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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Der 40000 Jahre alte Löwenmensch zu Gast in Gmünd

Er ist eines der frühesten figürlichen Darstellungen der Menschheit: Der Löwenmensch aus dem Lonetal. Die Skulptur war am Donnerstag fünf Stunden im FEM. Dort wurde sie im Computertomograph durchleuchtet.

Donnerstag, 24. Juli 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 33 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (rw). Das Forschungsinstitut in der Katharinenstraße verfügt seit vier Jahren über einen sehr starken, hochauflösenden Röntgen-​CT. Mit ihm werden nicht nur hochdichte Legierungen untersucht, das FEM kooperiert auch mit dem Landesamt für Denkmalpflege und stellt den CT für archäologische Untersuchungen bereit. Gestern für den Löwenmenschen, Eigentum des Ulmer Museums, der nach seiner Neuzusammensetzung und nach dem Ende der Sonderausstellung noch einmal untersucht wurde. Die Absicht war hier die Herstellung eines hochpräzisen Datensatzes, der den Zustand nach der erneuten Restaurierung dokumentiert. Außerdem dient er als Grundlage für die Herstellung von Repliken.
Der Löwenmensch, 1939 in der Höhle am Hohle Stein im Lonetal gefunden, ist eine Statuette aus Mammutelfenbein. Sie ist mit 31 Zentimetern die größte Skulptur der Eiszeitkunst, die erste eines Mischwesens überhaupt und nicht allein wegen ihres Alters von fast 40 000 Jahren Ehrfurcht gebietend: Sie ist ein Kunstwerk mit vielen ungelösten, unlösbaren Rätseln, offensichtlich mit einem kultischen Hintergrund, im Original viel ausgeformter und differenzierter, auch in den Fehlstellen ungleich komplexer, als es die bislang zwölf bestehenden Repliken zeigen konnten. Sie sind Kunstharz-​Abgüsse der Restaurierung von 1988 und vergleichsweise krud. Vor allem die Unterschneidungen ließen sich nicht herstellen. Sie gaben die Umrisse des Löwenmenschen zwar wieder, blieben aber klotzig. Immerhin stehen sie in Museen in New York und in Tokio. Die neuen Abgüsse – sicher nur wenige und wieder nur für große Museen, die evolutionsgeschichtliche Ausstellungen zeigen, versichert der Ulmer Archäologie-​Kurator Kurt Wehrberger – werden mit 3D-​Druckern aufgebaut und, nicht zuletzt dank des Datensatzes aus dem Gmünder FEM, viel besser sein.
Die Durchleuchtungs-​Daten helfen Wissenschaftlern auch, weiteren Aufschluss über die innere Struktur des Mammutstoßzahns zu erhalten, über das Vorgehen des Künstlers bei der Herstellung der Figur und über die Zerfallsprozesse im Höhlensediment.
Vor ein paar Jahren erregte es Aufsehen: In einer Neugrabung fand man weitere Teile. 800 hat man insgesamt, 500 verwendete die Restauratorin Nicole Ebinger-​Rist vom Landesamt für Denkmalpflege, die den Löwenmensch in einjähriger Restaurierungsarbeit 2012/​13 neu zusammensetzte und vor allem ergänzte. 300 Bruchstücke, manche nur mit der Pinzette zu fassen, ließen sich nicht zuordnen. Sie stammen aus dem Inneren der Skulptur und zeigen keine Merkmale, die sich in den Zusammenhang bringen ließen. Am Hohle Stein wird man nichts mehr finden, dort war man dieses Mal, anders als 1939, gründlich. Aber es ist nicht einmal auszuschließen, dass in irgendeiner Schachtel noch weitere Grabungsfunde liegen, und wenn man diese hätte, könnte man mit den 300 Fragmenten wohl auch noch etwas anfangen.
Mit den neuen Funden ergänzt wurde die Schnauzenpartie, der Rücken wurde geschlossen – jetzt sind Schulterblätter erkennbar – und der rechte Arm komplettiert. „In der Gesamtproportion ist er jetzt vollständig“, sagt die Restauratorin. Ihre erste Begegnung mit dem Löwenmenschen hatte Nicole Ebinger-​Rist vor sieben Jahren, für sie wurde mit der Restaurierung „ein Megatraum“ wahr.
Im Forschungsinstitut schaut sie auf die Figur und sagt: „Als Restauratorin bin ich auch nur ein Teil der Geschichte des Löwenmenschen. Es immer wieder etwas besonderes, ihm zu begegnen. Auch für die FEM-​Kollegen ist es etwas ganz anderes.“ FEM-​Direktor Andreas Zielonka sieht es ähnlich: „Es ist extrem emotional. Wir haben 2000 Jahre Zeitschreibung, das hier sind ganz andere Dimensionen.“ Und natürlich kommt hinzu, dass hier ein Dokument für den Schritt der Menschen in eine geistige Welt vor einem liegt, dass Zeichen auf der Figur sind, die etwas bedeuten, die wir Heutige aber nicht entziffern können. In dieser Hinsicht hilft der CT nicht weiter. Praktisch aber, dass seine Daten helfen, eine maßgefertigte Verpackung für den Löwenmenschen herzustellen. Dann braucht die Restauratorin den Schaumstoff nicht mehr mit Zahnstochern zu fixieren.

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