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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Die Bewerbung fürs Leader-​Programm läuft: Stauferland als verbindendes Moment, Hornberg als wichtiges Thema

Verbunden mit „politischen Anstrengungen“, sprich nach Kräften guter Überzeugungsarbeit, wird am 18. September ein vielversprechendes Konzept ins Rennen ums EU-​Geld geschickt. Mit 14 Städten und Gemeinden bewirbt sich das Stauferland um die Aufnahme ins Leader-​Programm und damit um die Finanzierung einer ganzen Reihe von Projekten, die auch den Gmünder Raum stärken sollen. Dass die Bewerbung des Stauferlands zugelassen wurde, heißt nicht, dass es funktionieren wird: Größtes Hindernis auf dem Weg zur Leader-​Förderung: Die beschriebene Region ist nicht als „Ländlicher Raum“ definiert, auch wenn es hier dieselben Herausforderungen und Sorgen gibt.

Donnerstag, 28. August 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). „LEADER“ kürzt die französische Bezeichnung eines EU-​Förderprogramms ab, mit dem der „Ländliche Raum“ sozial, kulturell und wirtschaftlich gestärkt werden soll. Unterstützung durch das Land wird vor allem benötigt, weil das Stauferland nach der Definition nicht „Ländlicher Raum“ ist, sondern „Randzone zum Verdichtungsraum“. Bürgermeister Dr. Joachim Bläse hat am Montag im Gespräch mit Minister Bonde noch einmal darauf hingewiesen, dass „mit dem Verdichtungsraum Stuttgart, aber auch mit den Städten Gmünd und Göppingen im Hintergrund“ etwa im Bereich der Mobilität Modell– und Pilotprojekte initiiert werden könnten, die sich vom Stauferland auf die wirklich abgelegenen Bereiche Baden-​Württembergs übertragen ließen. Damit wäre die Region auf dem Weg hin zu Versuchsfeld und Ideenschmiede in Sachen Gemeinwesen der Zukunft.
Für Bläse entscheidendes Argument freilich ist, dass eine „Randzone“ vor genau den selben Herausforderungen stehe: „Degenfeld ist nicht Randzone. Wenn ein Ort mit 459 Einwohnern nicht Ländlicher Raum ist, was dann?“ Ortsvorsteher Hans-​Peter Wanasek berichte von Bürgerinnen und Bürgern, die wochen-​, ja monatelang keinen Kontakt nach „außen“ hätten, um anderes aufzunehmen und ihren Horizont zu erweitern. Hier Konzepte zu finden, gehe über die Themen Mobilität und Infrastruktur hinaus: „Da geht es um Lebensqualität, darum, teilzuhaben an dem was passiert.“ Auch auf Weiler blickte Bläse gestern, auf das Bemühen der Ortsteile um Infrastruktur, z.B. um Kindertagesstätten: „Es kann nicht sein, dass Alleinerziehende nur in der Stadt leben können.“ Gesellschaftsformen änderten sich überall, auch abseits der Städte, und darauf müsse man reagieren, um in der Zukunft bestehen zu können. In diesem Bemühen könnten bestehende, gewachsene Stärken wie die noch intakten Nachbarschaften gezielt genutzt werden.
In drei Wochen wird die
Bewerbung eingereicht
Derzeit bewerben sich mehrere Regionen um Fördermittel für die Periode 2014 bis 2020. Bis September müssen die ausgearbeiteten Entwicklungskonzepte eingereicht werden; erst dann entscheidet sich, ob das Stauferland ausgewählt wird. Michael Schlichenmaier von der Gmünder Wirtschaftsförderung und die beiden Landkreisverwaltungen koordinieren die vorbereitenden Arbeiten. Am 10. September trifft sich die Steuerungsgruppe, um sich ein letztes Mal abzustimmen – darin vertreten sind die beteiligten Kommunen, Betreiber, Gastronomie, Betriebe, soziale Einrichtungen und Jugendeinrichtungen. Bei einer Abschlussveranstaltung am 17. September in der Kaiserberghalle Wißgoldingen wird das Bewerbungskonzept in einer öffentlichen Regionalkonferenz vorgestellt und in seiner endgültigen Fassung dann verabschiedet.
In früheren Jahren, so Bläse, reichte ein Tourismuskonzept im Ländlichen Raum zur Aufnahme ins Leader-​Programm. Das hat sich verändert. Mit dem Stauferland müsse ein Konzept präsentiert werden, das weit über den Tourismus hinausgehe. Gemeinsame Geschichte, gemeinsame Kultur, ähnliche Probleme ermöglichten das Erarbeiten einer „Kulisse“ Stauferland – so wird das Förderkonzept genannt. Bläse: Wir müssen nicht künstlich etwas zusammenführen; die Vernetzung ist da. Entstanden ist die Idee einer Leader-​Region Stauferland aus der gleichnamigen Fremdenverkehrsgemeinschaft. Als die Staufer – nicht zuletzt durchs Stauferjahr und das Gmünder Stadtjubiläum – wieder mehr ins Bewusstsein gerückt wurden, entwickelte sich die Vorstellung, die gemeinsame Vergangenheit könnte über die Landkreisgrenzen hinweg zu einem verbindenden, ja identitätsstiftenden Moment werden. Als „Naherholungsregion mit Stauferkultur und Staufertraditon“ will man sich profilieren; Kulturangebote sollen ausgebaut und vernetzt werden, damit ein immer besseres tagestouristisches Angebot entsteht. „Den alten Staufern den Staub abklopfen“, war Schlagwort bei einer vorbereitenden Sitzung.
