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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Prof. Andreas Helmke sprach beim „Forum Realschulseminar“ über Lehrerrolle

Mit welchen Problemen plagen sich Lehrer heute in der Schule, wie wirken sie auf die Schüler und wie soll Unterricht nach neuesten Erkenntnissen beobachtet und bewertet werden?

Dienstag, 06. Oktober 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 31 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (wil). Diese Fragestellungen waren die Grundzüge des Vortrags von Prof. Andreas Helmke von der Universität Landau beim diesjährigen „Forum Realschulseminar“. In einem breiten Spektrum zeigte er auf, wo Ansätze zur Verbesserung der Unterrichtsqualität möglich sind und wie Lehrer und Schüler in diesen Prozess einbezogen werden können.
Einen vollbesetzten großen Saal des Prediger und zahlreiche Ehrengäste konnte Seminardirektorin Kristina Schmid beim 17. „Forum Realschulseminar“ begrüßen. Vertreter des Ministeriums und des Regierungspräsidiums, der Schulämter Göppingen und Backnang, Leiter von PH, PFS und GHS-​Seminar, Schuldekane und Rektoren der 71 Ausbildungsschulen des Gmünder Seminars waren der Zugkraft des Referenten gefolgt. Andreas Helmke hat an zahlreichen Forschungsprojekten mitgewirkt, ist Berater deutscher und Schweizer Kultusminister und des vietnamesischen Erziehungsministeriums und hat somit einen weltweiten Vergleich im Bildungssektor.
Rockig eingestimmt von einem Dutzend angehender Musiklehrer unter der Leitung von Eva Schilling stellte Helmke dann auch gleich die Definition von Unterricht in Frage. Unterricht muss heute als ein Angebot gesehen werden, das günstigstenfalls von den Schülern genutzt wird, bei ihnen Lernaktivitäten auslöst und zu Wirkungen führen kann. Er erinnerte an die Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen, die vor allem in der Familie und beim Schüler selbst liegen. In immer wieder eingespielten Video-​Sequenzen führte Helmke den Zuhörern Unterrichtsbeispiele vor Augen, aus Asien, den USA oder der Schweiz. „Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität“ war das Thema seines Vortrags und so musste zunächst definiert werden, was guten Unterricht überhaupt ausmacht.
Inhaltlich sind das Bildungsstandards, die die Lernziele abgelöst haben und die auch Erziehungsziele, Methoden– und Medienkompetenz, soziale Kompetenz und interkulturelles Lernen einschließen. Doch alle Lernprozesse werden von Lehrern initiiert und somit stellt sich für Helmke die Frage nach der Lehrerpersönlichkeit. Neueste Untersuchungen zeigen, dass Fachwissen des Lehrers hier Priorität haben sollte, ein bislang häufig unterschätzter Faktor. „Wichtigste Lernhilfe ist die Begeisterung des Lehrers“, lautet eine von Helmkes Kernthesen. Aber auch weitere Persönlichkeitsmerkmale wie Engagement und Belastbarkeit, Frustrationstoleranz und Geduld, Humor und Bereitschaft zur Selbstreflexion kennzeichnen das Bild des Lehrers.
Neben den Eltern ist der Lehrer für die Kinder die wichtigste Identifikationsfigur, belegen Studien. Doch wie sehen sich Lehrer selbst in ihrer Rolle? Am Beispiel des Sprechanteils im Unterricht zeigte Helmke die deutliche Diskrepanz auf, wie die Selbsteinschätzung von messbaren Fakten abweicht. Aber auch in anderen Bereichen leidet die Lehrerprofessionalität. Der Lehrberuf ist der Spitzenreiter bei beruflichen Belastungen! Niemand ist beruflich mehr gefordert als eine Lehrkraft! Und häufig erleben Lehrer Unterricht als Anhäufung von Misserfolgen und Frustrationen, von Störungen und persönlichen Beleidigungen. Diese negativen Emotionen bewirken (natürlich) impulsive Reaktionen und erschweren professionelles Handeln. Wer bleibt schon ruhig und sachlich, wenn er beim dritten Anlauf wieder unterbrochen wird? Wie lange kann man es wegstecken, wenn man von Schülern verspottet wird?
Aus diesem Grund fordert Helmke auch, den Unterricht mit „neuen Augen“ zu sehen: es sollte nicht mehr gemessen werden, was vermittelt wird, sondern wie leicht oder schwer es ist, überhaupt etwas zu vermitteln. Nicht mehr der Stoff darf im Mittelpunkt des Unterrichts stehen, sondern die Frage nach Erziehungsaufgaben und Klassenführung muss genauso gewichtet werden. Dabei, so beobachtet Helmke, tun sich besonders die Deutschen mit dem „Führen“ einer Klasse schwer, zu negativ sei dieser Begriff besetzt. An vielen Einzelbeispielen erläuterte er Rituale im Unterricht, Beobachtungen beim Umgang miteinander oder wie Schüler aktiviert werden können.
Logischer Weise fordert Helmke auch, bei der Unterrichtsbeobachtung in Teilschritten vorzugehen, die einzelnen Qualitätskategorien getrennt zu beobachten. Für jeden Lehrenden sei eine Standortbestimmung nötig und erfordere einen fremden Blickwinkel. So ermunterte Helmke zur Tandembildung in Schulen und begrüßte die Evaluation als ständiges Prüfkriterium.

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