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Motettenchor in der Augustinuskirche: Höchst eindringlich

Was in nur einer Stunde Aufführungsdauer „gesagt“ werden kann! Bei aller Würdigung der komplexen Zusammenhänge bleiben Anliegen, Text und Musik wie ein Leuchtturm erhaben.

Dienstag, 25. November 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 27 Sekunden Lesedauer


KONZERT (-ry). Einiges ist zu bedenken beim Konzert des Motettenchors am Samstag in der Augustinuskirche: Mozarts Maurerische Trauermusik c-​Moll KV 477 in memoriam zweier Logenbrüder des Komponisten ist (wie bei Joseph Haydn) dem Freundschaftsideal geschuldet, unabhängig von verschieden ideologischer Positionierung oder dem Geheimnis der Freimaurerei. Der Trauer um zwei Verstorbene wird ein großartiges musikalisches Memento geschenkt, in der universalen Sprache der Musik jedermann verständlich. Den Duktus treffen vor allem die dunklen Bläser (Klarinetten, Bassetthörner und Kontrafagott).
Und dann folgt des Meisters „Requiem“ d-​Moll KV 626 in der Ergänzung des Mozartschülers Franz Xaver Süßmayr. Das Programmheft thematisiert grundlegend die Problematik der Ergänzung für die fehlenden Teile. Und die Diskussion ebbt noch nicht ab. Für die Interpretation ist das hörbar völlig zweitrangig – das ist das erste, nicht überbietbare, Verdienst von KMD Sonntraud Engels-​Benz mit ihrem Motettenchor, den Solisten und dem Orchester (zumeist Mitglieder des SWR-​Sinfonieorchesters Stuttgart).
Die saubere Deklamation
ist kein Selbstzweck
Dass die vorkonziliare katholische Totenmesse in der evangelischen Augustinuskirche aufgeführt wird, ist zudem eine Form der Wiedergutmachung: Dass das „Dies iræ“ der Liturgiereform zum Opfer fiel, hat Kahlschlagcharakter. Die letzten Dinge werden nur dann authentisch verstehbar, wenn neben Gnade und Barmherzigkeit auch die Gerechtigkeit Gottes angemessen in den Blick genommen wird. Hier liegt das zweite Verdienst der grandiosen Aufführung: Ohne falsches Pathos, aber mit der unerlässlichen Eindringlichkeit in stringenten, aber nie überhetzten Tempi gehen Text und Musik unter die Haut. Wer sich davon nicht berühren, geradezu gefangen nehmen ließe, müsste ein Herz aus Stein haben. Und nur das Zusammen von Dies iræ und Sanctus/​Benedictus erschließt das Ganze christlicher Hoffnung nach Offenbarung 21,4.
Wer das Schaffen der Kirchenmusikdirektorin in ihrer kompromisslosen Interpretation in Einheit mit ihrer freundlichen Ausdrucksansteckung kennt, den wundert es nicht, dass Engels-​Benz alles auswendig dirigiert. So kann sie alle Nuancen ihrer Intentionen zwingend direkt vorzeichnen. Sie bleibt die beste Dirigentin, die der Rezensent seit Jahrzehnten kennt. Jeder demonstrativen Show abhold, erweckt sie die Partitur zu blühendem Leben. Dem Text wird die nötige Priorität eingeräumt, an ihm misst sich der musikalische Ausdruck. Deshalb ist die saubere Deklamation kein Selbstzweck, bilden Portato und Legato keinen Widerspruch, sondern essenziell notwendige Ergänzung.
Der Motettenchor ist bestens disponiert, wird seiner Aufgabe in allen Belangen mehr als gerecht. Ein berückendes Piano steht selbstredend neben einen strahlenden Forte. Die Balance zum dezidierten Orchester bleibt stets gewahrt. Natürlich wird man gewahr, dass vor allem in den Männerstimmen der Nachwuchs rar ist. Schon bei der Trauermusik zeigte sich das Orchester von seiner besten Seite.
Beim „Requiem“ vernahm man dieselbe Sensibilität, einen Glanz sondergleichen. Und wenn beim Schlusston ein Paukenwirbel stand, der in der vorausgegangenen Parallelstelle fehlte, so zeigt dies stellvertretend die Eindringlichkeit des memento mori nach Psalm 90,12.
Selten durfte man ein so homogenes wie charakteristisches Soloquartett erleben: Lydia Zborschil als wunderbar lyrischer Sopran mit konsequenter Expansionskraft eines strömenden Fortes; Carmen Mammoser in gewohnter Güte ihres sonoren Alts und Gotthold Schwarz, der universale Basssolist, erst kürzlich als kommissarischer Thomaskantor bei der EKM. Andreas Weller musste leider kurzfristig absagen. Noch in der Generalprobe mitsingend, hatte sich ihm ein Infekt auf die Stimmlippen gelegt.
Mit Rüdiger Linn vom SWR-​Vokalensemble Stuttgart sprang ein souveräner Könner ein.
Nähme man nur den tröstlichen Cantus firmus „Te decet hymnus in Sion/​Lux æterna luceat eis, Domine!“ des Sopransolos mit – bereits in der Maurerischen Trauermusik anklingend –, es wirkte ein Hoffnungskosmos, der bei aller Trauer des stillen November Zukunft verheißt – das letzte große Verdienst einer er

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