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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Zu großer bürokratischer Aufwand

„Bekommen wir die medizinische Versorgung, die wir brauchen – heute und in Zukunft?“ Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion – veranstaltet vom SPD Ortsverein – beantworteten und bewerteten diese Frage, die am Donnerstagabend im Mittelpunkt stand, ganz unterschiedlich.

Freitag, 23. Januar 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (nb). Neben der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-​Bundestagsfraktion Heike Baehrens, waren auch Landrat Klaus Pavel, Harald Müller (Landesgeschäftsführer der Barmer GEK) und Dr. med. Peter Högerle (als Vertreter der Ärzteschaft) in die Regionalgeschäftsstelle der Barmer GEK gekommen, um über die ärztliche Versorgung zu diskutieren.
Dass es längst keine Diskussionen mehr sind, die nur mit Blick in die Zukunft geführt werden müssen, darauf verwiesen Klaus Pavel und Dr. Högerle im Laufe der Diskussion mit deutlichen Worten. Heike Baehrens begab sich zunächst auf Ursachensuche, verwies auf den demographischen Wandel („Weniger Beitragszahler haben immer mehr Kosten zu tragen“) und auch den drohenden Mangel an Pflegekräften. Dennoch seien die vorhandenen Probleme gestaltbar, so Baehrens, die vor Schwarzmalerei warnte und der Meinung ist: „Wir haben nach wie vor ein sehr gutes Niveau der Versorgung in Deutschland.“
Dass der Landarzt als Einzelkämpfer im ländlichen Raum bei jungen Menschen nicht gerade das Idealbild in Verbindung mit dem Arztberuf darstellt, dessen ist sich die gesundheitspolitische Sprecherin bewusst. Medizinische Versorgungszentren und die Schaffung von Regelungen, die eine wohnortnahe Versorgung stärken, nannte sie als Zielsetzung und verwies darauf, dass pro Jahr rund 2300 Ärzte in Deutschland ihre Praxis altersbedingt aufgeben. Auch am Numerus clausus müsse etwas geändert werden, so Baehrens, „damit nicht nur die Medizin studieren, die später wissenschaftlich tätig sein möchten.“ Auch verwies sie auf den wichtigen Bereich der Prävention, dem sich die Regierung umfassend widmen möchte.
Landrat Pavel erinnerte zu Beginn seiner Ausführungen darauf, dass die Diskussion der ärztlichen Versorgung schon sehr lange geführt werden und stellte fest: „Da brennt es jetzt schon.“ Den drei Kliniken im Kreis attestierte er sehr schlechte Perspektiven. „Wir müssen alle noch mehr zusammenrücken“, so Pavel, der sich zwar zuversichtlich zeigt, dass in Städten wie Gmünd der niedergelassene Bereich immer gut versorgt sein wird, gleichzeitig aber auf die Probleme der kleineren Kommunen aufmerksam machte: „Da hab ich Sorge.“
Dass der Landesgeschäftsführer der Barmer GEK, Harald Müller, die Statistiken betrachtend, meinte: „Vom Versorgungsgrad her ist zunächst alles in Ordnung“ änderte nichts an der allgemeinen Feststellung, dass der Landarztberuf mehr denn je unattraktiv erscheint. Högerle, der seine Praxis in Böbingen zum 13. März altersbedingt aufgibt, berichtete von seinen Erfahrungen. Vor allem davon, dass viele Ärzte, die sich für eine Praxisübernahme interessiert haben, gesagt hätten: „Das schaffe ich gar nicht“. Gemeint war damit durchweg der bürokratische Aufwand, der laut Högerle 30 bis 40 Prozent der gesamten Arbeit ausmache. Arbeit, die vor Öffnung der Praxis oder nach Feierabend gemacht wird. Um Versorgungssicherheit zu garantieren, schlug er regionale Modelle wie ein Ärztehaus vor. Der Bereich Prävention sei Jahre zu kurz gekommen, so Högerle, der deutlich machte, dass man hier auf viele Jahre hinaus denken müsse.
„Dieser Weg ist die Zukunft“, plädiert auch Pavel für Regiopraxis-​Modelle und bot die Zusammenarbeit seitens des Landkreises an. Die Vereinbarung von Familie und Beruf nannte Pavel als das eigentliche Problem, wenn es um die Zukunft der ärztlichen Versorgung, speziell in kleinen Gemeinden, geht. Auch, weil der Beruf weiblich geworden sei (rund 70 Prozent aller Medizinstudenten sind Frauen) müssten Lösungen entwickelt werden.
Harald Müller verwies auf die guten Erfolge, die man mit dem Modell der Notfallpraxen gemacht habe und sprach von einer relativ guten Struktur. Mit Blick auf die angesprochene Bürokratie meinte er, dass mit der Speicherkarte, die es ermögliche, Daten zu speichern und so dem Facharzt zu übermitteln, ein erster Schritt gemacht sei.
Landrat Pavel ließ auch die politischen Hürden nicht außen vor und sagte bezugnehmend darauf, dass die Planungsbereiche für die hausärztliche Versorgung an anderer Stelle entschieden wurden: „Warum muss irgendeiner, weit weg von hier, entscheiden, wie viele Bereiche es gibt?“ Vor allem mit Blick auf die Menschen im Raum Bopfingen, die den Planungsbereichen Aalen und Ellwangen zugeordnet sind und 30 Minuten in eine Arztpraxis fahren müssen (der dritte Bereich ist Gmünd) bereitet ihm diese Regelung Kopfzerbrechen, was er gestern Abend mit deutlichen Worten zum Ausdruck brachte: „Es wäre mir recht, wenn wir die Lösungen selber stricken dürften.“ Und: „Es wäre mir recht, wenn man uns mehr zutrauen würde.“
Auch gab er hier zu bedenken, dass beispielsweise der Kreis Heidenheim, der flächenmäßig kleiner als der Ostalbkreis ist, bei der Einteilung in Planungsbereiche, gleich behandelt wird.
In Zukunft noch mehr und noch enger zusammenarbeiten – ein Punkt, in dem sich alle einig waren.

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