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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Gedenken an die in Schwäbisch Gmünd im Jahr 1529 hingerichteten Anhänger der Täufer, Enthüllung einer Gedenktafel

Mit einer am Samstag enthüllten Gedenktafel am Schmiedturm möchte die Stadt Schwäbisch Gmünd an die im Jahr 1529 im Remswasen hingerichteten Wiedertäufer erinnern. Von Dietrich Kossien

Montag, 07. Dezember 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Täufer oder auch Wiedertäufer werden die Anhänger einer Bewegung der Reformation genannt, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts in der Schweiz ihren Anfang nahm. Trotz massiver kirchlicher und staatlicher Verfolgung breitete sie sich rasch auch in Süddeutschland aus und entwickelte sich in Europa zu einem Teil der Reformation. Bis zum heutigen Tag findet sich ihr Gedankengut in der Mennonitenkirche und in vielen freikirchlichen Gemeinden wieder. Viele von ihnen wanderten jedoch aufgrund von Verfolgung und Diskriminierung in früherer Zeit auch in fremde Länder aus.
Heute könne man, so stellte es der evangelische Dekan Immanuel Nau zu einer Gedenkveranstaltung am Samstagnachmittag im evangelischen Augustinusgemeindehaus fest, trotz fortbestehender Unterschiede, etwa in der Bewertung der Kindertaufe oder des Verhältnisses von Kirche und Staat, miteinander an die Ereignisse von damals erinnern. So sei das Gedenken gemeinsam mit Vertretern örtlicher Freikirchen und der Mennonitengemeinden vorbereitet worden. Zwei Vorträge führten in das dramatische historische Geschehen ein und stellten die Frage nach der Aktualität und Herausforderung heute. Der erste Vortrag hatte das Thema „Winkelpredigt und Rottierung (=verbotene Zusammenkünfte)“ – Die täuferische Bewegung in Schwäbisch Gmünd 1529 und ihr Ende. Ihn hielt Prof. Dr. Hermann Ehmer, Kirchenoberarchivdirektor i.R. Den zweiten Vortrag „Täufer – Mennoniten – Friedenskirche.
Zur Herausforderung täuferischer Geschichte und Gegenwart“ hielt Diether Götz Lichdi von der Mennonitengemeinde Stuttgart.
Die Täufer forderten eine staatsfreie evangelische Kirche nach dem Vorbild des neuen Testaments und sahen sich als eine Gemeinschaft der Gläubigen, die die Säuglingstaufe ablehnten und nur die tauften, die das aus freien Stücken wollten und somit zu Gläubigen wurden. Auch sehr vielen Bürgern der Freien Reichsstadt Schwäbisch Gmünd waren die Täufer willkommen.
Viele schlossen sich ihrer Lehre an. Doch vor 480 Jahren, am 7. Dezember 1529, wurden nach mehrmonatiger Haft sieben Täufer auf dem Remswasen hingerichtet, nachdem sie durch den Schmiedturm aus der Stadt geführt wurden. Der Große Rat der Freien Reichsstadt Gmünd hatte sie am 4. Dezember 1529 wegen der „irrsal des widertauffs“ zum Tod durch das Schwert verurteilt. Sie hatten sich standhaft geweigert, ihren Glauben abzuschwören. Seinen Widerhall findet dieses Geschehen in Schwäbisch Gmünd in bis heute von den Mennoniten gesungenen Liedern, die damals in Gmünd entstanden. Zwei von ihnen schreibt man den Hingerichteten zu, so „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ und „Mit Freuden will ich singen“.
Die Inhaftierung und später die Verurteilung aber hatte, wie aus dem Vortrag von Professor Ehmer hervorging, bei der Bevölkerung zum Teil so große Proteste ausgelöst, dass die Obrigkeit in der Stadt rund 200 Mann Fußtruppen und 50 Reiter des Schwäbischen Bundes stationierte, der schon 1525 die Erhebung der Bauern niedergeschlagen hatte. Er sollte die Täufergemeinde in Schach halten.
Die verurteilten Täufer wurden auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte durch den Schmiedturm geführt
Die Geschichte der Gmünder Täufer stand lange Zeit nicht im Blickpunkt. Das änderte sich jedoch, als 2008 auf einem Schindacker der Stadt Gebeine gefunden wurde, von denen man vermutete, dass es hingerichtete Täufer waren. Auch wenn sich dies nicht bestätigte, steht auch dieser Teil der Gmünder Geschichte zur weiteren Aufarbeitung an. Dazu sollte auch die Veranstaltung am Samstag dienen, bei der Vertreter der Stadt und der Kirchen eine Gedenktafel am Schmiedturm enthüllten. Durch den waren einst die zum Tode verurteilten Täufer zur Hinrichtungsstätte geführt wurden. Dekan Nau wies dabei auf das geschehene Unrecht hin, dem Täufer in der Schweiz, Mähren, Deutschland und anderen Ländern zum Opfer fielen und von dem sich auch die Lutherische Kirche nicht distanzierte. Nun jedoch bereite der Lutherische Weltbund eine Versöhnungsakte mit den täuferischen Kirchen vor. Und auch die Katholische Kirche sei in den Dialog mit den Täufern getreten.
So sei also mit den Gebeinen auch ein Thema ausgegraben worden, das dazu zwinge, eine scheinbar längst vergangene Geschichte aufzuarbeiten und zu bewerten, um daraus Konsequenzen zu ziehen, wie die, das Unsrige dazu beizutragen, dass Menschen um ihres Glaubens willen nicht verfolgt, benachteiligt oder gar hingerichtet werden. Dem solle auch die enthüllte Tafel dienen. Dekan Nau dankte im Namen der evangelischen und katholischen Kirche allen, die bereit waren, dies am Schmiedturm sichtbar werden zu lassen. Der Sprecher der Mennoniten, Krauß, sprach dann über die Perspektive, von der aus die Mennoniten die damaligen Ereignisse sehen.
Für die Stadt Schwäbisch Gmünd sprach bei der Enthüllung der Erste Bürgermeister Dr. Joachim Bläse, und Münsterpfarrer und stellv. Dekan der katholischen Kirche, Robert Kloker, hielt den liturgischen Teil mit der biblischen Lesung, Gedenken und Gebet.

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