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Wilfried Schmickler im Prediger: Scharfsinniger Wortakrobat

Als guter Parodist, als scharfsinniger Denker und als wahrer Wortakrobat erwies sich Wilfried Schmickler, der am Donnerstag in der IMK-​Kabarettreihe ganz bescheiden behauptete: „Ich weiß es doch auch nicht“.

Samstag, 28. Februar 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 41 Sekunden Lesedauer

KLEINKUNST (wil). So zumindest lautet der Titel des Programms, das der Kölner Gesellschaftskritiker im wohl gefüllten Predigersaal seinem Publikum vorsetzte. Zielgenau rührte er im großen Brei der aktuellen Strömungen und förderte seine Pointen zu Tage.
Scharf überzeichnet hatte er immer den Finger in der Wunde, pendelte zwischen Lifestyle und Volkswirtschaft, sang, dichtete und parodierte. Dadurch gelang Wilfried Schmickler trotz seines unheimlich dichten und intellektuell hochstehenden Inhalts ein recht kurzweiliger Abend.
Der Schlenker auf Tebartz van Elst war schon der älteste Themenhorizont, die Hamburg-​Wahl sein aktuellster Beitrag. Schmickler hat drauf, was die Menschen aktuell bewegt, ob Pegida oder Grexit. Und wenn er ein „absolut beleidigungsfreies Programm“ versprach, das von einem freiberuflichen Dschihadisten überprüft worden sei, so war die Richtung klar.
Dem Koran-​Fanatismus kommt nur noch die Komödie bei, und mit einem Ausblick auf ein Fußballspiel nach den Regeln des Koran stimmte er schon mal auf die WM in Katar ein.
Bratwurst und Bier werden aus den Stadien verbannt und nach dem Torschuss ertönt ein vielstimmiges Allahu akbar.
Doch wie sieht es mit der westlichen Zivilisation aus? Wie bildet und informiert uns das Fernsehprogramm mit seinen Serien und Talkshows? Ein Auftritt von Frau von der Leyen in der ARD könnte von Leni Riefenstahl nicht besser inszeniert werden, und seine Schilderung der Krönung von Angela Merkel zur deutschen Kaiserin fasste zehn Jahre erfolgreiche Machtpolitik zusammen.
Zahlenvergleich: Sozialausgaben und Unternehmensgewinne
Schmickler baute auf den Gegensatz, der Scharia-​Polizei von Wuppertal und der Koranverteilung setzte er eine Bibel-​Verteilung in Saudi-​Arabien entgegen und der Ausspähung durch die NSA reichte schon ein einfacher Facebook-​Account als „Widerpart“. Doch das menschliche Mitteilungsbedürfnis hat neue Dimensionen erreicht, wir führen Handygespräche mit der eigenen Mailbox, dokumentieren unsere Urlaube mit dem Smartphone, statt sie zu erleben und genießen, und unsere Kinder wachsen im Event-​Zeitalter auf.
Was es schon einmal gab, will keiner mehr sehen, und für einen Kindergeburtstag muss man das Reihenhaus schon zum Piratenschiff umbauen. Und so kommt er zur Frage: „Es kann doch nicht sein …“, stellt Zahlen gegenüber wie Unternehmensgewinne und Sozialausgaben, blickt auf die Geldverschiebungen der internationalen Finanzmärkte und landet bei der Überlegung, bei wem denn die Menschheit überhaupt ihre enormen Schulden hat? Es ist eine Mischung aus Bissigkeit und Moral, Detailwissen und spitzfindigem Humor, mit der er sein Publikum zwar erheitert, aber doch nachdenklich entlässt.

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