Vor allem aber steht der Ländliche Raum vor neuen Herausforderungen; Landrat Pavel nennt Bildung und Schule, Energie-​, Breitband– und Nahversorgung, Arbeitsplatzangebot und Verkehrsinfrastruktur. Ideenreichtum und die Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner seien gefragt, um das Leben auf dem Land weiterhin attraktiv zu gestalten. Sechs Gmünder Ortsteile und vier Gemeinden aus dem Altkreis sind dabei. Die Stadt selbst ist nicht ländlich genug, wohl aber die Ortsteile Bargau, Degenfeld, Großdeinbach, Rechberg, Straßdorf und Weiler, zudem Bartholomä, Heubach mit Lautern, Lorch und Waldstetten. Sie alle beschäftigten sich mit den Themen die aufgegriffen werden sollen, den Zielen, die sich das Stauferland setzen will. Einzelne Ansätze wie Ärzteversorgung oder Lebensmittelversorgung über ein mobiles Konzept wurden und werden gebündelt. Vier Arbeitsgebiete kristallisierten sich heraus, mit denen und für die in den nächsten Jahren gearbeitet werden soll:
Lebensqualität durch gelebte Geschichte (Tourismus, Ehrenamt und Gemeinwohl, Bürgerbeteiligung),
Lebensqualität durch Nähe (Entwicklung der Ortskerne, Grundversorgung mit Waren und Dienstleistungen, Kultur und Bildung, Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen);
Lebensqualität durch Energie und
Lebensqualität durch Wirtschaftskraft und Frauenpower.
Letztes ist für Bläse Schwerpunktthema – insbesondere der berufliche Wiedereinstieg, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ministerialdirektor Wolfgang Reimer hat jüngst bei seinem Vortrag im Rahmen der „Internationalen Fachtagung zur Qualifizierung und Förderung von Frauen“ in Gmünd ebenfalls beklagt, in welchem Maß die Abwanderung jüngerer Menschen, unter ihnen vor allem Frauen, in die Städte sich auf ländlich geprägte Gebiete auswirke – Frauen seien „starke Stütze des gesamten Ländlichen Raums“; ohne ihr Engagement würde vieles fehlen in den Dörfern. Die „Sicherung von Bleibeperspektiven“ habe Priorität.
Existenzgründer
erhalten eine Chance
Mögliche Starterprojekte gibt es viele. Bläse hat einen ganzen Ordner voller Ideen vorzuweisen – unter anderem sind da Existenzgründer in Sachen Mountainbike, Theater, Übernachten, Verpflegung, die sich Anschubfinanzierung, die Koordinierungsstelle samt Hauptamtlichkeit und vor allem eine reelle Chance versprechen. Shuttlebus ist Thema, Streuobst samt Vermarktung, Jugendarbeit im Ländlichen Raum, CO2-​Ausstoß, auch der „Erlebnischarakter“: Der Hornberg soll beispielsweise großes Thema werden, modellhaft zeigen, wie öffentliche und private Nutzung und das Thema Arbeitsplätze zusammengeführt werden können. Bläse: „Solche Pilotprojekte tun der gesamten Region gut.“
Vieles ist Zukunftsthema im eigentlichen Sinn: Die Ortszentren mit Läden, das Steuern von Zuwanderung und Einwanderung und immer wieder die Frage nach Frauen und Familien, denen Perspektiven geboten werden sollen: „Wenn nur der Wegzug bleibt, wird’s schwierig, das darf nicht einzige Alternative sein.“
Auch jungen Menschen gilt der Blick: Sie müssen, sagt Bläse, mit einbezogen werden dort, wo sie leben, damit sie diesen Ort als Heimat wahrnehmen. Darüber hinaus müssten natürlich Angebote gemacht werden und zur Erkenntnis verhelfen: „Man muss nicht jeden Abend in die Stadt.“ Es gibt insgesamt viel zu tun.
Was die Aufnahme ins Programm ausmachen kann, zeigen die Gemeinden, die sich zwischen Rems und Murr zur Leader-​Region „Limes“ zusammengeschlossen haben. In Gmünd ist derzeit die Ausstellung „Ebbes Guads von ons! Limes plus — Schwäbischer Waldgenuss! Ein innovatives Leader-​Projekt“ des Landratsamts Waiblingen am Treffpunkt Baden-​Württemberg im CCS im Stadtgarten zu sehen. (Seite 14)

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