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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Familientherapeutin Barbara Braun übte Hänsel und Gretel mit Kindern ein, die daheim Handicap-​Geschwister haben

Eines steht fest, nach der zweiten Aufführung von „Hänsel und Gretel“ am Samstagnachmittag, 16 Uhr (Waldorfschule), darf die junge „Hexen“-Darstellerin ihre Nase behalten. Die der Hexe natürlich, die eigens für sie modelliert wurde. Die jungen Darsteller, allesamt Kinder die Geschwister mit Behinderungen haben, studierten über Wochen das Märchen ein.

Freitag, 30. Oktober 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 47 Sekunden Lesedauer

Von Giovanni Deriu
SCHWÄBISCH GMÜND. Schon der erste große Applaus vor rund einem Monat tat der jungen Kinder-​Laien-​Spielgruppe gut. Hatten sie doch, acht Kinder an der Zahl, bewiesen, dass sie mit eigenem Engagement und Einsatz ihrer Persönlichkeit weitere „Wertschätzung“ erfahren von außen, wie die langjährige Erzieherin und Familientherapeutin Barbara Braun ihr Anliegen erzählt. Nicht falsch verstehen, schiebt sie nach, Wertschätzung erführen die Kinder sonst natürlich auch, aber eher dafür, dass sie „immer Rücksicht auf ihre behinderte Geschwister nehmen“, und daheim den Eltern fleißig zur Hand gehen. Für Außenstehende, so Barbara Braun, die selbst eine behinderte Adoptivtochter hat, ist es oft schwer nachvollziehbar, welch Arbeit, Sorgen aber auch „Bedürfnisse“ in Familien mit einem behinderten Geschwisterteil existieren. Die „gesunden“ Kinder müssten oft in „vielerlei Hinsicht“ zurückstecken. Logisch, der behinderte „Schützling“ verlangt die volle Aufmerksamkeit. Und das prägt alle. Die 60-​jährige Therapeutin Braun, ursprünglich aus Berlin, leitet einen Gesprächskreis für Eltern eben dieser „Geschwisterkinder“. In diesem Elternkreis werden die unterschiedlichsten Themen angesprochen, und so kamen die Eltern darauf, wie man die „Ressourcen“ und Wertschätzung der Geschwisterkinder nicht „verkümmern“ lasse. So kam dann die Therapeutin des Schulkindergartens der Lebenshilfe auf die Idee, ein Geschwistermärchen von Geschwisterkindern aufzuführen – „Hänsel und Gretel“ nämlich. Barbara Braun, bodenständig, gibt offen zu, dass nach der ersten Freude und „Euphorie“ auch ein paar Durchhänger folgten. Es musste ja alles organisiert werden. Die Kinder, im Alter zwischen sechs und 13 Jahren, mussten ja auch „abgeholt“ und wieder heim gebracht werden. Das Einzugsgebiet sei schon groß gewesen, auch aus Heuchlingen und Frickenhofen kamen die Jungschauspieler. Irgendwie zogen aber alle an einem „Strang“, die Märchen-​Idee betraf die ganze Familie. Eine Mutter spielt im Märchen die Querflöte. Aber wenn Theater, dann schon richtig, dachten sich die Eltern und Barbara Braun, die nicht sich, sondern die Geschwisterkinder im Mittelpunkt sehen will (Mitarbeiterinnen der Lebenshilfe gaben uns den Hinweis auf Brauns Projekt), also wurde beim gelernten Schauspieler Hellfried Rödelberger angefragt – und Rödelberger zeigte sich von der Idee sehr „angetan“ und sagte zu, die Kinder zu betreuen, und ihnen ein paar Tipps für das Märchenschauspiel zu geben. Der Schweizer Rödelberger (51), ansonsten eher mit großen „Darstellern“ in der Erwachsenenbildung (im Weleda-​Unternehmen) tätig, war dann zusätzlich auch noch für das „schöne Bühnenbild“ verantwortlich, wie Braun erzählt. Für die Hexennase nahm Rödelberger gar einen Gips-​Abdruck bei der Darstellerin. Der gelernte Schauspieler (einst an der Novalis-​Bühne Stuttgart) Rödelberger sah die Zusammenarbeit mit den „ganz besonderen“ Geschwisterkindern schon als „Bereicherung“ in seiner bisherigen Arbeit.
Für die Hexennase einen Ehrenplatz im Kinderzimmer
Aber noch mehr gäbe ihm, wenn er, wie jüngst von Frau Braun ein Feedback erhält. Der Vater des „Vaters in Hänsel und Gretel“ meinte, toll, wie sein Sohn im Märchen aus sich „herausgegangen“ sei. Als sehr „empfindsam“ für Situationen, und auch „liebevoll“ im Achten auf Details, hat Rödelberger die jungen Schauspieler wahrgenommen bei den Proben. Klar sei dem Schauspieler Hellfried Rödelberger immer gewesen, „behandele die Kinder wie Kinder, und nicht wie Erwachsene“. Seine Tipps wie „schlüpft doch in die Hexe einmal hinein“, „spiele nicht als ob…“, sondern „denk’ dich in die Gretel“, kamen sehr gut an – die Kinder beherzigten es. Auch kamen die Kinder dahinter, dass eigentlich nicht unbedingt die Hexe die böse sei, sondern die „Stiefmutter“.
Das Theater als Lernprozess. Bereits die erste Aufführung im „Sterntaler“-Kindergarten kam sehr gut an. Interessant und schön zu beobachten war, so Barbara Braun, dass sich die Kinder nach der ersten Aufführung, als die Eltern schon längst draußen beim Kaffee saßen, nochmals in der Umkleidekabine trafen, bei den Kostümen, und dort wo quasi alles begann. Alle fiebern nun der zweiten Aufführung entgegen. Jedes Kind nimmt seine Erinnerungen mit, vielleicht auch ein Stück aus der Garderobe, und die Hexennase erhält bestimmt einen Ehrenplatz im Kinderzimmer.

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