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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

EZB-​Direktor Jörg Asmussen: „Jahrzehnt der Anpassung“

Wenn einer der Chefs der Europäischen Zentralbank sich zur Finanz– und Schuldenkrise äußert, dann kann er sicher sein, aufmerksame Zuhörer zu finden, die auch auf Nuancen achten. EZB-​Direktor Jörg Asmussen war gestern Gast von MdB Christian Lange (SPD) bei dessen „Politischem Frühjahrsgespräch“ im Prediger. Thema: Wohin geht es mit Europa aus Sicht der Europäischen Zentralbank?

Dienstag, 07. Mai 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 47 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (rw). „Die Krise ist kein Naturereignis“, sagt Lange. Sie sei eine Folge politischer Entscheidungen gewesen, und politisches Handeln und bessere Regeln könnten aus der Krise auch herausführen. Vier Typen von Krisen, jeweils in verschiedenen Kombinationen, machte Asmussen aus: zu hohe staatliche Verschuldung, zu hohe private Verschuldung, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und Schieflage im Bankensektor. „In der Summe führten sie zur Vertrauenskrise und zur Krise der politischen Institutionen.“ Doch in den letzten anderthalb Jahren habe es Fortschritte gegeben: „Das Katastrophenszenario ist nicht eingetreten, und seine Wahrscheinlichkeit nimmt ab.“ Es habe Reformen zur Haushaltskonsolidierung in den Euro-​Mitgliedsländern gegeben, das Regelwerk der Finanzpolitik in der EU wird geändert, der Europäische Stabilitätsmechanismus wirke, erste Schritte zu einer Banken-​Union werden unternommen, und die EZB ergreife Maßnahmen. Das dauere freilich: „Wir stecken in einem Jahrzehnt der Anpassung“, in der „mehrdimensionalen Problemlage“ sei es notwendig durchzuhalten. „Die Kosten sind extrem hoch. Jeder vierte unter 25 Jahren in der Eurozone ist arbeitslos.“
Jörg Asmussen würdigte die Anstrengungen, die Griechenland, Irland und Portugal seit 2009 unternommen haben. Zwar steckten einige Länder in einer Rezession, aber im Laufe des Jahres verbessere sich die wirtschaftliche Lage. Die Inflationserwartungen lägen bei zwei Prozent in fünf Jahren.
„Stabiles Geld ist unsere primäre Aufgabe“, betonte der EZB-​Banker, und in dieser Hinsicht habe die EZB Erfolg. Die EZB habe ein begrenztes Mandat, „daran sollte man nicht rütteln, wir sind keine Allzweckwaffe.“ Sie sei nicht zuständig für mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und nicht für die Bankensanierung. „Jetzt sind die Regierungen am Zug.“ Solide Haushaltspolitik bleibe in Europa das Ziel, Die Parole von „zu viel Austerität, zu wenig Wachstum“ werde der Situation nicht gerecht: „Sparen verschieben riskiert die Erfolge der letzten zwei Jahre.“ Frankreich habe Wettbewerbsfähigkeit verloren, Strukturreformen seien nötig, „ich bin guter Dinge, dass Frankreich dies schaffen wird.“ Deutschland müsse seinen Reformweg fortsetzen. Die wachsende Einkommensungleichheit sah Asmussen als schlecht fürs Wachstum an: „Die gesellschaftspolitische Akzeptanz notwendiger Reformen nimmt damit ab.“
Kurzfristig nötig sei die Banken-​Union. Nicht nur mit gemeinsamer Aufsicht, sondern mit Rechtsrahmen zur Abwicklung von maroden Banken und Behörde zum Organisieren. Auf lange Sicht müsse die Fiskal– und Wirtschaftsunion entwickelt werden: „Durch das Teilen von Souveränität gewinnt die Politik Gestaltungsraum zurück“, so Asmussens Einschätzung. Ziel sei es, Europa als „Raum von Wohlstand, Sicherheit und Freiheit im 21. Jahrhundert zu erhalten.“

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