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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Brand im Hochhaus in der Bettringer Oderstraße: 79-​Jähriger stirbt im Treppenhaus. Nachbarn erzählen von Heldenmut

4.20 Uhr am frühen Montag. In einer Wohnung in der Oberbettringer Oderstraße beginnt es zu brennen. Sehr schnell steht alles in Flammen. Und dann beginnt eine dramatische Rettungsaktion. Ein Mann stirbt.

Montag, 22. Dezember 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

Von Birgit Trinkle
SCHWÄBISCH GMÜND. Waldemar Engel aus dem zweiten Stock hört es noch immer: Überall im brennenden Haus, sagt er, haben Bewohner auf ihre Heizungen geschlagen, dass es durch alle Wohnungen dröhnte und hallte: Wacht auf, wacht auf. Und: Helft uns. Im ersten Stock – Hochparterre – war Feuer ausgebrochen; es brannte lichterloh. Das Treppenhaus wurde in kürzester Zeit zum Schornstein; dichter, todbringender Rauch stieg nach oben. Bereits bei den ersten Notrufen wurde klar, dass es Menschen gab in diesem Haus, die vom Rauch im Treppenhaus eingeschlossen waren: Großalarm im Gmünder Raum.
Anatoli Schramm, 54, aus dem achten Stock, riskierte nur einen kurzen Blick aus der Wohnung, warf die Tür wieder zu und begann sofort, damit, sie abzukleben. „Es wäre Wahnsinn gewesen, rauszugehen. Ich wusste, dass wir dort gestorben wären.“ Und dann begann das Warten. Die Einsatzkräfte, die zuerst kamen, sahen verzweifelt rufende und winkende Bewohner an Fenstern und Balkonen: „Hilfe.“ Waldemar Engel und seine Frau wurden „mit Gasmasken“ rausgebracht, wie er erzählt – die Feuerwehr spricht von einer Rettungsglocke.
Schramm und seine Frau sowie andere Bewohner der oberen Stockwerke wurden über die Drehleiter gerettet. Niemand weiß bislang, warum der 79-​jährige Syrer aus dem dritten Stock ins verrauchte Treppenhaus ging. Seine bettlägrige, auf den Rollstuhl angewiesene Frau blieb in der Wohnung zurück – unverletzt –, ihn fand die Feuerwehr leblos liegend auf der Treppe; der Notarzt konnte nur noch seinen Tod feststellen. Mitbewohner vermuten, der Mann wollte in Panik Helfer suchen, um seine Frau in Sicherheit bringen zu können. Helfer wie jenen „Helden“, der am Montag ausnahmslos von allen Oderstraßen-​Bewohnern bewundert wurde, mit denen die RZ sprach. Jenem beherzten Mann aus dem Nachbarhaus, der sich, so wird erzählt, in den Qualm stürzte und zwei körperlich beeinträchtigte Menschen aus dem ersten Stock in Sicherheit brachte — und der seinen Mut mit einer Rauchvergiftung bezahlte. Er liege noch immer in der Stauferklinik, sagen die Nachbarn. Die Polizei konnte diese Geschichte gestern nicht bestätigen.
Insgesamt wurden sieben Personen teils schwerverletzt geborgen und in Krankenhäuser eingeliefert. Weitere rund 30 Personen wurden aus betroffenen Wohnungen gerettet beziehungsweise konnten sich selbst in Sicherheit bringen. Auch hier Angst, allgemeine Verwirrung – ein Ehepaar, das evakuiert wurde, trug die Katze unterm Arm, andere hatten das Allernötigste zusammengepackt. Sie wurden von Angehörigen der Schnellen Eingreifgruppe des DRK und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Schwäbisch Gmünd in der nahegelegenen Kreisberufsschule betreut. Bereits kurz vor 5.30 Uhr hatten die Feuerwehren den Brand endgültig gelöscht.
Waldemar Engel konnte einen Blick in seine Wohnung werfen und hofft, dass Fotos etc. in den Schränken geschützt waren. Für seine angekokelte Zimmerpalme – von unten deutlich sichtbar – sieht er schwarz, aber das ist nun wirklich das kleinste Problem. Seiner Familie geht’s gut; die Söhne sind längst aus dem Haus: „Gott sei Dank.“ Er kommt bei Verwandten unter, doch kurz vor Weihnachten ist es hart, obdachlos zu sein.
Die Gesamtwehr der Stadt Schwäbisch Gmünd einschließlich aller Stadtteilwehren war mit über 120 Einsatzkräften vor Ort. 60 Helfer des Rettungsdienstes kamen. Vom Polizeipräsidium waren 16 Beamte vor Ort, einschließlich der Beamten des Kriminaldauerdienstes. Mittlerweile übernahmen Beamte des Kriminalkommissariats und der Zentralen Kriminaltechnik die Ermittlungen; auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Ellwangen werden Brandsachverständige des Landeskriminalamts einbezogen. Bisherigen Ermittlungen zufolge dürfte der Brand in der betroffenen Wohnung ohne Einwirkung von außen ausgebrochen sein. Nicht bestätigt werden kann bislang, dass der Brand durch eine Kerze verursacht wurde. Nach ersten vorsichtigen Schätzungen gehen die Ermittler von Sachschaden im sechsstelligen Bereich aus. Zunächst galten vier Wohnungen als nicht bewohnbar; eine wird aber heute gereinigt und kann noch zu Weihnachten wieder bezogen werden. Das Ehepaar aus der Wohnung, in der das Feuer ausgebrochen ist – in der die Haustiere umkamen –, ist noch im Krankenhaus; die beiden anderen Familien kommen privat unter. Ordnungsamt und Sozialamt, namentlich Gerd Hägele und Hans-​Peter Reuter, waren ebenfalls den ganzen Tag im Einsatz, unter anderem informierten sie die Bewohner am Nachmittag über die Soforthilfe. In erster Linie gilt der Witwe Anteilnahme und Unterstützung.

Dank an die Einsatzkräfte
„Früher starben die Menschen“ – ein Satz, der mehrfach zu hören war, unter anderem von OB Arnold und dem Ersten Bürgermeister Dr. Joachim Bläse, der in erster Linie als DRK-​Präsident am Brandort war. Alle Einsatzkräfte sprachen von guter, reibungsloser Zusammenarbeit – sicherlich sei dies auch den Blaulichttreffen zu verdanken; vertraute Gesichter zu sehen, bringe Ruhe ins unvermeidliche Chaos am Beginn eines großen Einsatzes. Erneut zeigte sich am Montag , was Brandschutzmauern zu leisten vermögen – dass das Feuer nicht auf die benachbarten Hochhausteile übergriff, war auch der Wasserwand (Riegelstellung) zu verdanken, mit der die Feuerwehr arbeitete.
Dank galt auch der SEG, der Schnellen Einsatzgruppe – bis aus Augsburg waren Einsatzkräfte gekommen, weil sich das Ausmaß des Einsatzes zunächst nicht absehen ließ und vorsichtshalber in großem Maßstab alarmiert worden war –, generell all den Haupt– und den Ehrenamtlichen, die für die medizinische Versorgung und die möglichst optimale Betreuung der Evakuierten sorgten. Die Übungen am und für den Tunnel seien sehr hilfreich gewesen, war zu hören – man sei es nun gewohnt, große Stäbe zusammenzubringen und wisse etwa, wie wichtig es sei, dass alle Einsatzleitwagen in der Nähe seien.

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