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Mit nimmermüdem Wissensdurst

Vor vielen Jahren stieß der Gmünder Unternehmer, Natur– und Heimatforscher Werner K. Mayer im Rahmen seiner geologischen Forschungen erstmals auf einen vergessenen Bruder im Geiste. Er wollte mehr wissen. Daraus ist eine bemerkenswerte Arbeit geworden, die nun die verdiente Anerkennung erfährt.

Samstag, 16. Mai 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Als Mayer erfuhr, dass der Begründer der mineralogischen Klostersammlung in Maria Laach ein Bartholomäer war, auf der Rauen Alb geboren, wurde er neugierig. Ein Glück. Denn als er begann, sich die Lebensgeschichte Theodor Wolfs zu erarbeiten, kostete das zwar Zeit und Kraft, vor allem aber stieß er auf den Stoff, aus dem gute Geschichten nun mal gemacht sind: Abenteuer in der Ferne gibt es in Wolfs Geschichte ebenso wie die Liebe zur Heimat, neben Enttäuschungen und Niederlagen finden sich Erfolge und sehr viel Bereicherndes. Der 1841 in Bartholomä geborene Franz Theodor Wolf ist im Schwäbischen nahezu unbekannt. In Ecuador aber, wo er lange Jahre tätig war, genießt er noch heute großes Ansehen. Eine Galapagos-​Insel trägt ebenso seinen Namen wie die höchste vulkanische Erhebung der größten Insel des Galapagos-​Archipels. Zu seinen Ehren ist zudem ein Gletscher am höchsten ecuadorianischen Anden-​Berg, dem Chimborazo, benannt. Nach Alexander von Humboldt gilt Wolf als Erforscher Ecuadors schlechthin; seinen ausgezeichneten Ruf dort begründete er als Professor der Naturwissenschaften in Quito, später als Staatsgeologe des Landes. „Seine bewegte Lebensgeschichte ist es wert, diesen Werdegang in einer spannungsgeladenen Zeit nachzuvollziehen“, ist Werner K. Mayer überzeugt; mit seiner Arbeit tritt er den Beweis an.
Zunächst führt Mayer seine Leser ins 19. Jahrhundert. Rau und windig war es auf dem Albuch, Frühlings-​, ja sogar Sommerfröste kamen häufig vor. Plötzliche Hochwasser verursachten enorme Schäden; regnete es längere Zeit nicht, musste das Wasser mühsam von der Heubacher Steige herbeigeschafft werden. Und weil nicht nur Trink-​, sondern auch Löschwasser knapp war, machten Brände den Bartholomäern zusätzlich zu schaffen – 1845 wurden 10, 1849 sogar 30 Häuser durch das Feuer zerstört. So ganz nebenbei ist hier übrigens ein kleines Heimatbuch entstanden, geht der Autor doch auf alle Aspekte ein, die Bartholomä zu dem gemacht haben, was es heute ist.
Als drittes von sieben Kindern kam am 13. Februar 1841 im Schulhaus Franz Theodor zur Welt. Der Vater, der selbst ein großer Naturfreund war, weckte und förderte in ihm die Liebe zur Natur; jene „leidenschaftliche und unbezwingliche Neigung zu den Naturwissenschaften, die mich mein ganzes Leben hindurch beherrschte“. Von der Mutter soll der spätere Naturforscher den frommen Sinn geerbt haben; sie wünschte sich, dass der begabte Sohn „auch geistlich studieren“, also Pfarrer werden sollte.
Vieles, was Wolf später wissenschaftlich erkundete, gab es an seinem Heimatort – eine vielgestaltige Fauna und Flora, nachdenkenswerte erdgeschichtliche Erscheinungen. Ausführlich widmet sich Werner K. Mayer all den Besonderheiten des Albuchs – wer, wenn nicht er kann nachvollziehen, dass den Buben Franz Theodor damals „von früh an die Liebe zur Natur packte und nie wieder aus seinem Bann ließ“. Unter vielem anderen wird der kleine Weißjura-​Steinbruch des Ortes, die große Heide mit der Lehmgrube und das Wental mit seinen bizarren Kalk– und Dolomitfelsen vorgestellt, oder auch die