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Martin Weyer-​Menkhoff über Hans Baldungs Erschaffung des Menschen und der Tiere sowie Religion und Wissenschaft

Martin Weyer-​Menkhoff sprach über die Schöpfung aus Sicht von Religion und Wissenschaft. Mit dem Baldung-​Gemälde „Die Erschaffung des Menschen und der Tiere“ erklärte er die Sicht aus damaligem Wissensstand und wies auf mögliche Verbindungen von christlichem Bekenntnis und wissenschaftlicher Evolutionstheorie hin.

Donnerstag, 17. Dezember 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

VORTRAG (ww). Weyer-​Menkhoff sprach im Prediger-​Refektorium in einem vom Städtischen Museum veranstalteten Vortrag. Der christliche Entstehungsmythos, so Prof. Dr. Martin Weyer-​Menkhoff, der an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd Theologie lehrt, weise eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem ägyptischen auf. In diesem forme Chnum die Erde und Hathor gebe Leben ein. Im Bild Hans Baldungs, ausgestellt als Leihgabe aus Erfurt im Gmünder Museum, hingegen forme Gott den Menschen aus Marmor, gestalte den Körper nur mit Händen, brauche weder Hammer noch Meißel. Über diesem Vorgang im Vordergrund des Bildes werde die Erschaffung der Frau aus der Rippe des Mannes gezeigt. Weyer-​Menkhoff wies auf die Gesichtszüge von Adam und Eva hin — Adams Ausdruck wirkt eher abweisend, verschlafen, wie unangenehm berührt, während Eva ihre Erschaffung wachen Auges mehr zu genießen scheint. „Hans Baldung Grien schätzte die Frauen“, stellte der Professor fest, „und sieht in ihnen die von Gott gewollte Lebensfreude.“ An diesem Bild besonders bemerkenswert, so der Professor, ist die auf dem Marmorblock abgebildete Libelle, in Tradition und Mythos häufig als Teufelsnadel bezeichnet. Rechts oben im Bild zeige sich als Gegenpart der Hahn — das Zeichen der Erweckung.
Frauen können
nicht beherrscht werden
„Wie weit wird denn“, fragt Weyer-​Menkhoff, „150 Jahre nach Darwin, die Wissenschaft noch ernst genommen?“ Die jüdische Überzeugung von der Erschaffung des Lebens beruhe auf einem Bekenntnis, die Erklärung durch die Evolution auf Wissenschaft. Zwei Dimensionen einer Sache, die wohl zu unterscheiden seien. „Darwin sah in dieser Erkenntnis übrigens keinen Gegensatz zur Kirchenlehre“, stellte er fest. Denn nur die Art und Weise werde dadurch verschieden gesehen, das prinzipielle Rätsel Leben werde nicht angetastet, „denn Gott ist nicht verstehbar.“ Laut Bibel sei die Strafe für die Frau, vom Manne beherrscht zu werden. Weyer-​Menkhoff sieht darin einen unauflöslichen Widerspruch, denn Frauen könnten nicht beherrscht werden, jedenfalls nicht wirklich. In Adam, der sich willig von Eva verführen lasse, vom Baum der Erkenntnis zu naschen, zeige sich der männliche Wille, alles wissen und alles verstehen zu wollen. Daher das Versprechen der Schlange: „Ihr werdet sein wie Gott.“ Wohl Synonym für bewusste Grenzüberschreitungen — ein Zeichen von Misstrauen gegen Gott.
„Darwin machte es möglich, ein intellektuell befriedigter Atheist zu sein“, zitierte Weyer-​Menkhoff Richard Dawkins. Und fügt hinzu, wenn Wissenschaftler meinten, Glaube sei Unsinn, sei das eben ein Kategorienfehler. Der Glaube gebe klar vor, sich von Gott kein Bildnis zu machen, weil Gott nicht zu verstehen sei. Luther weise daher lediglich an, ihn zu fürchten und zu lieben. Das unbedingte Wissenwollen entstehe aber aus fehlendem Vertrauen — und daraus folge natürlich, dass der Glaube keine Sicherheit mehr gebe. In diesem Dilemma sah Weyer-​Menkhoff eine der Ursachen des hysterischen Gebarens christlicher Fundamentalisten. Diese fürchteten, dass Wissenschaft — besonders diese Wissenschaft — den Glauben zerstöre. Daher rührten fanatische Ablehnung und gleichzeitiger Versuch, die biblische Schöpfungsgeschichte als gleichwertig „wissenschaftlich“ zu etablieren. Besonders in den USA sei dies der Fall, aber auch hierzulande gebe es schon derartige Ansätze. „Diese Leute“, so Weyer-​Menkhoff, „haben die Treue zu Gott falsch verstanden.“
Direkte Folgen dieser Einstellung seien die Entstehung des Kreationismus und der Theorie — oder des Glaubens — des „Intelligent Design“. Für Weyer-​Menkhoff eine Frage des Verstehens der Wissenschaftstheorie. Immerhin kam es zu einer Flut von Prozessen in den USA. Zwischen 1968 und 2005 gab es regelmäßig erbittert geführte Verhandlungen, diese „kreativen Schöpfungen“ der Fundamentalisten den Gerichten als wissenschaftlich gleichwertige Erkenntnis zu verkaufen.
„Denn diese Gläubigen sehen überall Gott, daraus resultiert für sie, dass die Bibel der Wissenschaft überlegen ist“, so Weyer-​Mankhoff zur Einstellung der „Kreationisten“. Allerdings habe diese Einstellung der rechten US-​Fundamentalisten die Welt bisher nicht heiler gemacht. Für Weyer-​Menkhoff ist diese Einstellung eine Frage wahrer Bildung, die in den USA lediglich Eliten zugänglich sei. Wirkliche Christen sollten wissen, dass Glaube denkender Glaube sei — und dies sei kein Gegensatz.
Grundlegender Denkfehler des Fundamentalismus sei, das alles nichts sei außer mit Blick auf die Bibel. Der von ihr vorgegebene Rahmen sei als absolut zu verstehen und die Bibel verkörpere daher ein logisches System, das lediglich richtig verstanden werden müsse.
Weyer-​Menkhoff sieht allerdings die Evolutionstheorie als die bisher am besten begründete Theorie, die möglicherweise, wie es jeder Theorie geschehen kann, irgendwann widerlegt würde. Für Christen habe dies allerdings keine Bedeutung, denn Gottes Wort gebe Sinn und Hoffnung in einer sinnlos erscheinenden Welt. „Adam und Eva“, so Weyer-​Menkhoff, „sind Sinnbild vom Ursprung, von Freude und Hoffnung, die Gott wollte.“
In der anschließenden Diskussion meinte ein Zuhörer allerdings, für ihn gebe es kein Sowohl-​als-​auch, sondern nur ein Entweder-​oder.

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