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Philharmonie: Impulse, die Wirkung zeigen

Gab es bereits zum Herbstkonzert 2011 der Philharmonie Schwäbisch Gmünd einen unerwarteten Einschnitt, so folgte nun mit dem neuen Dirigenten Knud Jansen die zweite Zäsur — als hoffentlich dauerhafte Lösung.

Montag, 23. April 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 28 Sekunden Lesedauer

KONZERT (-ry). Das Frühjahrskonzert vom vergangenen Samstag belegte hörbar die gute Entscheidung für den gekürten Chef Knud Jansen. Er konnte nahtlos anknüpfen an der sauberen Interimsarbeit mit Thomas M. J. Schäfer, dessen Präferenz der ausgefeilten Präzision vor dem voluminösen Klangereignis bereits aufhorchen ließ.
Und – um es vorweg zu sagen: Man hörte ein „völlig neues“ Orchester: kein Verwischen der auch noch so anspruchsvollen Bewegung, nuancierte Dynamik – eben ein Miteinander feinster Differenzierung mit der Folge tiefer Auslotung der Partiturvorgaben. So wird Musik zur Kunst, zugleich respektvolle Aneignung eines dienend humanen Ethos.
Dass Jansen die Einführung in das jeweilige Konzert zur dauerhaften Institution machen will, ehrt ihn besonders, ist es doch eine doppelte Herausforderung an Konzentration. Da die Premiere vom Samstag nicht die allseitige Wahrnehmung erfahren hat: die Anwesenden waren mehr als angetan.
Die Partitur hatte für Jansen eher eine Gedächtnisstützen-​Funktion. Sein Dirigieren zeigte durchgängig die umfassende Auseinandersetzung mit allen Facetten der Komponistenvorgaben. Die „Vorschusslorbeeren“ in Vorankündigung und Programmheft erwiesen sich diesbezüglich als völlig zutreffend. Hinzu kommt die vielfältige Erfahrung als Orchestermitglied mit verschiedenen Instrumenten. Zudem: wie Schäfer ist auch Jansen neben vielen anderen inzwischen renom mierten Dirigenten (man denke nur an die Gmünder Hubert und Stephan Beck oder eben an Rilling) von Haus aus Kirchenmusiker – nicht erst in jüngerer Vergangenheit eine ideale Voraussetzung für solch ansteckendes Musizieren.
Auch die Umpositionierung der Orchestergruppen im zweiten Konzertteil ist Ausfluss der Vorbereitung und Umsetzung historischer Fakten mit ganz neuen Hörerlebnissen.
Beethovens Ouvertüre zu „Coriolan“ spiegelte vorzüglich die markanten Widersprüche bezüglich der Historie und ihrer menschlichen Bewertung. Die mehrfach wiederkehrenden Akzente im Tutti samt der Unruhe der Bewegung trafen so richtig den Charakter des kantigen Komponisten – ein Maßstab setzender Auf – takt zum Konzert selbst und der noch jungen Zusammenarbeit von Philharmonie und neuem Dirigenten.
In der klassisch-​romantischen Tradition sind die drei komplexesten Violinkonzerte alle in D-​Dur (Beethoven, Brahms und Tschaikowskij). Das ist sicher kein Zufall. Und die „Antworten“ der Komponisten auf die Klangsphäre, welche dieser Tonart eigen sind, fallen entsprechend unterschiedlich aus.
Die Werkeinführung hebt zu Recht heraus, wie gegensätzlich bei Tschaikowskij die biografische Bedingung und die wunderbare Ausführung seiner Mühe waren – analog der Gleichzeitigkeit von „Pathétique“ und „Nussknacker“.
Das geht unter die Haut! Schwäbisch Gmünd wurde Augen– und Ohrenzeuge eines Glücksfalls: neben dem ambitionierten Dirigenten durfte man ei – nen Solisten erleben, der unverwechselbar authentisch war in des Begriffes doppelt kongruenter Bedeutung: eine unauflösbare Klammer genauester Kenntnis der Noten und eines Spiels aus der Intuition des Augenblicks. Michael Ewers war der begnadete Interpret. Technik ist für ihn selbstredend nicht zu diskutierende Voraussetzung jedes künstlerischen Anspruchs.
Und dann sein Ton! Beseelt, berührend, allen Emotionen mit traumwandlerischem Gespür Gestalt schenkend. Im Dialog mit der sensiblen Philharmonie gab es ein Auf und Ab an Ein – drücken, wunderbar ineinander gehend. Agogik und Tempoangleichung gelangen wie selbstverständlich, einfach miteinander „geatmet“. Auch die Kleinsten unter den Zuhörern lauschten gespannt. Selten: aber es gab ganz gegen die Üblichkeit (verständlicher Weise) Zwischenapplaus.
Die stets freundlichen Impulse des Dirigenten blieben nicht ohne Wirkung. Da war nichts von bloßer Klangfläche, schon gar keine Show, sondern die Natürlichkeit strukturierter Phrasen, keine Sekunde der Langeweile, sondern musikantisches Sprühen, gleich, ob bei den satten Streichern oder den berückenden Bläsern. Stellvertretend sei der quirlige Jannik Becker genannt, der seine Pauken so beispielgebend bediente, dass alle Nuancen fabelhaft gelangen.
Die Fülle überzeugender Details könnte schwindlig machen.
So erlebte Gmünd eine Sternstunde semiprofessionellen Spiels, das die Konkurrenz der „Nurprofis“ nicht zu scheuen brauchte.

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