Wollgräser und Trollblumen, die Knöteriche und der Sonnentau der anmoorigen Wiesen bei Rötenbach. Untrennbar verbunden ist diese Biografie natürlich auch mit der Geschichte der Naturwissenschaft, denn von Darwins Erkenntnissen bis hin zu Arbeiten über die Schichtenfolge des schwäbischen Juras und zum zum 1867 veröffentlichten Steinheimer Schneckenstammbaum und gab es so viel Neues, einen wissbegierigen Geist zu fesseln. Dabei geht es Mayer nicht nur um Faszination: Mit gutem Grund erfährt all das so viel Aufmerksamkeit: Mit einem Aufsatz über Orchideen wies Wolf bei den Jesuiten seine naturkundlichen Kenntnisse nach, über die Gattung Potentilla (Fingerkraut) schrieb er im Herbst seines Lebens eine weit beachtete wissenschaftliche Monographie, von Gesteinen und Mineralien legte er mehrfach beachtenswerte systematische Sammlungen an und vulkanische Erscheinungen gehörten zu einem seiner wesentlichen Arbeitsbereiche in Südamerika. Und nicht zuletzt plante er als Generaldirektor in Guayaquil die Gas– und Wasserversorgung einer heutigen Millionenstadt. Es war die Naturkunde, die Franz Theodor Wolf später berühmt machen sollte.
Zunächst, mit 13 Jahren, ging’s freilich in die vierte Klasse der Lateinschule in Gmünd. Dass er später in den Jesuitenorden eintrat, mag auch daran liegen, dass er in der Bibliothek seines Vaters ein Buch über „Die Jesuiten in Paraguay“ gefunden hatte, das ihn völlig gefangen nahm: Heidenmission, die Herrlichkeit der Tropenwelt, das Erziehungssystem der Jesuiten und ihre kolonisatorischen Erfolge – wunderbar. 1857 wurde Theodor bei den Jesuiten in Gorheim bei Sigmaringen als Novize eingekleidet. Hier konnte er neben dem Unterricht in den klassischen Sprachen auch seine naturkundlichen Liebhabereien pflegen. Von Herbst 1861 an studierte er in Aachen. Die wissenschaftlich-​theologische Ausbildung bei den Jesuiten galt als außerordentlich gründlich und langwierig; sie umfasste nach zwei bis drei Jahren humanistischer auch drei Jahre philosophischer Studien.
So wie er sich dem Heimatdorf gewidmet hat, stellt Werner K. Mayer auch die anderen Schauplätze seiner „Geschichte“ vor, ganz gleich, ob es sich um ein Kloster handelt oder um einen lateinamerikanischen Staat, der den jungen Wissenschaftler und Theologiestudenten an seine Universität berufen hatte. Die Weggefährten werden portraitiert, der „alte Nöggerath“ etwa, oder Gerhard vom Rath. Und natürlich beschreibt er auch den Vulkanismus in der Eifel, will er doch schlüssig aufzeigen, wie es zum Aufbau der Laacher Klostersammlung kam, bzw. welche Bedeutung dieser zukam und kommt. Und wie könnte ein solches Leben gewürdigt werden, ohne die Theologie in der Auseinandersetzung mit dem Liberalismus zu beleuchten — dass Wolf die von Darwin und anderen Naturwissenschaftlern angeführten Fakten und Interpretationen immer weniger mit dem traditionellen Lehrsystem der Philosophie und Theologie vereinbaren konnte, führte schließlich 1875 zu seinem Ausscheiden aus Orden und Kirche“.
Werner K. Mayer schreibt als Geograph: Alles was die Welt — und ein Menschenleben – prägt und verändert ist von Interesse. Den größten Raum dieser Arbeit nimmt die Zeit in Ecuador und auf den Galapagos-​Inseln ein, die aufgrund der Reputation Wolfs dort sehr gut dokumentiert ist. Hier eine wundersame Heilung von schwerer Krankheit, dort eine Liebeserklärung ans Bergsteigen: Welch ein Abenteuer. Welch ein Lebenslauf. Der jetzt zudem auch im Schwäbischen endlich Beachtung findet.

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