Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Wolfgang Brenz sprach im Prediger über Antisemitismus

Anlässlich des gestrigen Holocaustgedenktags, hielt der Historiker Professor Wolfgang Brenz im Prediger einen Vortrag zum Thema „Antisemitismus nach dem Holocaust — aktuelle Vorurteile und Feinbilder“ und erläuterte, was unter Antisemitismus überhaupt zu verstehen ist.

Montag, 28. Januar 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 48 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (fed). Gestern wurde im Kulturzentrum Prediger der zahlreichen Opfer gedacht, die verfolgt, entrechtet und ermordet wurden. Darunter nicht nur Juden, sondern auch Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle, politisch Andersdenkende sowie Männer und Frauen des Widerstands. In Anwesenheit des Oberbürgermeisters Richard Arnold und MdL Dr. Stefan Scheffold, machte Professor Wolfgang Brenz im Refektorium des Predigers auf die Gefahren des Antisemitismus aufmerksam. Bis März 2011 leitete er das Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität in Berlin, und verfasste zahlreiche Publikationen. 1992 erhielt er für sein Schaffen den Geschwister-​Scholl-​Preis.
Gegen jede Form der
Diskriminierung vorgehen
Zu Beginn hieß Richard Arnold Wolfgang Brenz in Schwäbisch Gmünd herzlich willkommen, und machte bei dieser Gelegenheit deutlich, wie wichtig ihm der Gedenktag sei, da man in dieser Form mit der Vergangenheit umgehen könne. „In der heutigen Zeit muss man gegen jede Form der Diskriminierung vorgehen und darüber sprechen.“
Gleich zu Beginn machte Wolfgang Brenz deutlich: „Alltägliche Judenfeindlichkeit gibt es noch heute.“ Als Beispiel führte er Drohungen, Briefe und Telefonate an, die die israelische Botschaft tagtäglich erhält. Darunter seien Kommentare wie „Habt ihr Juden nichts gelernt“ oder „Hitler hat seinen Job nicht gut ausgeführt.“ Dabei sei Antisemitismus nicht nur, wie hauptsächlich angenommen, in der rechten Szene vorzufinden, sondern in der Mitte der Gesellschaft.
Etwa zwanzig Prozent der deutschen Bevölkerung hätten noch Ressentiments gegenüber Juden, was aber nicht bedeuten würde, dass jeder fünfte Bürger die Juden aus Deutschland raus haben will, sondern weil deren Weltbild noch von Abneigungen geprägt ist. Dies sei aber hauptsächlich auf den Staat Israel zurückzuführen, und deswegen sei man noch lange kein Antisemit.
Zur Definition des Antisemitismus nannte Brenz verschiedene Grundphänomene, darunter solche die auf Religion und Kultur zurückzuführen sind, und heute eine eher geringere Rolle spielen würden. Im Nationalsozialismus habe der Rassenantisemitismus, der bereits im 19. Jahrhundert entstand, zum Holocaust geführt.
Heutzutage sei vor allem in der westlichen Bundesrepublik ein Antisemitismus verbreitet, der sich „nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“ äußere. Man stelle sich die Frage, wie lange man noch für die Verbrechen der Vergangenheit büßen und zahlen müsse. Den Juden wird vorgeworfen, sie würden sich an dem Völkermord bereichern.
Brenz stellte fest, dass Judenfeindlichkeit „keine räumliche und zeitliche Begrenzung“ habe. Sowohl im Mittelalter als auch in der Neuzeit sei sie vorzufinden. Am Ende seines Vortrags erläuterte er noch, dass sich eine Mehrheit über die Ausgrenzung einer Minderheit stabilisieren würde, und nur Aufklärung könne helfen „Feindziele und deren Folgen zu überwinden.“

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

2324 Aufrufe
435 Wörter
4076 Tage 14 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4076 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2013/1/28/wolfgang-brenz-sprach-im-prediger-ueber-antisemitismus/