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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Falsche Signale an die Flüchtlinge. Kommunen werden bei Härtefallanträgen nicht gehört: „Das bricht engagierter Flüchtlingspolitik das Genick“

Dass es erneut massiv Ärger gab mit einigen Flüchtlingen ist nicht das eigentliche Problem. Im Gespräch mit engagierten Asylbewerbern wird deutlich, dass die Flüchtlingspolitik der Stadt generell zu scheitern droht, wenn es für die Kommunen nicht endlich ein Mitspracherecht gibt. Wie berichtet randalierten in der Nacht zum Sonntag sechs Flüchtlinge im Polizeirevier. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Hausfriedensbruch.

Montag, 01. September 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 53 Sekunden Lesedauer


Von Birgit Trinkle
SCHWÄBISCH GMÜND. Wie berichtet randalierten in der Nacht zum Sonntag sechs Flüchtlinge im Polizeirevier. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Hausfriedensbruch. Klaus Hinderer vom Polizeipräsidium Aalen brachte es gestern auf den Punkt: „Es sind immer dieselben.“ Und: „Da sind ganz, ganz tolle Leute unter den Flüchtlingen in Gmünd und nur etwa zehn Schwierige, die sich immer wieder Rechte rausnehmen, die niemand hat.“
In der Tat: Immer dieselben Namen tauchen auf, seit geraumer Zeit, wenn es mit den Asylsuchenden Ärger gibt. Auf die Frage, warum der am häufigsten Genannte denn noch immer unterwegs ist in der Stadt, auf dem Polizeirevier Ärger macht, innenstädtische Verkehrsknoten lahmlegt oder alltägliche Situationen zum Eskalieren bringt, gibt es eine ganz einfache Antwort: Der Mann, hat seit März einen anerkannten Flüchtlingsstatus und eine Arbeitsgenehmigung.
Im Kollegenkreis kursiert die Geschichte, wie ein SWR-​Team im Bemühen, ausgewogen zu berichten, mit dem Mann persönlich sprechen wollte, der da immer wieder sehr medienwirksam mit Wörtern wie „Guantanomo“, „Gefangene“, „wie Sklaven behandelt“ und „unmenschliches System“ an die Öffentlichkeit geht. Als sie vergeblich auf die Mailboxen gesprochen hatten, riefen sie schließlich beim Arbeitgeber an und erfuhren, dass der Mann für einen dreiwöchigen Urlaub nach Afrika geflogen war. Und das wirft eine ganze Reihe von Fragen auf. Die positive Entscheidung verdankt dieser Mann sicher nicht seiner Bereitschaft, sich in die Gemeinschaft einzubringen. Aber er ist offenbar gut beraten, weiß aufzutreten und wann welche Unterlagen einzureichen sind. Im Gespräch mit anderen Flüchtlingen wird erst deutlich, welch verheerende Wirkung diese Auslegung des Asylrechts hat.
Die Ministerin für Integration, Bilkay Öney, hat sich bei ihrem Besuch in Gmünd die Zeit genommen, mit den Flüchtlingen zu sprechen. Mit Christopher Igbinomwanhia, der schon so vieles getan hat für die Stadt und nun meint, das alles bringe ihn keinen Schritt näher an ernsthafte Arbeit, und es könne kein gutes Leben ohne Arbeit geben. Mit dem akut von Abschiebung bedrohten Babacara Sohna, für den die Stadt einen Härtefallantrag gestellt hat, eben weil er von Anfang an im Ehrenamt tätig war und sich einbringt wo immer es geht. Diese Flüchtlinge kennen das föderale, vielschichtig verstrickte System hierzulande nicht: Für sie gibt es den Staat, die Verwaltung – und das ganz klare Signal, dass Flüchtlinge abgeschoben werden, die alles ihnen mögliche unternehmen, anzukommen, dazuzugehören und sich einzubringen, die dankbar sind dafür, in schwieriger Situation Hilfe und Schutz zu finden. Dass andere aber mit offenen Armen aufgenommen werden, die demonstrativ gegen die öffentliche Hand agieren, sich nicht an grundlegende Regeln der Gemeinschaft halten und immer wieder an Straftatsbeständen entlangschrammen, diese gar erfüllen.
Stadtsprecher Markus Herrmann meint, solche Asylentscheidungen konterkarierten Bemühungen der Kommunen, als „verlässliche, geradlinige, souveräne Verwaltung eine klare Linie für Flüchtlinge durchzuziehen“. Die Städte und Gemeinden würden von der Härtefallkommission noch nicht einmal gehört: Sogar wenn eine Stadt selbst den Härtefallantrag stelle – wie Gmünd im Fall Babacara Sohna –, komme niemand auf den Gedanken, zu fragen, was für jenen Flüchtling spreche, und für den anderen eben nicht. „Wir kennen die Leute aber doch, wissen, wer bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.“ Herrmann geht es in erster Linie um die Flüchtlinge, die sehr geschätzt würden, und von deren bevorstehender Abschiebung die Stadt in allerletzter Minute oder sogar erst danach erfahre, ohne dann irgendetwas tun zu können.
Dass es in Gmünd rund ein Dutzend Asylbewerber gebe, die immer wieder Ärger machten und die Atmosphäre vergifteten, sei noch nicht einmal das eigentliche Problem, so Herrmann: „Was uns zu schaffen macht, ist das Signal, das mit dem Oberbürgermeister zu schaffen und die Flüchtlingspolitik der Stadt mitzutragen, nicht anerkannt wird.“ Rabatz als erfolgversprechende Strategie? „Das bricht engagierter Flüchtlingspolitik das Genick“, sagt Herrmann. Ein Mitspracherecht sei dringend notwendig; die Stadt setze jetzt ihre Hoffnungen auf Ministerin Öney. Diese hörte sehr interessiert zu, als ihr das Problem unter anderem von „Christopher“ und „Baba“ geschildert wurde.

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