Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Ostalb

Göggingen Thema für die Flüchtlingshilfe: Rundbrief Baden-​Württemberg mit vernichtender Einschätzung der Unterbringung in Horn

Göggingens wurde dieser Tage „ein trauriges Gegenbeispiel in der allgemein positiven Entwicklung der Wohnsituationen von Flüchtlingen im Ostalbkreis“ genannt. Mit vier isolierten jungen Afrikanern in einem vom Schimmel befallenen Haus im abgelegenen Horn sei ein gegenläufiger Trend zu verzeichnen, dem sich das Landratsamt dringend widmen sollte, damit Flüchtlingen keine schlechtere Anschlussunterbringung gestellt wird als die, die sie in der Gemeinschaftsunterkunft erleben.

Mittwoch, 11. Dezember 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


GÖGGINGEN (bt). Gleich zweimal ist der Altkreis Schwäbisch Gmünd Thema des jüngsten, vierteljährlich erscheinenden Rundbriefs des Flüchtlingsrats Baden-​Württemberg. Neben einer Würdigung Prof. Dr. Manfred Köhnleins wird insbesondere die „menschenwürdige Unterbringung auch in der Anschlussunterbringung“ in Göggingen-​Horn hinterfragt. Studentin Kirsten Helmecke, die im AK Asyl engagiert ist, hat am Beispiel Göggingen aufgezeigt, was es bedeutet, dass das Flüchtlingsaufnahmegesetz keine Standards für die Anschlussunterbringung definiert.

Bereits beim Einzug der geduldeten jungen Männer aus Gambia im Herbst 2012 sei die schlechte Bausubstanz des zuvor leerstehenden Hauses in Göggingen-​Horn aufgefallen. Detailliert beschreibt Helmecke die Bedingungen. Spricht vom sanierungsbedürftigen Bad, das „auf zwei Stockwerken verteilt“ ist. Von undichten Fenstern, überall abblätternder Farbe, von Tapeten, die von den Wänden hängen. „Der modrige Geruch, der sofort in die Atemwege steigt, macht deutlich: dieses Haus macht krank. Auf dem Fußboden und an den Wänden befindet sich schwarzer und weißer Schimmel; einen Raum ohne Befall gibt es nicht.“

Im Bericht des Flüchtlingsrats erklärt Bürgermeister Walter Weber, der gestern nicht zu erreichen war, den Zustand des Hauses damit, dass die Bewohner die Räume nicht ausreichend pflegten; durch einfaches Lüften der Räume hätte der Schimmelbefall verhindert werden können. Dabei versichert die Autorin, bereits beim Einzug der jungen Afrikaner sei der Schimmel in zwei Räumen gewesen. Auch könne nicht richtig geheizt werden: „Es gibt nur einen Ofen; dieser befindet sich in der Küche und muss durch Holz befeuert werden. Das Dach ist nicht isoliert.“

Kurz vor Weihnachten 2012 wurde die Kälte für die Bewohner offenbar so unerträglich, dass die Gmünder Bürgerinitiative gegen Fremdenfeindlichkeit um Hilfe gebeten wurde. Seit dieser Zeit bemüht sich die BI eine neue Unterkunft für die Flüchtlinge zu finden.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht „Herr C.“ Der Mann aus Gambia ist in psychologischer Behandlung; die soziale Isolation in Horn und eben die Unterbringungssituation tragen zu einer Verschlechterung seines Zustands bei. Von Einsamkeit ist die Rede, Monotonie, Schlafmangel auch aufgrund der depressiven Störung, ebenso von mangelhafter Versorgung. C. ist der Einzige im Horner Haus, der sich dem nicht entziehen kann: Einer hat geheiratet, die anderen weichen so oft wie möglich auf Unterkünfte von Freunden überall im Ostalbkreis aus.

Das Landratsamt erklärt, nach vorschriftsgemäßer Verteilung sei die Gemeinde Göggingen verantwortlich. Die Bürgerinitiative, die im Frühjahr das Gespräch mit Bürgermeister Weber suchte, zitiert diesen mit den Worten „für Flüchtlinge echter Krisenregionen“ sei die Unterkunft ausreichend. Weber habe jedoch versprochen, sich nach anderen Wohnungen umzusehen.

Die Mietkosten werden nach wie vor bezahlt

Herr C. ging’s immer schlechter, und schließlich suchte er „Asyl“ in der GU, der Staatliche Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge, Hardtkaserne, die andere Flüchtlinge so schnell wie möglich verlassen. Dort zieht er mittlerweile, so wird berichtet, wie ein Nomade von Zimmer zu Zimmer: Dauerzustand, so ist von der GU zu hören, kann das nicht sein. Zurückgehen nach Horn? „Er kann da nicht leben“, sagte gestern Dr. Helmut Zehender vom Asylkreis Schwäbisch Gmünd der Rems-​Zeitung. Überhaupt: Die Busfahrt nach Gmünd ist teuer, der Fußmarsch über Feldwege zur nächsten Einkaufsmöglichkeit in Göggingen führt C. zum Lebensnotwendigen – aber eben nicht aus der Einsamkeit heraus. Er als Mensch mit allem, was er erlebt hat, was ihn ausmacht, geht völlig unter. Die vielfach geforderte „Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“ fehlt ebenso wie die benötigte Sozialbetreuung. Im Juli wurde das Gebäude vom Gesundheitsamt besichtigt. Auf Klagen, dass alles so schleppend bearbeitet werde, habe man ihr gesagt, so Kirsten Heimecker, dass sich die Flüchtlinge ja bereits selbst zu helfen wüssten. Aber auch an diesem Punkt ließe sich ansetzen. „Vielleicht schärft es den Blick, wenn man sich ins Bewusstsein ruft, dass hier für eine Wohnung Miete bezahlt wird, in der kein Mensch leben kann.“ Helmut Zehender wird deutlich: Ihm zufolge ist das Verhalten Göggingens „ein trauriges Gegenbeispiel in der allgemein positiven Entwicklung der Wohnsituationen von Flüchtlingen im Ostalbkreis“. Mit Göggingen-​Horn sei ein gegenläufiger Trend zu verzeichnen, dem sich das Landratsamt dringend widmen sollte, damit Flüchtlingen keine schlechtere Anschlussunterbringung gestellt wird als die, die sie in der Gemeinschaftsunterkunft erleben.

Vier Afrikaner „ohne hilfreiche Betreuung in diesen so entlegenen Ort zu setzen, in dieses alte, vom Schimmel befallene Haus“, nennt Prof. Dr. Manfred Köhnlein – mit deutlicher Kritik am Geschäftsbereich Integration und Versorgung des Landratsamtes – „einfach nur sehr gedankenlos“. Der Bürgermeister lasse nicht mit sich reden, Köhnlein sieht aber auch Gemeinde– und Kirchenräte gefragt: „Wie anders ist das, was derzeit mit Richard Arnold in Gmünd passiert.“

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

2211 Aufrufe
778 Wörter
3781 Tage 6 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 3781 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2013/12/11/goeggingen-thema-fuer-die-fluechtlingshilfe-rundbrief-baden-wuerttemberg-mit-vernichtender-einschaetzung-der-unterbringung-in-horn/