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Historischer Markt in Lautern

Als sich die vielen Besucher am Wochenende Lautern näherten, sahen sie Gestelle, die so genannten Heinzen, auf denen das Heu zum Trocknen aufgehängt wurde. Auf diese Weise wurde die Heuernte vor hundert Jahren erledigt.

Sonntag, 21. September 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 53 Sekunden Lesedauer

HEUBACH-​LAUTERN (dw). Diesem ersten Eindruck sollten noch mehr folgen, die an die „gute alte Zeit“ erinnerten: „Lautern anno 1900“, so wurde im Schatten des Rosenstein-​Ostfelsens zum 6. Historischen Markt eingeladen. Ob die Zeit, in der den Menschen ohne Mechanisierung körperlich viel abverlangt wurde, wirklich gut war, sei dahin gestellt. Am Wochenende schien jedenfalls alles gut zu sein in Lautern. Als ob sie zufällig Gäste seien in einer längst vergangenen Zeit, so kamen sich die Besucher vor.
Wie zufällig schreitet der Dorfbüttel durch die Straßen und schreit aus, dass von der Maul– und Klauenseuche keine Gefahr mehr ausgehe. Daneben hobeln Margarete Behringer und Ingrid Stütz Lauterner Krautköpfe auf dem Holzhobel in allerfeinste Krautfäden. In die „Stande“, ein irdenes Gefäß, hüpft rasch ein junges Mädchen hinein und beginnt barfüßig mit dem Krautstampfen. Gleich nebenan zeigt Josef Kuhn, wie Brennholz gespalten wird und er bindet auch Büschele zum Anzünden. Wie wichtig war dieses Können, als einst jedes Haus nur über eine Holzheizung verfügte. Plötzlich hört man Kinderstimmen „Schaut unser Lautern an, ist es nicht schön“. Die Kindergartenkinder ziehen durchs Dorf, sie halten sich alle an einem Seil fest, das Kindergartenleiterin Ulrike Drexler hält. „So kann keines verloren gehen“, lacht sie und weiter geht’s mit den Kindern zur Märchenerzählerin oder zu den alten Kinderspielen.
Irgendwo hört man anderen Gesang, tiefe Männerstimmen singen sich von der Traube über die Tonne bis hinunter ins Fass. Kräftig applaudieren die Umstehenden und hätten ganz gerne auch ein Schlückchen vom guten „Roten“ der die Kehlen der Männer vom Liederkranz ölt. Im Biergarten in der Ortsmitte sitzen die Leute ganz gemütlich im Schatten großer Bäume. Manfred Groll zieht mit seinen Rappen Ricky und Lisa den historischen Bierwagen der Heubacher Hirschbrauerei und bringt Nachschub.
Von der Schulstraße hallt ein lautes Kling-​Klang herüber, es kommt aus der Dorfschmiede, die unverändert am selben Ort steht wie vor einhundert Jahren. Es ist die Schmiede von Bernhard Esswein, der gemeinsam mit Hans Palzer am Sonntag zeigte, wie sie Pferde beschlagen. Hans Palzer kennt die Schmiede ganz genau, war er dort doch der letzte Lehrling.
Man findet sich in „Lautern anno 1900“ in der Blüte des Handwerks, hier arbeitet der Besenbinder, dort die Seifensiederin. Hier sieht man den Rechenmacher , den Schuhmacher, die Korbmacherin und den Barbier. Längst Vergangenes erwacht zum Leben beim Pflügen mit dem Pferd oder an der alten Dreschmaschine, auch das Flachsen, das Spinnen am Rad und das Weben am Stuhl verdeutlichen die vielen Arbeitsschritte, die einem fertigen Stück Stoff vorausgingen. Die Bühne gegenüber der Kirche war umringt von Kindern, hier zogen die Gaukler und Artisten alle in ihren Bann. Immer wieder machte die Menschenmenge Platz, denn entweder kam Hans Stock mit seinem Benzwagen Nr. 1 angebraust oder zwei Mädchen auf ihren Einrädern kurvten in erhabener Sitzposition durch die Straßen.
Ein Idyll spielte sich an der Lauter ab, dort wurde einerseits das Wasser mit Hilfe von Holzbrettern so aufgestaut, dass es der Dorfjugend für ein Badevergnügen ausreichte oder es gab deftige Sprüche der Wäschweiber zu hören, wie etwa von Marie-​Luise Zürn-​Frey, die sich sehr über die verschmutzten Männerunterhosen beklagte.
Das Wasser spritzte in alle Richtungen, als die „große Wäsche“ von Hand geschleudert wurde. Bei diesem Schleudergang blieb kein Umstehender trocken. Wieder einmal eine Hauptrolle spielten die Lauterner Gärtner, die mit knackigem Gemüse für einen kleinen Imbiss sorgten.
Aber Kulinarisch war noch mehr geboten; es gab Räucherfisch, Brutzelfleisch in Fladen, knusprige Rosenküchlein und bei der Feuerwehr duftete das Spanferkel vom Grill. Mit großem Appetit war auch eine Delegation aus Heubachs Partnerstadt Laxou angereist, die ganz leger durch Lauterns Geschichte wandelte.
Die Lauterner lebten bei ihrem „Historischen Markt“ ihren Zeitsprung, es war keine aufgesetzte Historie, sondern so wie es Marlies Haag vom Heimat– und Geschichtsverein erzählte: „Jeder will zeigen was er entweder einstmals selbst gelernt oder zu seinem Hobby gemacht hat.“
Die Aussteller waren überwiegend Lauterner Einwohner oder ortsansässige Vereine und Unternehmen. Der Verkauf stehe nicht im Vordergrund, sagt die gebürtige Lauternerin, sondern die Weitergabe an Wissen und diese Atmosphäre, die ein Dorf damals ausmachte.

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