Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Kultur

„Cross-​Over“ heißt das Zauberwort beim zeitgenössischen Schattentheater

Vier Tage geballtes, zeitgenössisches Schattentheater, das bedeutet Schatten in allen Variationen: klassisches Handschattenspiel, Spiel mit Silhouetten, live gemalte Schatten und Menschenschatten. Dem Schatten sind keine Grenzen gesetzt.

Freitag, 16. Oktober 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 40 Sekunden Lesedauer

THEATER (mar). Dies zeigt einmal mehr das achte Internationale Schattentheater Festival. Eine vollendete Vorstellung bot gleich die erste Bühne, die am Mittwoch spielte: Das „Erfreuliche Theater“ aus Erfurt erzählte das Kinderbuch „Die Königin der Farben“ im Franziskaner nach. Mit einer gezeichneten, sehr selbstbewussten kleinen Königin war eine Protagonistin auf der Bühne, die so richtig in Farbe schwelgte. In Gmünd waren sie schon einmal bei einem „Ohren auf“-Konzert und haben das Publikum so begeistert, dass sie nun auch zum Festival eingeladen wurden.
Durchaus passend: Die herrliche Live-​Musik mit Alexander Voynov an der Ziehharmonika ist nur die eine Seite des Stückes, die andere ein Wesen, das eigentlich nur als Schatten auf der Leinwand existiert: die kleine Königin. Bei Eva Noell und Paul Oelbrich hat sie eine maskuline Stimme und ist ein zwar quirliges, aber auch kugelrundes Persönchen, das genau weiß, was es will. „Mal mir mal…“ bittet sie die Hofmalerin, ihr eine Welt — natürlich mit Schloss — zu zeichnen. Bis sie feststellt, dass ohne Farbe alles öde ist.
Also wünscht sie sich rot und berauscht sich derart an dieser Farbe, dass die Farbe „mit ihr durchgeht“ – zu viel rot ist also auch nichts. Auch mit dem kalten Blau und dem im Übermaß viel zu heißen Gelb geht es ihr ähnlich. Am Schluss stellt sie fest, dass bunt eigentlich am schönsten ist. All diese Szenen malt Noell mit Pinsel und einem nicht enden wollenden Malblock live auf der Bühne, was sofort zur kleinen Königin, die auf der Leinwand in der Mitte regiert, projiziert wird — technisch relativ einfach, war das Publikum dennoch rundum begeistert über das witzige und spontane Stück, zu dem Voynov die passende Musik zaubert: Feurige Klezmer-​Musik, wenn die kleine Königin reitet oder Bachs Toccata in d-​Moll, als alles plötzlich zu „Matschepampe“ wird.
Erzählerisches Schattentheater dagegen boten „The Shadowmakers“. Mit eher traditionellen Schatten kam Wendy Mortons kalifornische Bühne nach Gmünd; Morton war bislang zwei Mal als Gast beim Festival zu Besuch und brachte nun das erste Mal ein eigenes Stück „The little dragon“ mit.
Es geht um einen kleinen Drachen, der zunächst nicht Feuer speien kann und schließlich der Sonne wieder zu ihrem gelben Licht verhilft.
Besonders beeindruckend war Jay O’Callahan, ein begnadeter Erzähler aus Boston, der seine Geschichte in der Theaterwerkstatt live zu den beeindruckenden Schattensilhouetten erzählte. Sehr interessant war es für die Schulklassen am Vormittag, dass die siebenköpfige Truppe im Anschluss ihre Silhouetten vorführten. Die Kinder konnten sehen, wie eine Träne als Schatten entsteht und wie er sich je nach Abstand von der Lichtquelle vergrößert.
Gestern ging das Festival weiter mit der „Dalang Puppencompany“ aus der Schweiz, die das Stück „Mama = Turm“ spielte. Mit Hilfe der Schattentechnik gelingt es Frauke Jacobi und Frida Leon Beraud ein bedrückendes Thema kindgerecht darzustellen. Die siebenjährige Lilo ist einsam: Die Mama verließ nach einem Streit die Familie und der Papa denkt nur an seine Arbeit und die Zahlen. In ihrer Fantasie glaubt sie die Mama in Afrika, wo sie die tollsten Abenteuer erlebt. Den hilflosen, alleinerziehenden Papa steckt sie in ihrer Fantasie in eine Schuhschachtel. Die Ängste, Ausflüchte und Sehnsüchte des Kindes stellen die beiden Künstlerinnen perfekt durch Schattenbilder dar. Sie agieren als Schauspieler und Puppenspieler, Lilo etwa existiert nur als Puppe mit Augenklappe und Zöpfen, die noch wilder sind als die von Pippi Langstrumpf.
Den winzig kleinen Papa wiederum gibt es nur als Schatten auf einem Nebenschauplatz der Bühne. Alles in allem ein gelungenes Stück Krisenbearbeitung, das mit viel Bewegung die Kinder und Erwachsene eine Stunde lang fesselte.
Heute geht es weiter mit Norbert Götz’ „Theater der Schatten“ und dem Stück „Das Geheimnis der Engel“ in der Theaterwerkstatt und der Bühne „L’asina sull’isola“ mit „Platero und ich“ im Franziskaner.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

2474 Aufrufe
641 Wörter
5304 Tage 16 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 5304 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2009/10/16/cross-over-heist-das-zauberwort-beim-zeitgenossischen-schattentheater/