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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

„Eine grüne Lunge der Kernstadt“: Am Nepperberg wurden großflächig Bäume gefällt

Ärger am Nepperberg. Baum um Baum wurde gefällt, großflächig abgeholzt, und das am 11. März. Das Landratsamt hat das Ganze gestoppt, doch der Schaden ist angerichtet. Der Grundstückseigentümer versichert nun, es sei auf dem Areal keine Bebauung angedacht.

Mittwoch, 01. April 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 55 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Bereits im vergangenen Jahr war ein Grundstück am Nepperberg Thema, weil nach dem Stichtag 1. März, nach dem Baumfällarbeiten nur noch in Ausnahmefällen möglich sind, Bäume und Sträucher abgeholzt wurden. In diesem Jahr wurde am 11. März damit begonnen, unter der Hangkante, in dem von der Stadt aus gut einsehbaren Bereich, von oben her abzuholzen: Die größten Bäume zuerst. Deutlich zu erkennen sind die Stümpfe augenscheinlich gesunder Laubbäume.
Susanne Dietterle, Leiterin der Pressestelle des Ostalbkreises, bestätigte gestern, dass der Eigentümer bereits im Vorjahr innerhalb der Vegetationsperiode Baumfällarbeiten veranlasst hatte, obwohl das Bundesnaturschutzgesetz dies ausdrücklich untersage. Besagter Grundstückseigentümer habe angegeben, „aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht“ und auch im Blick auf die zu erwartenden Besucher der Gartenschau sei dies unumgänglich gewesen. Damals habe man das Ganze schließlich auf sich beruhen lassen, „ein Auge zugedrückt“. Nun aber seien erneut im März, innerhalb der Vegetationsperiode, „alte und junge Bäume und Sträucher in größerem Umfang“ gefällt worden. Wiederum seien Gründe der Verkehrssicherung angeführt worden, aber Kreisökologin Brigitta Frey zufolge gingen die Baumfäll– und Abholzarbeiten „darüber weit hinaus“. Diese Arbeiten seien zwar umgehend gestoppt worden: „Aber da ist wohl schon sehr viel geschehen.“ In jedem Fall werde nun ein Bußgeldverfahren eingeleitet, weitere Schritte würden mit Blick auf das Naturschutzgesetz derzeit noch geprüft – also ob, wie von Naturschutzorganisationen angeführt, Artenschutz-​Belange betroffen sind. Rechtlich relevant wird das Ganze vor allem, wenn tatsächlich einige der hohlen Bäume als Vogel– und Fledermaushabitatbäume geschützt waren – Bäume, von denen Brigitta Frey, Kreisökologin im Landratsamt, bei früherer Gelegenheit einige fotografiert hat. Habitatbäume sind „bewohnte Bäume“ etwa mit Spechthöhlen. Auf diesem Grundstück gibt es eine Fledermaushöhle, der vom Aussterben bedrohte Schwarzspecht soll hier daheim sei, in jedem Fall gab es in den alten Laubbäumen Bruthöhlen. In unmittelbarer Nähe zu einem „32er Biotop“ am Nepperberg, also eines besonders geschützten Biotops, empören sich Anlieger und Naturschützer, habe man „nach dem 1. März ein halbes Biotop flachgelegt“ und damit der Biodiversität, der Vielfalt des Lebens in der Stadt, geschadet. Ohne den Versuch, möglichst unbemerkt Tatsachen zu schaffen, hätte es Umsiedlungsaktionen geben können, andere Versuche, den Schaden zu minimieren. Eben dass Jahrzehntelang so gut wie nichts gemacht wurde auf diesem Areal hat das Gebiet aus ökologischer Sicht enorm aufgewertet.
Geschäftsführer Andreas Mooslehner meint, für den BUND sei dieses Gebiet am Bahnhof wichtig, das im Landschaftsplan der Verwaltungsgemeinschaft Schwäbisch Gmünd/​Waldstetten als Erholungsgebiet für die Gmünder Bevölkerung ausgewiesen wurde, das langfristig zu erhalten sei.
Der BUND habe Sorge, dass sich die Bebauung immer weiter Richtung Vogelhof ausdehne: Bereits die Panoramabebauung unterhalb der Pfanderschen Villa sei „grenzwertig“; jetzt werde die flächige Räumung auf dem Nachbargrundstück als Alarmzeichen gewertet: „Wir befürchten, dass hier die Voraussetzungen für künftige Bebauung geschaffen werden.“ Dem BUND gehe es nicht nur um die verlorenen „wertvollen alten Laubbäume“ – „Bäume in diesem Alter tragen eine Vielzahl von Bruthöhlen; das Ganze ist indiskutabel“ –, sondern auch um Gmünds Talsituation und die Schwierigkeiten mit dem Luftaustausch. Mooslehner nennt Taubental, Nepperberg und Vogelhof eine „grüne Lunge“ für Gmünd, die maßgeblich zu einer – im Vergleich zu anderen Städten in Tal– und Kessellage – erträglichen Situation beitrage. „Wenn wir anfangen, diese kernstadtnahen Hänge zu bebauen, wenn wir den Wald dort entfernen, wird sich das deutlich auf die Luftqualität auswirken.“ Ohne einen geschlossenen Grünbereich, ohne Luftaustausch, generell ohne die Frischluftzufuhr aus dem Taubental werde „der Wohn– und Lebensqualität der Stadt dauerhaften Schaden zugeführt“. Weitere Eingriffe in diesem Bereich zwischen Nepperberg und Vogelhof seien höchstproblematisch, warnt Mooslehner.

„Zwei dokumentierte Schäden gab es dort bislang“, sagt der Grundstückseigentümer mit Blick etwa auf eine im vergangenen Jahr umgestürzte Eiche. Auch dass ihm seine Versicherung dringend zur Baumfällaktion geraten habe, berichtet er, und dass er vor allem aus der berechtigten Angst vor Verletzungs– und Todesgefahr für Menschen die teuren Arbeiten veranlasst habe. In beiden Jahren seien Fachfirmen bereits im Herbst beauftragt worden. Über die angeführten Argumente der Verkehrssicherung, sprich der gefährdeten Standsicherheit, bzw. der Kernfäule in den Bäumen hinaus gebe es keine Gründe für die Aktion. Schon gar nicht sei an künftige Bebauung gedacht.

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