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Auf alten Schlittenwegen durch den Schwäbischen Wald

Mit Schlitten wurden einst riesige Mengen Brennholz vom Nestelberg aus 26 Kilometer an den Ebnisee transportiert, was den Menschen vor allem aber den Zugtieren alles abverlangte. Heute lockt ein Teil dieser Strecke die Wanderer.

Samstag, 20. August 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 43 Sekunden Lesedauer


GSCHWEND (bt). In fünf Stunden war diese Strecke von einem Pferd oder zwei Ochsen zu bewältigen; nicht zuletzt, weil es unterwegs mehrere Stationen gab, an denen volle gegen leere Schlitten ausgetauscht werden konnten. Auch waren Steigungen nach Kräften vermieden worden: Lieber eine Klamm umfahren, als die Tiere am Berg zu Tode zu schinden. Ging’s doch einmal bergauf, bestand die Möglichkeit, weitere Zugtiere vorzuspannen.
66 Jahre war dieser Schlittenweg für viele Familien rund um Gschwend gleichbedeutend mit Existenzsicherung. Seine Bedeutung für die Waldbauern kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Bereits lange zuvor wurden große Mengen Holz aus der Gegend nach Schwäbisch Hall transportiert, wo zur Herstellung von 3000 Tonnen Salz 300 000 Festmeter (Kubikmeter ohne Zwischenräume) Holz nötig waren. Das heißt, die Stämme wurde direkt im Wald zu Holzkohle verarbeitet, oder in wannenförmig vertieften Schneisen die Steilhänge hinunter ins Kochertal gewölzt bzw. gerutscht – bis heute tragen Waldabteilungen und Markungen das „Wölz“ im Namen, wie Horst Schürger im Untergröninger Heimatbuch aufzeigt. Konkurrenz hatten die Haller Holzkäufer bis 1778 nicht zu fürchten, dann aber machte sich die Holzknappheit in Stuttgart und Ludwigsburg bemerkbar: Energiekrisen sind keine Erfindung der Neuzeit.
Noch um 1700 wurden 90 Prozent der gesamten Holzproduktion als Brennholz genutzt; für Schiffe, Fahrzeuge, Möbel, Werkzeuge und vor allem für den Hausbau gab es zum Holz keine Alternative. Auch der Holzbedarf tausender Schmelzöfen, Eisenhämmer, Salinen und Glasöfen überall im Land war gigantisch. Die Wälder nicht nur im Neckartal waren nach dem exzessiven Raubbau bald so extrem ausgelichtet, dass es nicht zuletzt für den Herzog und seinen Hofstaat in den neuen Schlössern – Schloss Solitude, Residenzschloss Ludwigsburg, Lustschloss Favorite, Seeschloss Monrepos – kaum noch Brennholz gab; es war erbärmlich kalt. Andere Gegenden musste für das notwendige Brennholz sorgen. Im Schwäbischen Wald gebe es genügend Holz, hieß es alsbald, deshalb solle dort abgeholzt werden. Und wie das Holz nach Stuttgart gebracht werde, das sei das Problem der Forstleute: Anbieten würde sich ja die Rems. Weil die Wälder im Remstal den gigantischen Bedarf langfristig auch nicht decken konnten, wurde schließlich der Welzheimer Wald erschlossen. So entstand der Schlittenweg. der vom Nestelberg bei Sulzbach ausgehend Rotenhar und Gschwend erschloss, Kirchenkirnberg, Hengstberg und Kaisersbach. Ohne dass große Höhenunterschiede überwunden werden mussten, fanden fortan in jedem Winter um die tausend Raummeter (Kubikmeter mit Zwischenräumen) Scheiterholz den Weg zum Abladeplatz über dem Ebnisee. Das Holz wurde dann durch eine etwa 400 lange „Riese“ genannte Rinne nach unten zum 60 Meter tiefer gelegenen Lager– und Stapelplatz gerutscht, wie der mittlerweile verstorbene Gerhard Wahl herausgefunden hat. Mit dem Stauwasser des Ebnisees, der eigens für die Flößerei angelegt worden war, wurde das Holz in der Wieslauf zur Rems und dann zu den Holzlandeplätzen in Waiblingen und Neckarrems geflößt; hatte man die Schleusen des Sees geöffnet, konnte in der wasserarmen Wieslauf sechs Tag lang geflößt werden.
Bis 1844 gab es zu Schlittenweg und Wassertransport keine Alternative, dann wurde das Wegenetz auch in abgelegenen Gegenden ausgebaut, zudem konnte jetzt Dank der Eisenbahn Kohle über große Entfernungen herbeigeschafft werden. Noch im selben Jahr entstand zwischen Hohenohl und Gschwend-​Waldhaus ein ausgebauter Waldweg, der bis heute Spaziergänger lockt. Während in der gesamten Region die Forstämter aufgelöst wurden, freut sich der Gschwender Raum zumindest über die „Forstliche Ausbildungsstelle“ in Hohenohl; den Nachwuchsforstleuten sind unter anderem ein kleiner Waldlehrpfad und eine ganze Reihe von Bänken zu verdanken. Auch gibt es Kleindenkmale wie den „Schillerstein“ oder ein Steinkreuz, das an eine alte Tragödie erinnert — von der freilich niemand näheres zu berichten weiß.
Erwandert werden kann die historische Trasse auch in einigen anderen Teilen. An Steilstücken haben sich Hohlwege ins Gelände eingeschnitten, in den meisten Abschnitten freilich lässt sich der Verlauf des Schlittenwegs höchstens erahnen.
Eines aber ist gewiss: Die gesamte Strecke ist von großer Faszination.

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