Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Ostalb

Zwei spannende „Scheunenfunde“ im Bauern– und Technikmuseum Kiemele

Zwei spannende „Scheunenfunde“ aus der Frühzeit der Agrarmotor– und der Elektroantriebgeschichte wurden in Seifertshofen bei Eschach der Presse präsentiert. Das Schwäbische Bauern– und Technikmuseums der Familie Kiemele vermutet sogar Einmaligkeit in Deutschland. Es handelt sich hierbei um einen Motorpflug (Baujahr 1922) des legendären Berliner Erfinders und Fabrikanten Robert Stock und um einen Lloyd-​Elektrolastwagen (Baujahr 1928), der seiner Zeit im Hinblick auf die aktuelle Beschäftigung mit dem Thema Elektromobilität weit voraus war.

Montag, 30. März 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 22 Sekunden Lesedauer

Museumssprecher Boris Wolff und –gründer Eugen Kiemele, der am Dienstag, 31. März, seinen 78. Geburtstag feiert, zeigten sich vor allem stolz auf Erwerb und die Überführung des historischen Stock-​Motorpflugs. Diese selbstfahrende landwirtschaftliche Maschine gilt als Vorläufer der Traktorentechnik. Vor etwa 100 Jahren lösten solche Motorpflüge jene Dampfmaschinen ab, die über Seilwinden und mit Stahlseilen Pflüge über Ackerflächen zogen. Selbstfahrende Dampftraktoren waren eher selten, weil riesengroß und kompliziert zu handhaben. Erst als einerseits relativ kleine und doch leistungsstarke, benzingetriebene Verbrennungsmotoren aus der Automobilbranche zur Verfügung standen, gelang die Umsetzung der Idee für einen Motorpflug.
Der Berliner Multi-​Unternehmer und Tüftler Robert Stock (1858 – 19012) gilt als Motorpflugpionier. Nachdem sich der Telekommunikations-​Fabrikant im fortgeschrittenen Alter auf ein Hofgut zurück gezogen hatte, konstruierte er mit einem 5-​PS-​Verbrennungsmotor den ersten selbstfahrenden Motorpflug, um die Erträge in der Landwirtschaft zu steigern. 1909 gab’s für die Idee das Reichspatent. 1911 begann in Berlin die Serienfertigung von zwei Stück pro Tag. Beim Kiemele-​Neuerwerb handelt es sich nun um ein fortgeschrittenes Exemplar, immerhin bereits mit einem 40-​PS-​starken Motor ausgestattet. Die „Netzwerker“ aus der Fangemeinde des Museums hatten den Stock-​Motorpflug vor vier Jahren in Südafrika entdeckt. Vermutlich war die Maschine im Zuge der Kolonialgeschichte aus Berlin dorthin gelangt.
Die neuen Besitzer jubeln: „Kein bisschen Rostschaden, kaum Betriebsstunden, ein Riesenglücksfall für die Historie der Agrargeschichte.“ Die Verhandlungen und die Zollbestimmungen zur Ausfuhr des extrem seltenen Fundstücks seien nicht einfach gewesen. „Vier Jahre haben wir uns bemüht“, erzählt Boris Wolff. Vor 14 Tagen sei der heiß ersehnte Schiffscontainer mit seinem wertvollen Inhalt endlich auf der Frickenhofer Höhe angekommen. In diesem Zustand sei diese Maschine einmalig in Deutschland.
Museumssammlung wird derzeit gesichtet und neu geordnet
Ähnlich bewertet wird der Lloyd-​Elektrolastwagen. Den haben die Museums-​Macher sogar in der eigenen Sammlung, die derzeit gesichtet wird, vor dem Hintergrund des hochmodernen Interesses an der Elektromobilität neu entdeckt: In großer Stückzahl baute Lloyd bereits vor 80, 90 Jahren überraschend leistungsfähige Elektrokraftwagen. Mit einer etwa 500 Kilogramm schweren Masse von wiederaufladbaren Batterien hatte ein solcher Lkw immerhin eine Reichweite von 50 Kilometern. Er diente eher als Zugmaschine für Anhänger. Doch gab es damals bereits etwa 2500 Lloyd-​Elektrowagen in einer geschlossenen, speziellen Postversion (Kastenaufbau) für Brief– und vor allem Paketzustelldienste.
Die neuen alten Schmuckstücke sind im Museum Kiemele derzeit leider noch nicht öffentlich zu bewundern, sondern sollen zunächst restauriert werden. Allerdings: Premiere soll dann der „Berliner Motorpflug aus Südafrika“ mit einer realistischen Vorführung bereits Anfang September beim großen Lanz-​, Bulldog– und Dampffestival haben. Und für eine vergleichend-​wissenschaftliche Präsentation in Sachen Elektro-​Antriebstechnik sind mehrere Projekte im Gespräch, so für Samstag, 9. Mai, in Schwäbisch Gmünd (Modellkommune Elektromobilität) und gemeinsam mit dem Fachhochschule Aalen. Die zwischenzeitlich drei Generationen umfassende Familie Kiemele sowie Museumssprecher Boris Wolff führten gestern auch die Bemühungen vor Augen, den enormen Fundus des Technikmuseums neu zu ordnen und übersichtlicher zu gestalten. Da gebe es gewiss noch weitere Überraschungen.
Nicht ausgeschlossen sei, dass für eine würdige Präsentation vor allem der Oldtimer (Personwagen, Nutz– und Militärfahrzeuge, Dampfmaschinen, Flugzeuge sowie vor allem Traktoren und andere Agrargeräte) eine neue Halle gebaut werden könnte.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

5171 Aufrufe
571 Wörter
3308 Tage 22 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 3308 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2015/3/30/zwei-spannende-scheunenfunde-im-bauern--und-technikmuseum-kiemele/