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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Adolf Bidlingmaiers Hauptwerk kehrt heim

Die Wege zur Kunst, das langfristig angelegte Projekt des Fördervereins Straßdorf, sind um ein Werk länger geworden. Am Samstag wurde das bislang größte Objekt enthüllt — die monumentale „Lebensalter“-Figurengruppe des aus Straßdorf stammenden Bildhauers Adolf Bidlingmaier.

Montag, 18. Juli 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 48 Sekunden Lesedauer

GMÜND-​STRASSDORF (rw). Es herrschte Feststimmung unter den gut 200 Besuchern, die sich in der Kleingartenanlage einfanden. Der Förderverein bereitete der Rückkehr dieses Hauptwerks eines Bildhauers, der aus einer alteingesessenen Straßdorfer Familie stammt, eine triumphale Rückkehr. Zumal sich darin ein außergewöhnliches bürgerschaftliches Zusammenwirken manifestierte, das diesen Gmünder Teilort auszeichnet. Dass Schwäbisch Gmünd Kulturstadt ist, dazu tragen wesentlich seine Stadtteile bei, betonte auch OB Richard Arnold in seiner Ansprache. Den seit zehn Jahren bestehenden Förderverein erfüllt es wiederum mit großem Stolz, dass die „Wege zur Kunst“, von Wolfgang Hämmerle initiiert, weiterwachsen, so Ortsvorsteher Werner Nußbaum, „ein einmaliges Forum für lokale Bildhauer.“ Dies mit einem Werk, das ebenso außergewöhnlich ist wie die Leistung vieler helfender Hände, es vom Stuttgarter Bauhof zu seinem neuen Standort im Gewann Horning zu bringen, vor die Kulisse des Albtraufs: „Wir verstehen unsere Arbeit als wichtigen Beitrag zum Kulturleben unserer Stadt. Wir schaffen etwas, das Bestand hat.“ Wie viele helfende Hände nötig waren, machte Nußbaums lange Dankadresse deutlich — von den Türen öffnenden Kontakten des Bürgermeisters Joachim Bläse in die Stuttgarter Verwaltung bis zu unermüdlichen Helfern wie Manfred Hess, zu Paul Stummer und zur Familie Hugo Irdenkauf, die mit ihrer Bauunternehmung die Wiederaufstellung der Skulptur stiftete und von der alle Fundamente der Skulpturen von Wege zur Kunst stammen. In diesem Fall ein besonders massives: Um die 30 Tonnen schwere Muschelkalk-​Plastik Bidlingmaiers aufzubauen, waren ein Fundament und eine Rückwand aus 60 Tonnen Beton nötig, der in seinen sichtbaren Teilen sorgfältig gestockt wurde und damit eine hochwertige Oberfläche erhielt.
Der Förderverein habe mit „Wege zur Kunst“ etwas Bleibendes geschaffen, „davon zehrt Schwäbisch Gmünd. Es ist schön, dass es Menschen gibt, die Verantwortung für ihre Heimat empfinden und sie bereichern.“ Werner Nußbaums Erinnerung an ein fast schon begrabenes Projekt, die „Wege zur Kunst“ mit der Landesgartenschau zu verbinden, griff OB Arnold auf: „Das haben wir noch nicht aufgegeben.“ Die Strecke könne von der Josefskapelle übers Franziskanerinnenkloster zu „Wege zur Kunst“ und zur Straßdorfer Marienkapelle führen.
Rudolf Berkenhoff führte in Adolf Bidlingmaiers „Lebensalter“-Gruppe ein, ein Auftragswerk für die Stuttgarter Spar– und Girokasse, das am mittlerweile abgerissenen Gebäude Königstraße 5 angebracht war: Kunst am Bau unter den Bedingungen und im Zusammenhang der NS-​Diktatur: „Es ist verständlich, dass man in diesen Figuren durchaus den völkischen Aspekt aus der NS-​Zeit wahrnehmen kann.“ Vor allem aber habe Bidlingmaier eine „treffende Allegorie des Normalen“ dargestellt — die 1939 schon keine mehr war, „die Stuttgarter Synagoge lag in Schutt und Asche“. Zweierlei hätten die Figuren überstanden, Bombenkrieg und Abbruch, „und sie wollen mit Sicherheit keine Zeugen einer heroischen Zeit sein.“ Der junge Bildhauer Bidlingmaier habe sich nicht an der politisch diktierten Doktrin orientiert. Nach seinem Tod durch Ertrinken im Rhein auf der Flucht aus französischer Kriegsgefangenschaft habe man in seiner Brieftasche eine Fotografie der Figurengruppe gefunden, die einen anderen Zustand zeige. Möglicherweise, dafür spreche auch die ungewöhnlich lange Arbeit an der Plastik, habe er sie verändern müssen. Die „Melancholie der drei erwachsenen Figuren“ in der Gruppe teile sich auch dem heutigen Betrachter mit, „sie stehen da als Zeugen ihrer eigenen Geschichte, als Zeugen unserer Geschichte.“
RZ-​Kulturredakteur Reinhard Wagenblast sprach darüber, wie er durch seine über 30 Jahre zurückliegende Beschäftigung mit Kunst in der NS-​Zeit auf die Figurengruppe und ihren Schöpfer aufmerksam wurde, ausgehend von einem Artikel im „Gmünder Heimatforum“ der Rems-​Zeitung. Dass die Monumentalplastik von einem Straßdorfer Künstler stammt, sei in Vergessenheit geraten — bis er Wolfgang Hämmerle vor vier Jahren den Hinweis gab, „dann kamen die Dinge ins Rollen.“
In bewegten Worten sprach Felicitas Zeiler, die im Allgäu lebende Tochter Adolf Bidlingmaiers, über ihre Familie und ihren Vater. Er sei „kein einfacher Charakter“ gewesen und habe sich in der krisenhaften Zeit der frühen 30-​er Jahre zunächst mit kleinen Aufträgen über Wasser gehalten. Sie sprach zu vielen Verwandten im Publikum– die weitverzweigte und verteilte Bidlingmaier-​Sippe hatte sich über die Aufstellung der Großplastik in Straßdorf zu einem Treffen zusammen gefunden.

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