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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Stiftung Heiligenbruck arbeitet mit Flüchtlingen zu Gunsten des Ak Asyl in Gmünd

Honig abfüllen ist sicher nicht der spannendste Job, der doch eher symbolische Stundenlohn von einem Euro hat Gmünd schon einmal und bundesweit Kolonialismusvorwürfe eingetragen: Was solche Arbeit aber den Flüchtlingen bedeutet, kann nur erahnen, wer ihnen zuhört.

Mittwoch, 28. August 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

Von Birgit Trinkle

SCHWÄBISCH GMÜND. Sommerhonig wird in Kübeln um-​, auf– und abgefüllt, goldene Ausbeute unendlich vieler Bienen-​Ausflüge in Himbeer-​, Brombeer– und überhaupt in die Waldblüten. Milutin gibt sich solche Mühe, jeden Tropfen aufzufangen, alles richtig zu machen. Er will doch zeigen, unbedingt, dass Verlass ist auf ihn.

Der junge Mann, knapp 17, arbeitet Seite an Seite mit seiner Mutter, die sich zurechtgemacht hat für diese Arbeit, als wäre sie auf ein Fest geladen.

Milutin spricht richtig gut deutsch, natürlich, er ist hier zur Schule gegangen. Seine Familie kam im Jahr 2000 nach Deutschland und nach Gmünd; da war der Bub vier Jahre alt, und irgendwann durfte er die Hardtgrundschule besuchen. Die Mama, Sladjana Stanojevic, war damals schon nicht glücklich, bzw. noch unglücklicher als ihre Mitbewohner. Ihre Erkrankung ist vor allem eine psychische; der Krieg in Jugoslawien hat sie zermürbt. 1999 musste die Familie 15 Tage in einer Art Schutzbunker ausharren. Sie sagt, es gab dort nicht genug Luft, und sie atmet bis heute schwer, wenn sie von diesen Albtraumtagen erzählt. Sie hat ihr Kind verloren da drin. Der Krieg in Serbien war vorbei, als die Familie nach Deutschland kam; Sladjana Stanojevic trägt ihn noch immer in sich. So wie dieses Kind, das nicht leben durfte.

2006 ist die Familie zurück in die alte Heimat. Freiwillig. „Die konnten einfach nicht mehr“, erinnert sich Marcela Bolsinger, Leiterin der Gemeinschaftsunterkunft auf dem Hardt, sie waren so müde ob all der (Härtefall-)Anträge und des ewigen Wartens und Bangens. Im früheren Jugoslawien aber stellte sich noch nicht mal in Ansätzen ein bisschen Glück ein. Eine Krankheit wie die Sladjana Stanojevics heilt nicht einfach so. Nicht ohne Hilfe. Die Ehe zerbrach; bis heute spricht sie nicht darüber, sie weint. In ihrer Seelennot, als sie gar nicht mehr weiterwusste, fiel ihr nur Deutschland ein, doch jeden Cent, den sie übrig hat, gibt sie für ein Telefonat aus – wenn irgendjemand zerrissen ist, dann diese Frau.

Am vergangenen Donnerstag erst kam sie mit ihren beiden Söhnen in Gmünd an. Im Kosovo hat Sohn Milutin die achte Klasse abgeschlossen; ab September wird er die Rauchbeinschule besuchen, und „richtig viel lernen“ – in der Hoffnung auf einen guten Abschluss und eine Ausbildung. Marcela Bolsinger zweifelt nicht an seinem Willen, voranzukommen. Sie hat gute Erinnerungen an die Familie; Sladjana etwa, die nicht nichts tun kann, hat damals die Büroräume geputzt. „Mir war sofort klar, dass sie sich jetzt nicht hier eingraben darf in ihren Kummer“. „Fügung“ nennt sie es, dass sich an eben diesem Tag die Stiftung Heiligenbruck meldete: Man wolle die jährliche Honigernte heuer zugunsten des Arbeitskreis Asyl verkaufen, das war die erste gute Nachricht, und zum zweiten wolle man einige Bewohner für einige Tage beschäftigen – konkret etwas für die Menschen am Rande der Gesellschaft tun, wie’s auch in der Satzung festgehalten ist. Während bundesweit, wie mehrfach berichtet, die Kofferträgeraktion am Bahnhof auf fast hasserfüllte Kritik stieß, wissen all diejenigen, die sich wirklich mit den Asylbewerbern beschäftigen, um deren unmittelbare, konkrete Bedürfnisse jenseits einer Gesetzesänderung. Marcela Bolsinger meint, sie habe bei diesem Angebot Heiligenbrucks sofort an Sladjana und ihre Söhne gedacht. Der erlaubte 1,05-Euro-Job sei in allererster Linie nicht Arbeitsverhältnis, sondern Chance: „Das gibt uns die Möglichkeit, die Leute rauszubringen, in Kontakt zu anderen. Ich bin gottfroh an jedem, der eine solche Beschäftigung findet.“ Die geplante Auflösung der Kaserne samt dezentraler Unterbringung der Flüchtlinge bringt in ihren Augen große Vorteile.

Natürlich hätten die Flüchtlinge viel lieber reguläre Arbeit oder Ausbildung, aber wenn die Alternative bedeutet, zum Nichtstun verdammt zu sein – so ein Tag kann furchtbar lang sein – greifen die meisten mit Handkuss zu. Mama Stanojevic und ihr Junge waren richtiggehend glücklich über diese Möglichkeit. Wie gestern werden sie auch heute mit dem Bus nach Spraitbach fahren, wo Robert Dinser sie abholen und zur Stiftung bringen wird; noch sind ja all die Honiggläser auch mit einem Etikett zu versehen.

Die Stiftung Heiligenbruck wirkt im Stillen und tritt nicht in die Öffentlichkeit. Dass im vergangenen Jahr 380 Gläser Honig der JVA Gotteszell geschenkt wurden – weil dort kein Glas erlaubt ist, wurden eigens Kunststoffgläser organisiert –, ist nie bekannt geworden. Jetzt wird der Einsatz für die Asylbewerber nur zum Thema gemacht, weil es auch um Aufmerksamkeit geht. Ein Beachten der Flüchtlinge und ihrer Sorgen, ihres Widerwillens, in der Kaserne die Zeit totzuschlagen, wie immer wieder beklagt wird.

Der Gesamterlös der Aktion geht an den Arbeitskreis Asyl der BI gegen Fremdenfeindlichkeit, den die Gemeinschaftsunterkunft als „Puffer“ schier unverzichtbar nennt: Weil die Mitglieder Vereinsbeiträge für Flüchtlinge finanzieren, mal eine Fahrkarte oder eben irgendetwas, das gebraucht wird. Vor allem aber weil sie seit vielen Jahren mit den Flüchtlingen vieles organisieren, ihnen bei Härtefallanträgen beistehen oder Behördengänge für sie übernehmen.

Der von Mutter und Sohn abgefüllte Sommer– und Waldhonig wird ab dem kommenden Mittwoch vor der WMF-​Filiale in der Postgasse verkauft, wobei Mitarbeiter und Asylberwerber gleichermaßen das Heiligenbruck-​Shirt tragen werden. OB Arnold kommt zur Verkostung.

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