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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Versuchtes Tötungsdelikt an Polizistin: Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wehrt sich gegen rechtsextreme Pauschalisierung

Hohe Wellen schlägt weiterhin die Auseinandersetzung zwischen einer Sinti-​Großfamilie und der Polizei, die sich am Sonntag nach einem Hilferuf von Angehörigen der Hochschule für Gestaltung im Technikpark Gmünd-​West („Krähe“) abspielte.

Dienstag, 13. Mai 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 9 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (hs). Wie berichtet, gab es zunächst die Bitte der Stadtverwaltung, dass die Wohnwagenkolonne den Schießtalplatz verlassen möge, weil dort der Maimarkt aufgebaut werde. Sodann fuhren die etwa 50 Sinti unberechtigt eine Wiese am Gmündtech in der Krähe an, wo Studenten eine genehmigte Veranstaltung aufbauen wollten. Die Situation eskalierte.
Es kam zu einem Großeinsatz der Polizei. Bei der Weiterfahrt zum Wanderparkplatz am Limes-​Informationszentrum im Rotenbachtal, den Ordnungsamtsleiter Gerd Hägele als Bleibe zugewiesen hatte, fuhr der 45-​jährige Fahrer eines Wohnwagengespanns eine Polizistin an und verletzte sie.
Ermittelt wird nun gegen den 45-​Jährigen wegen eines versuchten Tötungsdeliktes gegen weitere Personen wegen Beleidigung. Er sitzt in Haft. Die Landfahrer blieben nur eine Nacht in Gmünd und hinterließen am Montagabend nun den Limes-​Wanderparkplatz in einem üblen Zustand: Säckeweise Abfall und Wertstoffe (jede Menge leere Getränkedosen) wurden zurückgelassen. Die Fläche und angrenzende Böschungen war zudem durch Unrat verschmutzt, der vorher dort noch nicht abgelagert war. Auf diesen „Abschiedsgruß“ eingehend, erklärte gestern der Gmünder Ordnungsamtsleiter, dass er diese Vorgänge nicht verstehe. Mit dieser Familie, die schon mehrmals in Gmünd zu Gast gewesen sei, habe es bislang noch keine Probleme gegeben. Für die Beseitigung der Abfälle durch das Baubetriebsamt der Stadt sei von dieser Landfahrer-​Großfamilie seither auch immer ganz selbstverständlich eine Kaution von 200 Euro hinterlegt worden. Diesmal jedoch laut Hägele nicht. Gestern Morgen wurde die wilde Müllkippe gleich aufgeräumt. Andererseits schade, weil Büchsen– und Flaschensammler angesichts dieses „Reichtums“ tagsüber noch ihre helle Freude gehabt hätten.
Das Verhalten der Sinti-​Familie hat sehr viele emotionsgeladene Kommentare in Internetforen, seit zwei Tagen leider auch zunehmend in rechtsradikalen Netzwerken ausgelöst. Vieles ist nicht zitierfähig, weil auch verfassungswidrig und menschenverachtend. Auf Nachfrage der Rems-​Zeitung hat gestern auch der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg reagiert. Pressesprecher und Justitiar Arnold Roßberg bat dringend um Beachtung des gesellschaftlichen Grundprinzips, wonach das Verhalten einzelner Personen nicht für das Bild einer ganzen Bevölkerungsgruppe stehen dürfe, sondern jeder einzelner Mensch für sich selbst verantwortlich sei.
Folgende Erklärung übermittelte Arnold Roßberg am Abend: „Wir kennen weder den Vorfall noch die beteiligten Personen und können auch nicht beurteilen, wie es zu den in Ihrem Artikel geschilderten Vorfällen mit der Verletzung der Polizistin und der Gefährdung weiterer Beamten gekommen ist. Die Angelegenheit ist sehr unschön und sollte auch nicht bagatellisiert werden.
Der Vorfall darf dennoch — wie es bereits auf rechtsextremistischen Internet-​Seiten massiv geschieht — nicht dazu benutzt werden, in rassistischer Weise über die gesamte Minderheit herzuziehen. Auch im Hinblick auf die Täter dieses Falles gilt: In unserem Rechtsstaat hat nur jeder einzelne sein Fehlverhalten zu verantworten, nicht seine Familie, seine Abstammung, Religionszugehörigkeit oder sonstige Gruppe, der er angehört. Dieser Verfassungsgrundsatz ist auch gegenüber den Sinti und Roma zu beachten und verbietet Verallgemeinerungen und Stigmatisierungen gegenüber der Minderheit. Sinti und Roma in Deutschland leben in den unterschiedlichsten Lebens– und beruflichen Situationen quer durch alle gesellschaftlichen Schichten.
Sie haben ein Recht darauf, vor rassistischen Pauschalverdächtigungen und –zuschreibungen geschützt und wie jeder andere Bürger rechtsstaatlich behandelt zu werden.“

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