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In vier Wochen wurde der Ofen des Wißgoldinger Backhäusle ausgebaut und saniert

Seit Menschengedenken wird im Backhäusle Brot und „Blatz“ gebacken. Daran soll sich auch nichts ändern.

Donnerstag, 28. Mai 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
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WADLDSTETTEN-​WISSGOLDINGEN (bt). Blatz ist ein süßes Hefegebäck mit Sauerrahm und Äpfeln oder Zwetschgen, manchmal auch rezenter Leckerbissen mit Zwiebeln. Karl und Anne Schwarzkopf, Irmgard Schmid und Robert Kübler bilden eine Backgemeinschaft, und wenn sie alle drei Wochen ihre Brote in den Ofen schieben, ist meist noch Platz und Zeit für einen Schwung der Wißgoldinger Spezialität – da halten sie’s wie die Eltern und die Generation der Groß– und der Urgroßeltern. Für viele war es einst unvorstellbar, irgendwann selbst im Backhäusle zu schuften andere wollten’s eigentlich mit dem Tod des Ehepartners aufgeben: Und nun stehen sie doch in der Gluthitze und warten, bis ihre Brote richtig riechen und aussehen. So etwas gibt man nicht einfach auf, wer weiß zudem, ob’s nicht irgendwann mal wieder überlebenswichtig sein könnte. Ortsvorsteherin Ingrid Banzhaf hat herausgefunden, dass das zentrale Backhäusle vor über 150 Jahren für 384 Gulden aus zwei Gründen gebaut wurde: Brandgefahr und Holzverbrauch sollten reduziert werden. Noch immer ist das gemeinsame Backen aus dem Wißgoldinger Jahreslauf nicht wegzudenken: Ganz gleich ob Elisabeth Maile für den katholischen Kirchenchor das Fladenfest organisiert, ob zum Feuerwehrfest am 1. Mai, zum Museumshock oder zur Benefizveranstaltung zu Gunsten leukämiekranker Kinder geladen wird – ohne die Backgemeinschaft geht gar nichts, und das selbst gemachte Brot ist meist ruckzuck ausverkauft; Ingrid Banzhaf hat mal einen halben eingefrorenen Laib weiter gegeben, als Wanderer, die eigens des Brotes wegen zum Weihnachtsmarkt gekommen waren, enttäuscht wieder abziehen wollten. Der neu sanierte Ofen kostetet nur 13 500 Euro, nachdem die Wißgoldinger wie immer mit angepackt haben; weil im Haushalt 25 0000 Euro eingestellt waren, reicht es jetzt auch noch für neue Holzfenster– und –türen, außerdem für einen Gebäudeanstrich, der sich an der Farbe des ebenfalls jüngst sanierten Bezirksamtes orientieren wird. Damit werden künftig alle öffentlichen Gebäude in der Ortsmitte – samt Viehwaage und Schlachthäusle – Wißgoldingen zur Ehre gereichen und zu den stets hervorragenden Platzierungen im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ beitragen; auch das sehr schön hergerichtete Schulgebäude sichert nicht nur den Schulstandort, sondern schmückt den Ort. Ein Backhäusle zu richten ist Freiwilligkeitsleistung; für Bürgermeister Michael Rembold war es allerdings gar keine Frage, dass hier investiert werden sollte: Alte Traditionen seien wichtig für einen Ort. Dass das Bezirksamt ein Bürgerzentrum ist und dass auch die Grundversorgung gesichert wurde, sei Ausdruck einer lebendigen, funktionierenden Gemeinschaft.
Der neue Ofen muss ganz behutsam auf seine Aufgaben eingestimmt werden, dann wird es wieder sein wie immer. Nur dass es seit langem schon keine Backofenaufseherin mehr gibt. Die letzte in diesem Amt war „Kathre“ Steinl, die Winterbäurin, die streng darauf achtete, dass der Backplan eingehalten und von morgens 5 bis abends 22 Uhr gebacken wurde. Heute nehmen sie auch ohne Aufsicht Rücksicht. Und weil noch immer ohne Thermometer gebacken wird, entscheidet wie eh und je das fast nie versagende „Bauchgefühl“ über Hitze und Backdauer.

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