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Nachrichten Ostalb

Konjunkturkommentar von Carl Trinkl, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Ostalb

Deutschland erlebte von Frühjahr 2008 bis Anfang 2009 im Zuge der globalen Wirtschafts– und Finanzkrise einen noch nicht gekannten Einbruch seiner Wirtschaftsleistung. Doch die Beschäftigungszahlen blieben in dieser Zeit nahezu stabil und die Arbeitslosigkeit weiterhin relativ niedrig.

Montag, 28. Dezember 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 25 Sekunden Lesedauer

OSTALBKREIS. Die Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes ist daher bis heute ein wahres Wunder. Viel ist dabei dem Instrument der Kurzarbeit zu verdanken, das von den Unternehmen zum Jahresende 2009 bei über einer Million Arbeitnehmern genutzt wird.
Wirtschaft. Es ist eine viel zitierte Geschichte: Die deutsche Wirtschaft schrumpfte seit dem Frühjahr 2008. Die zunächst leichte Rezession mündete ab Herbst/​Winter 2008 und bis zum Sommer 2009 in einen Kollaps. Was aber nicht allgemein bekannt ist: Das reale Bruttoinlandsprodukt stürzte vom Hochpunkt Anfang 2008 bis zum Tiefpunkt im ersten Quartal 2009 um 6,7 Prozent ab! Seitdem hat es sich um schätzungsweise rund 1,7 Prozent erholt. Das bedeutet, dass in Deutschland derzeit immer noch rund fünf Prozent weniger Güter und Dienstleistungen hergestellt werden als noch vor knapp zwei Jahren. Wie viele Personen braucht man aber nun dafür, diesen klar niedrigeren Output zu produzieren? Grob gesprochen — wenn man alle anderen Stellschrauben unverändert lässt — auch fünf Prozent weniger. Dann sind Produktivitätssteigerungen, die normalerweise pro Jahr gut ein Prozent in der gesamten Volkswirtschaft ausmachen, aber noch nicht berücksichtigt. Die würden den Bedarf an Arbeitskraft nochmals verringern.
Arbeitsmarkt: Die Arbeitsmarktstatistik zeigt jedoch, dass seit dem Frühling 2008 bis heute die Erwerbstätigenzahlen nahezu unverändert geblieben sind. Auch die saisonbereinigte Arbeitslosenquote ist seitdem nur von 7,9 auf 8,1 Prozent zaghaft angestiegen. Wie ist das möglich? Grundsätzlich muss im Falle einer rückläufigen Produktion natürlich nicht sofort auch die Beschäftigtenzahl sinken. Kurzfristig können auch pro Kopf weniger Arbeitsstunden geleistet werden, z. B. über den verstärkten Einsatz von Teilzeitarbeit, den Abbau von Überstunden oder sonstige vorübergehende Arbeitszeitreduzierungen. Hierzu wurden in der aktuellen Krise offensichtlich besonders viele Bündnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf betrieblicher Ebene geschlossen.
Kurzarbeit: Und dann gibt es ja noch das Instrument der Kurzarbeit, das die letzte Bundesregierung als Teil ihrer Konjunkturprogramme spürbar ausgeweitet hat — von sechs Monaten Dauer auf schließlich 24 Monate im Jahr 2009. Dieses Instrument hat den Vorteil, dass die Lasten einer nur temporären Flaute auf mehrere Schultern verteilt werden: auf die der Arbeitnehmer, deren Löhne und Gehälter etwas sinken, auf die des Staates, der einen Teil der Lohnkosten ersetzt, und auf die der Unternehmen, deren Arbeitskosten höher bleiben als kurzfristig gewünscht. Der größte Vorzug der Kurzarbeit ist allerdings: Setzt der Aufschwung wieder ein, kann die Produktion ohne Reibungsverluste wieder hochgefahren werden. Denn es mussten nicht erst massenhaft Entlassungen und danach wieder Einstellungen erfolgen, was sehr kostspielig ist. Auch bleiben so die Fähigkeiten der Arbeitnehmer erhalten.
Jahr der Entscheidung: Wann reißt den Unternehmen aber der Geduldsfaden? Oder halten sie an der Kurzarbeit genau so lange fest, wie es ihnen die Bundesagentur für Arbeit erlaubt — für den Großteil der Betriebe wäre das bis Ende 2010, Anfang 2011? Angesichts der Wachstumsprognosen für Deutschland, die im Schnitt für 2010 derzeit bei 1,5 Prozent liegen und sich für 2011 in ähnlichen Regionen bewegen dürften, könnten sich viele Arbeitgeber auch schon früher für spürbare Einschnitte bei ihren Belegschaften entscheiden.
Denn Wachstumsraten von nur 1,5 Prozent jährlich wären deutlich zu wenig, um mittelfristig wieder auf das alte Produktionsniveau (vom 1. Halbjahr 2008) zurückzukehren. Momentan wird aufgrund der Kurzarbeit im Umfang von umgerechnet rund 400 000 Vollzeitstellen nicht gearbeitet. Diese Stellen stehen mindestens zur Disposition. 2010 wird daher das entscheidende Jahr bei der Frage, ob das Wunder auf dem deutschen Arbeitsmarkt anhält.

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