend weite Siedlungsfläche auf schätzungsweise einem Hektar, wie sie sehr typisch aus der vorrömischen Keltenzeit stammt (in Süddeutschland ab 500 v. Chr.). Die Ausdehnung spricht eher für eine Oppida (Siedlung) als um den kleineren Typus eines Castellum (alleinstehende keltische Burg). Passend dazu auch die keltische Auswahl dieses Siedlungsortes auf einer beherrschenden Hochfläche, wobei sich gleich daneben trotz gegenwärtiger Trockenzeit ein kleiner Wasserlauf durch die Felder schlängelt, was für die Siedler natürlich auch ein wichtiger Faktor war. Das Fundergebnis spreche tatsächlich für eine Herkunft aus der Eisenzeit/​frühe Keltenzeit (etwa 500 v. Chr.). Der Grabungsleiter geht bislang von einer kleineren Siedlung aus.
Die Kelten stehen in unserer Region bereits weit vor den Römern für eine hochentwickelte Kultur. Trotz losen Stammesgefüges pflegten sie gemeinsame religiöse Bräuche, was sich ganz besonders bei der Untersuchung von Grabstätten zeigte. Auch die Landwirtschaft und die Metallverarbeitung sowie Handelsstrukturen mittels Wagen nahmen die Epoche der „eingewanderten“ Römer in bodenständig entwickelter Art und Weise bereits voraus. Für endgültige Nachweise der „Keltenstadt Alfdorf“ stehen Funde z.B. von Grabhügeln noch aus. Durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung des Höhenzuges in den letzten Jahrhunderten wird diese Hoffnung allerdings gedämpft.
Die Archäologen gehen mit gespaltenen Gefühlen ans Werk: Einerseits ist der Bau der Ethylen-​Pipeline ja ein Glücksfall, um die uralte Siedlungsfläche überhaupt ans Tageslicht gebracht zu haben. Andererseits dürfte der Weiterbau der EPS-​Leitung durch die bisherigen Fundbeobachtungen wohl kaum aufzuhalten sein. Diese Einschätzung teilt auch Dr. Peter Zaar, Pressesprecher des Regierungspräsidiums Stuttgart. „Ja, wir sitzen da gewissermaßen zwischen den Stühlen“, meint er zur Crux der Interessensabwägung. Nach Angaben des Regierungspräsidiums haben sich im Zuge des EPS-​Pipelinebaus bislang schon rund 100 archäologisch interessante Fundstätten ergeben.
In Fällen wie bei Alfdorf spreche man von Notgrabungen. Denn das Regierungspräsidiums sei einerseits verantwortlich für die Belange des Denkmalschutzes, andererseits für die planfestgestellte Baumaßnahme. In dieser Interessensabwägung sei die archäologisch-​wissenschaftliche Begleitung solcher Projekte fester Bestandteil der Planfeststellung: Die Bauherrschaft werde verpflichtet, die Untersuchungen zuzulassen und die Kosten zu übernehmen. Vergleichbar sei diese aktuelle Vorgehensweise bei der EPS (Ethylen Pipeline Süd) auch mit den denkmalpflegerischen Maßnahmen im Zuge der Bahn-​Neubaustrecke Stuttgart-​Ulm, wo sich an und auf der schwäbischen Alb auch schon hochinteressante Funde ergeben haben.
RP-​Pressesprecher Dr. Peter Zaar nennt die Entdeckung der Siedlungsspuren bei Alfdorf „landestypisch, jedoch regional natürlich sehr interessant“. Im Bedarfsfall sei EPS erfahrungsgemäß sehr kooperativ und räume den Archäologen ausreichend Zeit ein, um die Fundstätten zu untersuchen, zu vermessen und zu dokumentieren. Der Denkmalschutz wolle ja auch nicht das gesamte Gelände umgraben, sondern sei verstärkt daran interessierte, solche Flächen unberührt zu lassen. Denn auch nachfolgenden Generationen mit gewiss noch besseren Grabungs– und Untersuchungsmethoden sollen solche Orte erhalten bleiben.

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