Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Kultur

Durchsichtig und mit edler Klanggestaltung: Ludwig Güttler mit dem Leipziger Bach-​Collegium im Stadtgarten

Der Konzertbesuch war deutlich besser als gewohnt. Kein Wunder, wenn mit Ludwig Güttler eine Institution im Stadtgarten auftritt. Zwar nicht mit seinem Blechbläserensemble, wie die Programmhülle verkündete, sondern mit des Maestros Leipziger Bach-​Collegium.

Freitag, 06. November 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 5 Sekunden Lesedauer

MUSIK (-ry) Mit sechs ebenso markanten Kollegen wurde bis auf eine Ausnahme Barock in sechs hochinteressanten Besetzungs-​Varianten musiziert. Man durfte zu Recht gespannt sein auf diese Vielfalt. Und: das von der Rems– Zeitung präsentierte Konzert wurde ein Abend der Kleinodien, kompositorisch als auch in der absolut hinreißenden Interpretation.
Güttler, der unermüdliche Motor des Wiederaufbaus der Dresdener Frauenkirche, hier als Spiritus rector eines seiner vielen Ensembles, glänzte auf der hohen Barocktrompete oder dem Corno da caccia, dem Jagdhorn. Er und seine Mit-​Musici spielten mit Ausnahme des Cembalos (eines zweimanualigen Nachbaus eines historischen Vorbilds) auf „modernen“ Instrumenten, was der Durchsichtigkeit und edlen Klanggestaltung nicht entgegen stand. Im Gegenteil, wie Helmuth Rilling evident reklamiert, kann Musizieren auf der Höhe unserer Zeit nicht fossil-​museal konserviert sein. Der heutige Mensch hört mit seinen Ohren, historisch gewachsen und den Fortschritt, z. B. des Instrumentenbaus, aufnehmend. Deshalb klang bei den Leipzigern alles frisch, spritzig, musikantisch verinnerlicht und deshalb so souverän differenziert, aber eben nicht als bloße Routine des zum x-​ten Mal gespielten Repertoires, sondern ganz ursprünglich.
Die sieben Programmteile belegten zugleich exemplarisch, wie unerschöpflich die Musik des Barock aus frischen Quellen sprudelt. Da war der Glanz von William Corbett, die Originalität Telemanns, dem so gar nichts von Vielschreiberei anhaftete, wie boshafte Neider beckmesserisch keiften. Wie anders ist erklärbar, dass dessen Finalsatz (Modéré) Smetanas „Moldau“ erahnen ließ?
Die Continuo-​Gruppe
bot ein fundiertes Rückgrat
Vivaldis Concerto g-​Moll mit Doppelgriffen der Violine (Roland Straumer) oder deren rasanten Triolen, dazu ein obligates Cello und eine wunderbar strömende Flöte des Ensemble-​Seniors Karl-​Heinz Passin, den der Rezensent seit Kindestagen in bester Erinnerung hat. Die Continuogruppe mit Michael Pfaender (Violoncello), Hans-​Jürgen Schmidt (Kontrabass) und Friedrich Kircheis am Cembalo, das selbst in konzertanter Aufgabe eher leise vernehmbar war, bot ein fundiertes Rückgrat, virtuos und vollendet synchron. Der Oboer Bernd Schober war der am meisten Beschäftigte, mit tragendem markantem Ton und unendlicher Atemreserve. Ludwig Güttler selbst ist immer noch der perfekte, äußerst sympathische Könner, dem alles gelingt. Halsbrecherische Tempi kommen wie selbstverständlich, und die Klangqualität hat stets höchste Priorität.
Dass neben den genannten Komponisten, auch Vivaldi, ein Anonymus (wahrscheinlich Friedrich II. Lehrer Quantz?) und Gottfried Finger, auch der musikalische Ausblick nicht fehlte, rundete das Programm vollends ab: des alten Johann Sebastians jüngster „englischer“ Bach, Johann Christian, im galanten Stil des Rokoko, mit konzertierendem Cembalo prächtig koloriert. Wie sehr den Musizierenden das Spiel selbst Freude bereitete, konnte man im letzten Werk beobachten, wenn bei Tomaso Albinonis C-​Dur-​Concerto mit allen sieben Künstlern Cellist und Cembalist sich vielsagend zuzwinkerten. Nach derart viel Esprit und folgerichtigem Applaus gab es noch zwei knappe, aber umso quirliger knisternde Zugaben, wahre Kabinettstückchen, vor deren letzter Güttler in sympathischen Edelsächsisch mit dem verschmitzten „Zaunpfahl winkte“: „Nach der nächsten Zugabe wünschen wir Ihnen einen guten Nachhauseweg.“ Das war’s: fulminant vom ersten bis zum letzten Takt.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

2808 Aufrufe
501 Wörter
5275 Tage 7 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 5275 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2009/11/6/durchsichtig-und-mit-edler-klanggestaltung-ludwig-guttler-mit-dem-leipziger-bach-collegium-im-stadtgarten/