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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Irgendwo auf dem Leonhardsfriedhof — Schönes im Schatten alter Bäume

Aus Stein geschlagen, in Bronze gegossen, aus Holz geschnitzt, in Mosaik gelegt — sie ist zeitlos schön, die Grabkunst, die den Leonhardsfriedhof zum lohnenden Ziel für alle macht, die sich Gutes tun wollen. Von Birgit Trinkle

Donnerstag, 27. August 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 15 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Zwischen Röther, Bahnlinie und Bundesstraße ist es still. So still, dass die Vögel sich bemerkbar machen. Hinterbliebene tragen Blumen ans Grab der Mutter, platzieren im Schatten alter Bäume Schalen mit den ersten Astern oder zupfen am Unkraut herum. Sie gießen natürlich – mehr als in so ziemlich jedem anderen Jahr, an das sie sich erinnern können. Und all die steinernen und bronzenen Engel schauen zu. Wenn im November die letzten Rosen erfrieren, stehen sie ungerührt; Jahr um Jahr zieht ins Land, und die Engel schütteln Laub ab, tragen Schneehäubchen, werden von Blütenstaub umweht, von der Sonne so erhitzt, dass es weh tut, sie zu berühren.
Nicht viele Gräber hier sind jüngeren Datums, schon gar nicht die mit den Engeln. Die meisten derer, die hier zu Grabe getragen wurden, sind schon so lange tot – und längst hat die Zeit der Trauer ihre Schärfe genommen, ihre Kanten, wie sie an den Konturen der Sandsteinskulpturen herumgewischt hat. Der Schmerz über den Verlust eines Menschen verblasst irgendwann, nach Jahren, Jahrzehnten, macht vielfach dankbarer Erinnerung und leiser Wehmut Platz.
Für alle anderen, für diejenigen, die ins Freibad unterwegs sind oder zum Discounter, die einfach nur Stille suchen und den Schatten alter Bäume, ist dieser Friedhof kein trauriger, sondern in erster Linie ein schöner Ort. Nur manchmal scheint es, als seien all die so tiefen Gefühle, die seit Jahrhunderten hierhergetragen werden, nicht ganz verweht. Sie, ebenso wie Grabkunst und der Baumbestand, sind es, die den Leonhardsfriedhof zu etwas Besonderem machen, ihm seine Bedeutung geben.

„Irgendwo in Europa“ – wenn Ort und Zeit nicht zählen

Ilse Gsellers Grabschmuck ist ihrer allein und lässt lächeln in der Erinnerung an diese verdienstvolle Frau. Anna Fehrle lässt grüßen — wer hat sich noch nicht an einer ihrer Krippen gefreut. Dass das Schiff auf Kapitän Günther Scheyrers Grab auf einen Seemann verweist, versteht sich von selbst. Fast alle Kunst hier ist freilich auch losgelöst von den Menschen zu sehen, für die sie aufgestellt wurde. Ein internationales Kunstmagazin veröffentlicht immer wieder schöne Fotos von Grabkunst „Somewhere in Europe“ — nicht weil die Macherinnen nicht wissen, ob diese Madonna oder jener Heilige in Prag zu finden ist oder auf einem Schweizer Dorffriedhof, sondern weil ein Ort, eine Geschichte, sogar ein Name diese Figur vielleicht nicht ihrer Schönheit, aber ihrer Allgemeingültigkeit berauben würde – und ihr damit wohl auch ein bisschen von der Stimmung nehmen, die sie erzeugt.

Den Toten der verlorenen Heimat

Maria Jasurkin und Nikolai Kulak und andere im Osten versklavte Frauen und Männer haben hier ein Grab; sie sind als Zwangsarbeiter in den letzten Kriegsjahren elend zugrunde gegangen, fern der Heimat, der Familie. Ähnlich traurig stimmt das Kreuz, mit dem die Vertriebenen der „Toten der verlorenen Heimat“ gedenken. Durch die jahrhundertelange Nutzung finden sich naturgemäß auch viele Gräber, die für die Stadt bedeutsam sind. Vor allem Grabmalkunst aus dem 19. und 20. Jahrhundert gibt einen gewissen Einblick in die Lebensverhältnisse alter Gmünder Geschlechter — die RZ berichtet in ihrer Freitagsausgabe von diesen Familien und erzählt auch aus der Geschichte des Leonhardsfriedhofs.

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