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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Kraftakt auf gesperrter B 29

Ein spannendes Schauspiel war gestern die Demontage und Überführung der historischen Eisenbahnbrücke von der Rems. Sie steht fortan im Bauern– und Technikmuseum in Seifertshofen.

Mittwoch, 29. April 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 36 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (hs). Dipl.-Ing. Sven Recklebe von der Rückbaufirma SER betrachtete gestern – nach ursprünglichen Überlegungen für eine Verschrottung – die eiserne Kastenbrücke ehrfürchtig: Das massive Eisenbauwerk wäre doch viel zu schade gewesen, um von Abbruchmaschinen zerrissen und zernagt zu werden. Sein Unternehmen habe ursprünglich von der Stadtverwaltung den Zuschlag für die Verwertung der „Klepperle-​Brücke“ bekommen. Dann sei Eugen Kiemele vom Bauern– und Technikmuseum mit dem Wunsch auf die Firma SER zugekommen, die historische Eisenbahnüberführung aus der Weststadt für die Nachwelt zu bewahren. Man wurde sich rasch handelseinig. Die Macher des gestrigen Tages waren die Muskelmänner des Spezialtransportunternehmens Paule aus Stuttgart. Geschäftsführer Jochen Paule und ein vielköpfiges Spezialistenteam rückten noch vor Tagesanbruch mit sieben Tiefladern, zahlreichen Begleitfahrzeugen und zwei Schwerlastkränen (jeweils mit einer Hebekraft von 400 und 300 Tonnen) an. Zunächst wurde die Fahrspur der B-​29 aus Richtung Stuttgart gesperrt. Die Schwerlastkräne benötigten mit ihren Stützen sogar mehr als die Fahrbahnbreite, so dass auch Leitplanken demontiert wurden. Auf den Hauptkran wurde eine Gegenlast von 150 Tonnen montiert. Zwar hat die alte Eisenbahnbrücke „nur“ ein geschätztes Gewicht von etwa 60 Tonnen. Die Herausforderung für Hebekraft und Balance war jedoch, dass mit den jeweils 60 Meter langen Kranauslegern sehr weit über Lärmschutzwand, Bäume und Rems ausgeholt werden musste, um die Brücke aus ihren Lagern zu heben, ohne dass diese verkantet oder gar beschädigt wurde. Zur Kraftanstrengung kam also Berechnung, Geschicklichkeit und perfekte Kommunikation über Funk. Die beiden Kranfahrer hatten keinen Sichtkontakt zu Mannschaft und Gerät hinter Wand und Bäumen. Die Zugkraft beider Kräne wurde über eine Dreieckstraverse auf das Hebegeschirr mit seinen armdicken Stahlseilen gleichmäßig übertragen. Punkt 10.30 Uhr tat’s einen sanften Ruck. Die mächtigen Ausleger bogen sich leicht nach unten. Die Klepperle-​Brücke hing am Haken. Fast genau 100 Jahre hatte diese typische Nieten– und Trägerkonstruktion aus jener Industrie– und Bauepoche über der Rems gelegen. Manch einer der Experten vor Ort konnte angesichts dieser Ingenieurs– und Handwerkskunst aus dem Jahre 1909 (Zeit dieses Klepperle Bauabschnitts) nicht so recht verstehen, warum Gmünd direkt am beliebten Remsradweg hieraus kein Eisenbahn– und Technikdenkmal, vielleicht mit einer alten Lok oder Waggon obenauf, gemacht hatte. Per 35 Meter langem Lastzug ging’s um 20.30 Uhr „zum Städtele hinaus“.

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