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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Wilder Müll, eine Kamera und viel Ärger: Polizei nimmt vier Personen in der Flüchtlingsunterkunft vorläufig fest /​Szenen auf dem Revier und dann erneut in der GU

Unverständnis innerhalb und außerhalb der Kaserne: Bei der Demonstration einiger Flüchtlinge ging es am Montag wohl nur vordergründig um eine Kameraüberwachung der Müllcontainer in der Gemeinschaftsunterkunft der Flüchltinge auf dem Hardt. Vier der Flüchtlinge wurden vorübergehend festgenommen.

Montag, 03. März 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Sie sagen es sei die Kamera. Sie fühlen sich überwacht, gegängelt, in ihren Menschenrechten beschnitten: Böse Erinnerung an eine Zeit, die sie hinter sich gelassen glaubten. Ihre Forderung: Sofortiger Abbau der Kamera. Einziger Grund für die Installation dieser Kamera ist freilich ein ganz anderer – sagen die Vertreter des Ostalbkreises: Dass nämlich die frei zugänglichen Müllcontainer an der Kaserne immer wieder von Unbefugten genutzt würden, die nachts mit dem Pkw kämen und sich auf dem längst ungesicherten Gelände ihres Hausmülls entledigten. Die Flüchtlinge seien darüber informiert worden.
Charles Enoruwa war und ist der streitbare Sprecher einer Gruppe von Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge auf dem Hardt, die gestern für einen Polizeieinsatz sorgte. Die Demonstration verlagerte sich von der GU nach Gmünd, und auch danach ging’s weiter. Drei „Festgesetzte“ weigerten sich, das Polizeirevier wieder zu verlassen; das Ganze war ziemlich chaotisch. Schilder und Plakate, die die Demonstranten trugen, sind zum Teil hoffnungslos veraltet. „Keine Residenzpflicht“ war da zu lesen. Die gibt es längst nicht mehr.
Isni aus dem Kosovo ist einer der Bewohner der GU, die gestern erklärten, sie hätten auch nicht die leiseste Ahnung, worum es gehe. Und auch unter den afrikanischen Bewohnern gibt es viele, die ganz anderer Ansicht sind als die Demonstranten. Ausgerechnet gestern war dann auch noch „Zeit online“ vor Ort, um über die seit geraumer Zeit weit über die Region hinaus Beachtung findende Flüchtlingspolitik im Ostalbkreis und in Gmünd zu berichten: Über die Vorreiterrolle, als 2012 Sach– von Geldleistungen abgelöst wurden, über die Sprachkurse, die nicht mehr nur bei Ehrenamtlichen, sondern bei den Bildungsträgern der Stadt angeboten werden, über die mittlerweile 14 statt zwei Standorte, die Dezentralität schaffen sollen, über all die Initiativen und Programme, die Flüchtlinge zu einem Teil der Stadt machen, ihnen zu Ausbildung und Arbeit verhelfen sollen.
Medieninteresse ist immer eine gute Gelegenheit, auf Lebensbedingungen, Sorgen und Perspektiven von Flüchtlingen in Deutschland aufmerksam zu machen. Die Kehrseite der Medaille war bereits gestern nicht zu überhören: Blankes Unverständnis, offene Kritik an den Demonstranten, als bekannt wurde, worum es ging. Ein „Bärendienst“ werde der Gmünder Flüchtlingsarbeit geleistet.
Die Kamera und
der leidige Müll
Josef Rettenmaier, Sozialdezernent des Ostalbkreises, Hans-​Michael Betz (Geschäftsbereich Integration und Versorgung) und Katja Rettenmeier, Leiterin der GU, erklärten der RZ gestern, dass bei den Müllcontainern auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft „über eine längere Zeit beobachtet wurde, dass Müll in größerer Menge illegal, das heißt von außerhalb der Unterkunft, abgelagert wurde“. Um der Situation Herr zu werden und abzuschrecken wurde eine Kamera installiert, die auf die Container gerichtet war und über einen Bewegungsmelder funktionierte. Auf die Kamera und damit verbundene mögliche Filmaufnahmen wurde durch Hinweisschilder aufmerksam gemacht. Diese Kamera erfasst – wie wohl auch den Demonstranten um Enoruwa gezeigt wurde –, lediglich den Containerbereich. Nach wie vor ist es problemlos möglich, das Gelände ungesehen, bzw. ohne die Bewegungsmelder auszulösen zu betreten oder zu verlassen. Dennoch kam es zu den Protesten.
