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Flüchtlinge willkommen heißen: Böbingen zeigt beispielhaft, wie Miteinander funktioniert

Mit den Flüchtlingen, die in Böbingen angekommen sind, etwas gemeinsam zu unternehmen und sie im Alltag zu unterstützen, das ist das Ziel des Böbinger Helferkreises. Dazu wurde am Samstag gemeinsam gekocht, gegessen und sich ausgetauscht.

Montag, 30. Mai 2016
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

Von Dorothee Wörner BÖBINGEN. Für ein besseres Kennenlernen beim gemeinsamen Abendessen wurden am Samstagnachmittag in der Küche der Schule am Römerkastell schwäbische und orientalische Gerichte zubereitet. Untergebracht sind im „Schlössle“ in Unterböbingen derzeit zwölf Personen, zwei Familien aus Syrien und dem Iran und ein Ehepaar aus dem Irak, sie sind seit Herbst auf der Flucht und waren zunächst in Karlsruhe und Ellwangen untergebracht. Das „Schlössle“ befindet sich im Besitz der katholischen Kirchengemeinde und wurde von dieser an die LEA Ellwangen vermietet. Es handelt sich also um die Erstaufnahme von Menschen, die auf ihre Anerkennung als Flüchtlinge, auf eine Aufenthaltsgenehmigung und Anschlussunterbringung warten. Die jungen Eheleute aus dem Irak sind bereits anerkannte Flüchtlinge und da beide einen Hochschulabschluss haben, sprechen sie sehr gut englisch und arbeiten an der LEA als Dolmetscher, bei den übrigen läuft das Verfahren, gibt Brigitte Geller zur Auskunft, die sich als Koordinatorin beim Böbinger Bürgerbüro um die Belange der Menschen kümmert. „Wir würden uns freuen, wenn sie später hier bei uns in Böbingen bleiben möchten“, sagte Bürgermeister Jürgen Stempfle. Er ist stolz auf seine Mitbürger von denen sich bei einer Bürgerversammlung Anfang März spontan 35 Personen gemeldet haben die beim ehrenamtlichen Helferkreis mitmachen. Sie unterstützen auch die Flüchtlinge, die im Gemeindehausweg untergebracht sind. Bei den Kindern wurde sofort damit begonnen sie an der Schule aufzunehmen, so Bürgermeister Stempfle; „Da haben wir nicht lange gewartet bis wir dafür das Geld vom Kreis bekommen haben.“ Er freut sich, dass die Kinder so gut aufgenommen wurden und auch schon Freundschaften geschlossen haben. Besonders beim Sport gehe das ganz schnell, erzählt er, einige Buben spielten bereits beim örtlichen Fußballverein, sie seien genauso fußballbegeistert wie ihre Väter, die in Syrien und im Irak ebenfalls schon Fußball gespielt haben. „Es sind gebildete Leute“, fügt Jutta Greimel-​Gäkle an. Die frühere Realschullehrerin organisiert den Sprachunterricht für Erwachsene. Dabei ist sie nicht alleine, insgesamt bemühen sich sechs Freizeitsprachlehrerinnen und –lehrer um die nicht ganz einfache Vermittlung der deutschen Sprache. Dies beginne bei der Schrift, die ja nun in einer anderen Richtung geschrieben werde, und setze sich fort bei Begriffen die es in der jeweils anderen Sprache gar nicht gebe. Aber alle seine absolut lernwillig und fleißig dabei wenn im Dachgeschoss des „Schlössle“ der Sprachunterricht mit Hilfe von Bildwörterbüchern stattfinde. Nicht vieler Worte bedarf es beim gemeinsamen Kochen in der Schulküche. Bereits am Vortag wurde eingekauft, in einem türkischen Laden gab es alles was die Flüchtlinge für die Zubereitung ihrer Speisen brauchen. Probleme bei der Kommunikation führen eher zum Lachen als zum Verzweifeln, sagen die Frauen die miteinander in der Küche stehen. Und so hört man bei der Verkostung von orientalischen Gerichten wie Avocadocreme mit Sesambutter oder beim Abschmecken des schwäbischen Kartoffelsalats immer wieder „Mmmh’s“ und „Aaah’s“ – vernehmbare Zeichen das alles gut schmeckt. Deutsche und Flüchtlingsfrauen kochen die Gerichte aus dem Kopf heraus, nirgendwo ist ein Rezeptheft zu sehen. Christine Bohner ist mit Teig und Füllung für die Maultaschen zugange, Toulin aus dem Irak bereitet leckere Dips vor. Ernsthaft und konzentriert dünstet eine junge Frau aus Syrien spinatähnliche Blätter in einem Topf an, neben ihr steht ein etwa sechsjähriges Mädchen, auch der Vater ist mit dabei und hilft bei den Vorbereitungen fürs interkulturelle Abendessen. Die junge Familie hat so Schlimmes erlebt, dass sie nicht möchten, dass darüber in der Zeitung geschrieben wird – doch Blicke aus dunklen Augen erzählen ihre eigene Geschichte. Toulin, die sehr gut englisch spricht, übersetzt während des Kochens. Auch sie muss immer wieder nachfragen. Es wird bewusst, dass auch die Flüchtlinge keine homogene Gruppe sind, sondern Menschen die sich gegenseitig ebenfalls erst kennenlernen müssen. Viel Unterstützung erhalten sie in allen Belangen von der Gemeinde Böbingen und Koordinatorin Brigitte Keller. Sie bringt das Engagement der Ehrenamtlichen und die Bedürfnisse der Flüchtlinge zusammen. Ob Hausmeisterdienste oder Behördengänge, ob Arztbesuche oder Einkäufe – dafür stehen die Ehrenamtlichen bereit. Da wird für den Sprachunterricht schon mal ein ausgedienter Tageslichtprojektor beschafft oder eine ausrangierte Waschmaschine in Gang gesetzt. Weil aber bei so viel Ernsthaftem die Freude nicht zu kurz kommen soll, sind auch Ausflüge in die Umgebung und gemeinsame Unternehmungen geplant. Aber erst einmal setzten sich am Samstagabend alle an einen Tisch und bedienten sich bei Maultaschen, Kässpätzle, Hühnchen auf Spinat und orientalischen Gerichten. Zum Nachtisch gab es einen schwäbischen Ofenschlupfer und dann hörte man tatsächlich nur noch eine Sprache, nämlich viele genussvolle „Mmmh’s“ und „Aaah’s“

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