Warum so viele Flüchtlinge mit ihren Handys auf dem Marktplatz zu sehen sind
Montag, 24. August 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 40 Sekunden Lesedauer
SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Erste Begegnung beim Abendspaziergang. Der junge Mann trug eine Tüte voller Lebensmittel zur GU auf dem Hardt. Die sollten ziemlich lange halten, wie er erzählte. André, Name geändert, war da noch gar nicht lange im Land, sprach aber bereits vom Handykauf. Am schieren Unverständnis, dem er mit diesem Vorhaben begegnete, wären Gespräch und Kontakt um ein Haar gescheitert. Jetzt, nach elf Monaten, gibt es nach wie vor eine lose Verbindung, Interesse am Werdegang des Flüchtlings, der mittlerweile jobbt, Fußball spielt und sich auf ein Studium freut. „Natürlich war das ein Risiko“, sagt er jetzt. „Ich hab alles in allem 329 Euro im Monat und damals 225 fürs Handy ausgegeben. Ich hab in jeder Beziehung bezahlt für dieses Smartphone, glauben Sie mir.“ Er sagt aber auch, dass er keine andere Wahl hatte. „Ich musste einfach Kontakt zu meiner Familie halten, die ich schon damals drei Jahre lang nicht mehr gesehen hatte“. Telefongespräche rund um die Welt könne er sich nicht leisten, erst mit dem Smartphone, mit WhatsApp, Viber, talkray und Facebook habe er wieder in Verbindung treten können. André: „Das geht den meisten hier so, wir würden vieles opfern, lieber ein paar Tage hungern, als aufs Smartphone verzichten.“ Neben den kostenlosen Kontakten zur Familie, sagt er, gebe es andere Gründe: Das Smartphone ermöglicht es, Bewerbungen zu schreiben, Zeugnisse zu verschicken, Kontakte zu knüpfen. Auch lasse sich vor allem die erste Zeit in einer Gemeinschaftsunterkunft voller Fremder viel leichter gestalten: „Wenn man nicht arbeiten darf, nichts zu tun hat, nimmt so ein Tag kein Ende.“ Mit dem Smartphone könne man sich informieren darüber, was passiert in der Welt, könne sich austauschen und vielleicht neue Freunde finden.
Derzeit gibt es im Landkreis, so Pressesprecherin Susanne Dietterle, in keiner der Gemeinschaftsunterkünfte WLAN. Ausnahmen seien möglich in kleineren Wohneinheiten, wenn sich die Bewohner den Internetzugang auf eigene Kosten legen ließen. Momentan verschaffe sich der Landkreis aber in Gesprächen mit verschiedenen Anliegern einen Überblick über die technischen Möglichkeiten und die Kosten für WLAN in den Unterkünften.
(ausführlicher Bericht in der Rems-Zeitung vom 25. August 2015)
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