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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Die Schwester des Kannen-​Wirts hat einst für die Rems-​Zeitung zeitlose Verse geschrieben

Maria Wohlwend-​Kolb hat ein Gedicht zum Gmünder Knälle geschrieben, das die Idee und den Geist dieses Festes trifft wie kaum ein zweites. Bemerkenswert: Veröffentlicht wurde es bereits 1949; der Jahrgang, dem sie ihre Verse widmete, wurde vor 100 Jahren geboren.

Samstag, 13. Juni 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 26 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Wenn’s Reiner Wieland und sein Schriftgutarchiv nicht gäbe, wie viel ärmer wäre die gesamte Region, wie viele Geschichten gingen verloren! Wieland hat die Gedichte Maria Wohlwend-​Kolbs ausgegraben, die in der Stadt als „s’Kolba-Mariele“ bekannt war, und vielen in Erinnerung geblieben ist.
Das Mariele kam aus der „Kanne“, also aus dem alten Gmünder Gasthaus in der Rinderbacher Gasse 7, zu dem die Rems-​Zeitung immer schon eine besondere Beziehung hatte: Hier wurde sie in den Jahren vor 1865 gedruckt.
Wer mehr wissen will über die Kanne und die Familie Kolb, findet selbstverständlich auch Theo Zaneks „Alte Gmünder Gasthausherrlichkeit“ im Schriftgutarchiv Ostwürttemberg. 1865 wurde das Haus in eine Bäckerei umgewandelt, die vermutlich bereits eine Schankgenehmigung hatte; fest steht, dass sich 1873 ein Bierbrauer einkaufte und zehn Jahre später die Wirtschaft „Zur Kanne“ entstand. Ein Vorteil, über das älteste und besterhaltenste Zeitungsarchiv des Landes zu verfügen: Fast alles lässt sich nachlesen. Etwa, dass sich die „Kanne“ bereits zum Kirchweihfest 1883 mit Gansvierteln und Stuttgarter Bier empfahl.
Vor dem ersten Weltkrieg erwarb der gelernte Metzger Adolf Kolb die zu diesem Zeitpunkt buchstäblich heruntergewirtschaftete „Kanne“ für 50 500 Goldmark; nachdem er wohlbehalten aus dem Krieg heimgekehrt war, eröffnete er 1920 seine eigene Metzgerei – über die Theo Zanek so manche Anekdote gefunden hat. Sohn Willi Kolb musste als Bub in den schweren Jahren Anfang der 30er mit Wurstwaren in den umliegenden Gemeinden hausieren gehen, um die Familie durchbringen zu können. Als Willy Kolb 1948 aus der französischen Kriegsgefangenschaft heimkehrte, brachte er Verletzungen mit, an denen er sein Leben lang leiden sollte. Aber wenigstens hatte er überlebt — seine Schwester war überglücklich. In dieser Zeit entstand ihr 40er-​Gedicht. Im Oktober 1949 übernahm Willi Kolb, gelernter Konditor, die Gaststätte seiner Eltern, baute sie zum Restaurant-​Café um und machte sie zur Gmünder Institution. 1961, als ihm die alten Verletzungen immer mehr zu schaffen machten, verpachtete die Familie die „Kanne“, blieb ihr aber zeitlebens verbunden. Willi Kolb und seine Schwester Marie leben nicht mehr, älteren Gmündern sind die beiden freilich in guter Erinnerung. Auch weil „s’Mariele“ so viele Gedichte geschrieben hat

„Zum 40er Fest“

Jetzt höret au, Trompeta-​Schall
klengt en de Gassa auf,
über de Häuser tuet’s en Knall
ond älles rennt ond lauft!

Ha, sehnt er’s net, dr 40ger Zug
kommt scho da Marktplatz rauf,
do rennet d’Leut ond gucket au,
zun älle Fenschter naus!

Mit Bloema g’schmückt, a Kenderschar
die führt da Feschtzug a,
es folgt so manches 40ger Paar
dr Vorstand, Ausschuß no.

No d’Weiber, die send voll ond ganz
en Feschtags-​Stemmong heut,
ond d’Männer send en Wichs ond Glanz
wie’s ihr Zylender beut.

Und wie vom Kirchturm gar ertönt,
des „B’hüet de Gott Aloiiis“
do grenzet d’Menner, Weib ond Kend,
als gings ens Paradies.

Ens Münschter got’s zur Feierstond,
spät mittags no zum Ball,
des isch dr Brauch ond g’hört drzua
wie’s Blosa ond dr Knall!

Dr Schwob wird halt mit 40 g’scheit,
do macht em s’feschta Spaß,
ond s’bleibt a Narr sei Lebenszeit
wer do da Knall verpaßt!“

M.Wohlwend-Kolb

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