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Altern, ohne alt zu werden: Rainer Langhans

Vom Kommunarden zum Asketen, vom Internatsschüler zum Revoluzzer, es sind viele Stationen, die Rainer Langhans in sieben Jahrzehnten durchlaufen hat. Wie er alterte ohne alt zu werden, berichtete er Wolfgang Heim am vergangenen Mittwoch.

Freitag, 14. Februar 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
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GESELLSCHAFT (wil). Füllte er früher Schlagzeilen, so füllt er heute noch immer Säle, wie in dieser Woche das Gschwender Bilderhaus – Rainer Langhans hat Ausstrahlung und Anziehungskraft. Und er versteht sich darzustellen, so bekam sein Gesprächspartner Wolfgang Heim vom SWR auf die ersten drei Fragen jeweils nur ein gehauchtes „Ja“ zur Antwort. Langhans gab den Weltfernen im gebügelten Leinenanzüglein mit wallender Mähne und eingemeißeltem Lächeln. Doch dann kamen beide zur Sache. 68 war für ihn vor allem die Veränderung im Kulturellen, im privaten Bereich, bei den Beziehungen. Von Rudi Dutschke grenzt sich Langhans ab, der wollte das System verändern. Langhans und seine Kommunarden wollten die Menschen verändern. Ihm sei es um Verzicht auf die materiellen Dinge gegangen. Seine (heute) asketische Lebensweise führte ihn zur inneren Freiheit. Obwohl viele seiner damaligen Mitbewohner zur Roten Armee Fraktion gingen und dadurch selbst zu Mördern wurden, wie Wolfgang Heim immer wieder betonte, kam dies für Langhans nie in Frage. Er verstieß gegen alle Normen, praktizierte die freie Liebe, rauchte alles, was brannte und qualmte, probierte den Protest gegen bestehende Normen auf jeder Ebene bis zur persönlichen Schmerzgrenze. Und so erzählte der 73-​Jährige aus seiner Jugend in der Nachkriegs– und Adenauerzeit, vom das stets gestörten Verhältnis zum konservativen Vater, sprach über seine streng-​religiöse Internatserziehung und die daraus resultierende „Flucht“ in die Bundeswehr.
Das anschließende Studium nutzt er zur Selbstfindung, ein Prozess, der offenbar bis heute nicht abgeschlossen ist. Er bedauert die heutigen Kinder, die sich nirgends mehr von ihren so verständnisvollen Eltern abgrenzen können. Selbst in de Kommune habe er erlebt, wie die Kinder sich gegen dieses „Freisein“ wehrten. Und dann durften die Anekdoten aus jener Zeit nicht fehlen, vom Baby wickelnden Rudi Dutschke, von Uschi Obermaier, mit der er sich erst 2008 bei einer Dokumentation über die 68er-​Zeit überworfen habe und die Selbsterfahrung in einer dreimonatigen Kuschelklausur. Und es war doch kein alter VW-​Bus, in dem er Uschi zu den Stones ins Hotel gefahren hat, sondern ein großer BMW.
Heute lässt Rainer Langhans sein erweitertes Bewusstsein von nichts trüben, lebt spartanisch mit vier Frauen in einer spirituellen Gemeinschaft, nicht in einer WG, wie er betont und glaubt, dass er die 1968 gesteckten Ziele erreicht hat. Das Internet ist für ihn die Fortentwicklung dieser Ziele: Wissen und Informationen werden geteilt, sind allen verfügbar und Dank facebook gibt es keine Privatsphäre mehr. Jeder kann jederzeit am Leben des anderen teilhaben.
So passte auch sein Aufenthalt im australischen Dschungel, der ihm übrigens 50 000 Euro einbrachte, in sein Weltbild: alles sollte öffentlich sein, private Geheimnisse und Zweierbeziehungen gab es nicht, alles gehörte allen und er wollte noch einmal beobachten, wie Menschen hier zu einer Gruppe werden, sich eine Kommune bildet.
Es fehlte nur noch die Tonne für den Philosophen.

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