Drei Familien sollen trotz minderjähriger, in Deutschland geborener Kinder sowie schwerer Krankheit abgeschoben werden
Solche Briefe erhält niemand gern: Zwei Familien aus Gmünd und eine aus Mutlangen wurden schriftlich aufgefordert, die neue Heimat Deutschland zu verlassen; die Ausreise sei möglich und zumutbar. Kinderschutzbund und die Bürgerinitiative gegen Fremdenfeindlichkeit sehen das anders.
Dienstag, 17. November 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
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Meiti Mustafa ist Albanerin; ihr 17-jähriger Sohn Visar besucht die Berufsschule und ist bei der Normannia engagiert. Auch die Mustafas kamen 1993; 2001 kehrten sie zurück, doch glücklich wurden sie nicht. Der 28-jährige Sohn wurde ermordet, sie selbst vom früheren Ehemann massiv bedroht. Seit fünf Jahren ist die Alleinerziehende wieder in Gmünd
Bernd Sattler, Prof. Andreas Benk und Colette Eisenhuth von der Bürgerinitiative gegen Fremdenfeindlichkeit weisen darauf hin, dass etwa 11 500 der insgesamt 35 000 Roma-Flüchtlinge in Deutschland von Abschiebung bedroht sind, seit im April ein „Rückübernahmeabkommen“ unterzeichnet wurde. Wo die Regierung keine Sicherheitsbedenken hat, zeichnen Organisationen wie „Pro Asyl“ von der Lebenssituation der aus Deutschland abgeschobenen Roma, Ashkali und Kosovo-Ägypter ein ganz anderes Bild. Von den ursprünglich 150 000 Roma leben nach den von Vertreibung, Entführung und Mord bestimmten Schreckensjahren nur noch rund 15 000 im Kosovo. Sie sind praktisch zu hundert Prozent arbeitslos; der Gesellschaft für bedrohte Völker zufolge können ihre Menschenrechte etwa in den Bereichen Wohnungs– und Bildungswesen nicht garantiert werden; es mangle an Infrastruktur und an Transportmöglichkeiten für Roma-Kinder, die medizinische Versorgung sei katastrophal. Besonders letztes würde die Familie Bislimi hart treffen. Der als schwerbehindert eingestufte Vater hat keine Möglichkeit, auch nur eines der von ihm benötigten Medikamente selbst zu bezahlen, was er im Kosovo aber müsste. Andreas Benk spricht zudem von der Angst vor Übergriffen, einer „Bedrohungslage“ und latenter Gefahr.
Die Asylanträge der Bislimis, der Mustafas sowie der Mutlanger Familie — die mit drei minderjährigen Kindern ebenfalls seit vielen Jahren hier ist, freilich keine Öffentlichkeit will -, wurden rechtskräftig abgelehnt, sprich, sie alle sind verpflichtet, die Bundesrepublik zu verlassen. Über eilends eingereichte Asylfolgeanträge wurde noch nicht entschieden, abgeschoben werden könnten sie theoretisch trotzdem, oder zumindest diese Anträge sehr schnell abgelehnt.
Die Frist zur freiwilligen Ausreise ist inzwischen verstrichen, und so hat Bernd Sattler schon mehrfach in den für Abschiebungen offenbar gerne gewählten Montagnächten bei den vor Angst außer sich geratenden Familien gewacht. Zumindest eine Sorge kann den Betroffenen genommen werden: „Aktuell stehen keine Abschiebungen an“, erklärte gestern Clemens Homoth-Kuhs, Pressesprecher des Regierungspräsidiums — aktuell bedeute „nicht in diesen Tagen und wohl auch nicht in den nächsten Wochen“. Regierungspräsident Johannes Schmalzl lasse sich die Akten schwieriger Vorgänge persönlich vorlegen, insbesondere, wenn Kinder betroffen seien — zumindest noch bis Jahresende, dann nämlich wird das RP Karlsruhe landesweit entscheiden. Homoth-Kuhs sieht die Problematik der in Deutschland geborenen Bislimi– und Mustafa-Kinder: „Aber wir können das Gesetz nicht aushebeln; so hat’s der Bundestag beschlossen.“ Immerhin wird betroffenen Familien empfohlen, Kontakt zu Uwe Bodmer aufzunehmen, engagierter Vorsitzender des Stuttgarter Kinderschutzbundes; Auch Sylvia Nickerl-Dreizler vom Gmünder Kinderschutzbund fürchtet die „Missachtung elementarer Kinderrechte“; sie spricht von der Verpflichtung des Staates, für das Kindeswohl zu sorgen. Und die Stellungnahme der Bürgerinitiative lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Diese Menschen zurückzuschicken wäre ein Akt der Verantwortungslosigkeit“
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