111 Jahre Canisius-​Haus wurden gefeiert

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Gewiss keine landläufige Jubiläumszahl, aber nicht ohne Bedeutung, die 111. Vor allem, wenn ein solcher Weg dahinter steht wie der von St. Canisius: von der Kommunikantenanstalt zur modernen Kinder– und Jugendhilfeeinrichtung. Heute ein Herzstück der sozialen Infrastruktur des Ostalbkreises

Mittwoch, 17. Juni 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
132 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (rw). Gelegenheit zur Rückschau und zum Ausblick gab es gestern Abend genug, auch zum Danke sagen. Zwei Ehemalige berichteten über ihre Zeit in St. Canisius in den 60er– und 70er-​Jahren, die Band „Jail Mail“ aus der JVA Gotteszell sang, unterstützt vom Chor Charisma und den Canisius-.Musikern; Kinder führten eine Spielszene auf. Und hinterher, nach allen Reden im Baldung-​Saal, traf man sich zum Feiern im Foyer des Stadtgartens.
Canisius-​Geschäftsführer Hans-​Dieter Beller begrüßte die zahlreichen Gäste, Landrat Klaus Pavel begann den Reigen der Grußworte. Er streifte kurz die wechselvolle, an Brüchen und Schwierigkeiten nicht arme Geschichte des Canisiushauses, das eng mit der Geschichte der Franziskanerinnen der ewigen Anbetung verwoben ist. Der Stellenwert des Canisiushauses gehe über seine architektonische Größe hinaus: „Es ist ein Herzstück der sozialen Infrastruktur des Ostalbkreises“, die Keimzelle der gemeinnützigen Gesellschaft und der Franz-​von-​Assisi-​Gesellschaft. Bildung, Erziehung, Förderung — der Canisius-​Baum besitze viele Ableger und Äste. Kinder, Jugendliche und Erwachsene fänden hier Halt und Unterstützung. Hier werde mit christlichem Engagement Kindern der Weg bereitet, „die sonst schlechte Perspektiven gehabt hätten oder verloren gegangen wären.“ Von der Weise, wie hier Bildung, Erziehung und Leben zusammengebracht würden, profitierten nicht nur Tausende von Kindern, sondern die ganze Gesellschaft: „Bestens angelegtes Humankapital“, erinnerte der Landrat an die 18 Mio. Euro des Jugendhilfe-​Etats des Ostalbkreises. 5000 zusätzliche Euro brachte Klaus Pavel mit. Der stellvertretende Dekan Robert Kloker erinnerte in seinen Glückwünschen an das Wort von Vinzenz von Paul: „Nicht etwas von anderen erwarten, sondern den anderen wollen.“ Dank und Anerkennung gelte den Schwestern für ihre „Leidenschaft für den konkreten Menschen“. OB Wolfgang Leidig berichtete gewissermaßen aus erster Hand — wohnte er doch fünf Jahre lang im fünften Stock von St. Canisius: „Mutter– und Vaterersatz, Vorbild, Werte vermitteln, Geborgenheit, Halt, Orientierung geben, gemeinsames Feiern, in Niederlagen beistehen, Trost spenden, Jugendliche wieder aufbauen“, so umriss er das tägliche Geschehen dort.
In seinem Festvortrag ging Roland Kaiser, Leiter des Landesjugendamtes, auf die Entwicklung des Canisiushauses. Er erinnerte nicht zuletzt an die massive Heimkritik, die zu einem Professionalisierungsschub und zum Ende der Anstaltserziehung mit ihrer exzessiven Disziplinierung führte. Durch ein heute breit gefächertes Angebot sei es dem Canisius-​Haus gelungen, Antworten auf die unterschiedlichen Anforderungen der Zeit zu finden. Heute, mit 300 Plätzen, sei St. Canisius eine innovative Einrichtung der Kinder– und Jugendhilfe in Baden-​Württemberg — und einer der Wurzeln der Jugendhilfe im Land. Uwe Beck und Silvia Hering sprachen über ihre Jahre in St. Canisius, bewegend, aber auch anekdotisch: „Für mich war’s die einzige Möglichkeit, ohne Eltern nicht Schiffbruch zu erleiden“, so Uwe Beck. Silvia Hering: „Die Schwestern haben es uns nie spüren lassen, dass wir ganz arme Schlucker waren.“ Die Generaloberin der Klostergemeinschaft der Franziskanerinnen der ewigen Anbetung, Schwester Regina Waibel, fügte ihrem Dank nachdenkliche Worte an: „Fast 75 Jahre waren wir verantwortlich. Nicht alles war gut, vieles sind wir schuldig geblieben. Wir bitten an dieser Stelle um Vergebung.“ Die Schwestern wünschten, dass St. Canisius weiter Kraft und Orientierung schöpfe aus den franziskanischen Wurzeln.