Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Die nächste Schau des Prediger-​Museums bettet die Leuze-​Ausstellung in einen europäischen Kontext ein

Das Prediger-​Museum präsentiert in seiner nächsten Ausstellung eine Auswahl, die nicht einmal in Frankreich ihresgleichen besitzt: Lithografien und Zeichnungen von Géricault, Delacroix, Daumier und Zeitgenossen. Sie stammen aus dem Besitz eines Frankfurter Sammlers.

Donnerstag, 05. November 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 5 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. „Immer haben wir es mit dem 19. Jahrhundert zu tun“, sagt Museumsleiterin Gabriele Holthuis. Das bezieht sich nicht allein auf ihre Branche, die in jenem Jahrhundert den Bezirk feudaler Wunderkammern hinter sich ließ und zum Stolz des Bürgertums wurde. Unsere heutigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurzeln im 19. Jahrhundert, nicht einmal die Krisenhaftigkeit ist eine neue Erfindung. Alle wahrgewordenen Alpträume des 20. Jahrhunderts haben hier ihren Ursprung. Und vielleicht schreckt einen das Massenhafte, die erdrückende Fülle — im Guten wie im Schlechten — davon ab, sich dem 19. Jahrhundert zu nähern.
Das Predigermuseum knüpft mit dieser neuen Schau an die Ausstellung über Emanuel Leuze und die Düsseldorfer Malerschule an, bettet sie in einen erhellenden Kontext. Wer sie gesehen hat, findet hier die Fortsetzung auf einer europäischen Ebene und vor allem vor dem Horizont des ganzen 19. Jahrhunderts. Zu sehen sind 140 Werke, weit überwiegend Lithografien, aber auch Zeichnungen und Radierungen. Im Mittelpunkt stehen Bilder der drei Hauptmeister der französischen Zeichenkunst: Theodore Géricault (1791 — 1824); Eugène Delacroix (1798 — 1863) und Honoré Daumier (1808 — 1879), welche die technische Novität des Steindruckverfahrens in ein eigenständiges künstlerisches Medium überführten — das vor allem schneller war als bisherige Verfahren und sich aus diesem Grund dafür eignete, aktuelle Ereignisse zu illustrieren. Für die Karikatur, die politische zumal, tat sich damit ein ganz neues Feld auf — vor allem Daumier beackerte dieses, nicht ohne das Risiko einer Gefängnisstrafe einzugehen.
Géricault, der einige Zeit in England lebte, machte in seinen großartigen Pferdedarstellungen nicht zuletzt die Geschwindigkeit selbst zum Thema, wie die Lithografien von Pferderennen zeigen. Doch er brachte auch eine Alltäglichkeit ins Bild, die so zuvor noch nicht zu sehen war, das Beschlagen eines Gauls beim Hufschmied beispielsweise; in seinen Genrebildern ist er ein Reporter und zugleich ein Romantiker. Sein wichtigstes Bild ist „Das Floß der Medusa“ — und hier kommt es zu einem erstaunlichen Bezug: Dessen Komposition liegt Emanuels Leuzes „Washington Crossing“ zugrunde.
Delacroix ließ sich immer wieder von literarischen Themen inspirieren. Die ausgestellten Lithografien zeigen einen Querschnitt aus den Hamlet– und Faust-​Illustrationen, wobei vor allem die letztgenannten einen Gipfelpunkt im graphischen Schaffen des Künstlers darstellen. Honoré Daumier kennt man vor allem als enorm produktiven Karikaturisten, und auf diesem Gebiet wirkte sein Einfluss bis weit ins 20. Jahrhundert nach. Eine sehr konkrete Wiederaufnahme kennt jeder: die Karikatur des „Bürgerkönigs“ Louis Philippe als Birne. Davon zehrten noch 150 Jahre später Zeichner, die nach einer Form für einen Kanzler suchten. Daumiers große Zyklen über die politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse der Epoche haben bis heute wenig an Brisanz verloren, sie sind Zeitdokumente und zugleich eigenständige Kunstwerke. Es gibt vieles zu entdecken in diesen eher kleinformatigen graphischen Werken, die in den drei Räumen des Museums je ein eigenes Kabinett bestücken. Vor dem Auge des Betrachters entfaltet sich hier ein Panorama des 19. Jahrhunderts, das plötzlich ganz nahe scheint.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

1987 Aufrufe
502 Wörter
5257 Tage 16 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 5257 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2009/11/5/die-nachste-schau-des-prediger-museums-bettet-die-leuze-ausstellung-in-einen-europaischen-kontext-ein/