Proteste, Hausverbot
und kein Ende
Die Polizei nimmt ebenfalls Stellung zu den Vorfällen. Das Polizeirevier Schwäbisch Gmünd wurde gestern um die Mittagszeit alarmiert, „weil es in einem Büro der Unterkunftsverwaltung zu einer Art Sitzstreik“ gekommen sei: Die Polizei stellte „vor Ort tatsächlich insgesamt neun Personen fest, die ein Büro nicht mehr verlassen wollten“. Im Gespräch wurde erreicht, dass sich die Demonstranten ohne jede Gegenwehr entfernten. Die Unterkunftsverwaltung sprach daraufhin ein Hausverbot aus. Die Polizei geht nach Prüfung der Sachlage davon aus, dass es bis dahin noch nicht zu einer Straftat gekommen war.
Eine knappe halbe Stunde später wurde die Polizei wiederum telefonisch alarmiert, weil einem Beschäftigten der Zugang zum Verwaltungsgebäude verwehrt wurde. Die erneut eintreffende Polizei stellte zwei Personen fest, die wohl aktiv den Zugang zum Haus verweigerten. Sofort während des dieses Mal sichtbaren Einschreitens der Polizei sammelte sich eine gut zehnköpfige Bewohnergruppe um die Szene. „Um eine mögliche Solidarisierung dieser Gruppe mit den Personen, gegen die sich die polizeilichen Maßnahmen richteten, zu verhindern“, wurden Polizeikräfte der Schutz– und Kriminalpolizei angefordert. Bis auf zwei Männer blieb die Bewohnergruppe freilich in einer passiven Zuschauerrolle. Die Polizei nahm die beiden Blockierer vorläufig fest, sowie zwei Männer aus der Gruppe, die die einschreitenden Polizeibeamten beleidigten und andere aus der Gruppe zu einer Teilnahme provozieren suchten. Die vier wurden zur Dienststelle gebracht. Nach der Feststellung der Personalien wurde die Festnahme aufgehoben und die Personen entlassen. Die Polizei ermittelt nun wegen des Verdachts der Nötigung und der Beleidigung. Die Vertreter des Ostalbkreises waren sofort nach Bekanntwerden der Vorfälle und der damit verbundenen Forderungen vor Ort, um ein persönliches Gespräch mit den Flüchtlingen aufzunehmen. Dieses Angebot wurde von der Gruppe nicht angenommen, gleichzeitig weigerten sich drei der vier, die Dienststelle zu verlassen.
In der Zwischenzeit zog eine etwa 20 Personen starke Gruppe mit Transparenten vor dem Polizeirevier auf. Zu Störungen kam es dadurch nicht. Nach einem eindringlichen Appell durch die Demonstranten selbst an die Drei im Polizeigebäude zogen alle zusammen von dannen und gingen zu Fuß zu ihrer Unterkunft. Als die Gruppe die alte Kaserne erreicht hatte, trafen sie dort erneut auf Mitarbeiter der Unterkunftsverwaltung und des Landratsamtes: Nachdem ein Gespräch wohl nicht befriedigend verlief, wurden deren Autos an der Ausfahrt aus dem Gelände gehindert. Eine Gruppe Flüchtlinge blockierte die Fahrbahn auf Höhe des früheren Tores; ein Ausweichen oder Umfahren dieser Engstelle war den Autofahrern nicht möglich. Wieder wurde die Polizei alarmiert. Auf deren Aufforderung, die Fahrbahn zu räumen und den Weg frei zu machen, reagierte die Gruppe nicht. Erst als die Polizei wiederum Verstärkung anforderte und mehrfach die Räumung auch unter Anwendung von unmittelbarem Zwang androhte, wurde die Fahrbahn frei gemacht. Gegen die Hauptblockierergruppe, deren Personalien der Polizei bekannt sind, gibt es nun Anzeigen wegen des Verdachts der Nötigung.

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