Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Schwäbisch Gmünd

In Erinnerung an den 4.März 1919 versammelte sich die sudetendeutsche Landsmannschaft

Sie werden immer weniger. Aber solange sie da sind, so lange sie sich erinnern, die Menschen aus dem früheren Sudetenland, wollen sie sich jeden 4. März am Ostlandkreuz treffen, um der alten Heimat und ihrer „Schicksalsgemeinschaft“ zu gedenken.

Freitag, 04. März 2016
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 0 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Bruno Kottmann spielt auf der Trompete Lieder, die ihnen viel bedeuten: „’s ist Feierabend“ oder das Sudetenlied „Hohe Tannen“. Herta und Anna Maria Kunz lauschen den verklingenden Tönen nach: „Unser Herz ist noch dort“, sagt Herta, mit 89 die Jüngere der beiden Schwestern, die einst aus Jägerndorf vertrieben wurden. Ihre Vorfahren kamen aus Villingen, aber ihr Daheim war das Sudetenland. Die Angst, die Gewalt, die Zeit in russischer Gefangenschaft oder als verachtete Mägde bei österreichischen Bauern – das alles hat Spuren hinterlassen. Am Abend des 31. März 1946 rollte ihr Zug auf dem Gmünder Bahnhof ein, und auch der Neuanfang hier war schwer. Die eine arbeitete bei Bidlingmaier, die andere zunächst in der Waldstetter Fabrik, bevor sie die zweite Dienstprüfung wiederholen musste, um wieder als Lehrerin arbeiten zu können. Mit der Erfahrung ihrer 94 Lebensjahre sagt Anna Maria Kunz: „Der Reichtum, den wir mitgebracht haben, war unser Wissen und das, was wir gelernt hatten. Das nimmt einem niemand.“ Die Schwestern haben ihr Leben gemeistert. Was sie nie gelernt haben: Den Schmerz über den Verlust der Heimat zu verdrängen.
Der Kreisvorsitzende des BdV Oswald Lehnert erinnerte gestern daran, wie vor zwei Jahren Kurden in Deutschland demonstrierten, für sie folgenlos: „Vor 97 Jahren gingen unsere sudetendeutschen Vorfahren durch die Städte unserer Heimat, friedlich und diszipliniert.“ Die Demonstranten damals wollten weiter zu Deutschösterreich gehören, weiterhin deutsch sprechen: „Man hat tschechisches Militär auf sie losgelassen, einfach reingeschossen.“ In erst spät veröffentlichen historischen Aufnahmen werde an dieses Massaker erinnert. Auch Horst Seehofers Besuch in Prag habe dazu beigetragen, dass Tschechen über diesen Teil ihrer Vergangenheit redeten.
Lehnert sprach auch von der schwierigen Zeit, die nach dem 4. März 1919 kam. Der „Befreier“ von 1938 sei dann ein Verbrecher gewesen, „der von unserem Volk verachtet wird“. Der BdV-​Chef ging aber auch auf die Toten und Entrechteten unter Staatspräsident Benesch und Außenminister Masaryk ein: „Wir sind die letzten Zeitzeugen, die die Schikanen der Vertreibung erlebt haben.“
„Wir werden nicht mehr lange leben“, so Lehnert, der fürchtet, dass das Wort „Sudetenland“ dann nicht mehr ausgesprochen wird. „Wir wissen, dass nur noch wenige aus der Vertreibungszeit leben.“ Aus seiner Heimatgemeinde, ursprünglich 1300 Dorfbewohner, kämen nur noch rund 70 zu den Heimattreffen, die er in St. Anna organisiere. „Zuzusehen, wie unsere Volksgruppe so langsam ausstirbt, das ist es, was uns erbittert.“ Obwohl die Kinder sudetendeutsches Blut in sich trügen, fühlten sie sich als Schwaben, Bayern, Hessen. Er hoffe so sehr, dass die Nachkommen sich zumindest im Ostalbkreis die Mühe machten, die Bücher zu lesen, die unter anderem Dr. Kurt Scholze zu verdanken seien und die dazu beitrügen, „dass etwas bleibt, dass wir in ihren Herzen weiterleben.“
Die RZ berichtet am Samstag

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

3760 Aufrufe
483 Wörter
2967 Tage 18 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 2967 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2016/3/4/in-erinnerung-an-den-4maerz-1919-versammelte-sich-die-sudetendeutsche-landsmannschaft/