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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Willy Köble über die Dreifaltigkeitskapelle

In Grün gebettet, versteckt am Stadtrand Gmünds, ein bescheidenes kleines Andachtshaus: die Dreifaltigkeitskapelle. Bedeutungslos. Eben eine von vielen. Wirklich eine von vielen? Von Willy Köble †

Donnerstag, 04. Juni 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 52 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Nimmt man sich ein wenig Zeit, lässt man sich auf sie ein, so vermag einen diese kleine Kapelle durchaus in ihren Bann zu ziehen und sie zeigt ihren Charme, ihre ganz besondere Ausstrahlung.
Sie hat Geschichte. Natürlich hat sie das! Wurde sie doch 1693 erstellt, und dreihundert Jahre hinterlassen Spuren. Aber sie ist auch von jenem Fluidum umgeben, das Stätten der Verehrung häufig anhaftet: mit verschwommenen Grenzen zwischen Glaube und Aberglaube. Eine Legende blieb uns auf Inschriften in Chroniken und Überlieferungen, leicht variiert wiedergegeben, erhalten: Packte da doch einen Gmünder trotz dringender Ermahnung seiner Ehefrau ausgerechnet am Dreifaltigkeitsfest die Jagdleidenschaft. Er durchstreifte die Gegend und schoss, verärgert über seinen Jagdmisserfolg, in die Luft. Und siehe: Ein Vogel ward getroffen. Und mit ihm flatterte ein Rosenkranz zu Boden. Also wurde gesühnt und an der Stelle der wundersamen Begebenheit zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit eine Kapelle erstellt.
Dieses Kapellchen, durch die Jahrhunderte von Natur und Mensch „geknetet“ – es sah Wohlstand und Not, Unwetter ließen eine Linde das Dach eindrücken -, strahlt heute adrett herausgeputzt wie im Sonntagsgewand und gibt sowohl dem Gläubigen als auch dem Interessierten eine Chance. Dem Religiösen bietet sie das Klima, die Atmosphäre zur Besinnung, zu innigem Gebet, auch den Nährboden, der echten Glauben befruchtet und damit durchaus auch Legenden wuchern lässt. Den Kultur– und Lokalgeschichtsinteressierten mag sie anregen, ihren Werdegang an erhaltenen Zeugnissen nachzuvollziehen und in Bezug zur Geschichte zu bringen.
Unaufdringlich einladend gestaltet: die Außenanlage. Ansprechend das Äußere überhaupt: die golden Lothringer Kreuze, der neue Putz, das später angebrachte stolze Debler-​Wappen; die Fenster, die verraten, dass sie nicht immer so waren; und dann, wie ein Blickfang, am Türsturz die Jahreszahl 1759, wohl Datum einer Renovierung. Man öffnet die schwere neugotische Eichentür (die sogar Professor Dr. Hermann Kissling für wert empfand, sie in seinen reizvollen Bildband „Türen in Schwäbisch Gmünd“ aufzunehmen), tritt ein und steht in einem schlichten und doch heimeligen Raum, meist blumengeschmückt, liebevoll zurechtgerichtet. Der steingehauene, ehrwürdig-​alte Weihwasserkessel hängt – fast möchte man sagen, „kindgerecht“-tief. Da steht eine Etagere, mit symbolträchtigen Ornamenten verziert. Wenige Gebetsstühle laden zum Meditieren, zum Beten ein. Ein über 140 Jahre altes schwarzes Schmiedegitter mit lustig gedrehten goldenen Kronspitzen trennt das Publikum vom Altarraum. Das Kernstück, der Altar: Säulen, Gesimsbogen umrahmen das Tafelbild mit der Heiligen Dreifaltigkeit auf der von Putten umspielten Weltkugel. Dann auch das Geschehen der Entstehungssage, der erwähnte Schütze, die Legende dazu und darunter, von späterer Hand mit lockerem Pinselstrich sichtbar ergänzt, eine Landschaft mit der Kapelle.
Der sonstige Schmuck, angenehm sparsam: Den Altar flankieren zwei barocke, farbig gefasste Halbfiguren, mit Auge und Hand auf das Geschehen am Altar verweisend. Ein uralter Opferstock, ein beeindruckendes Kruzifix aus altem Debler-​Familienbesitz, aber auch ein kreuzgesticktes Bildtäfelchen an der Wand. Dann müssen noch zwei Schnitzfiguren erwähnt werden, die etwas liebenswert Naives ausstrahlen: Der Gottvater auf einer an Gehirnmasse erinnernden Wolke mit von zu kurzem Arm getragenem, heute nur noch unvollständigem, etwas unrund geratenem Reichsapfel. Ein Großvater, also ein Alter, ein Glatzköpfiger. Aber eben Gott, also nicht ganz so schmucklos, also mit einem charmanten Haarwuschel über der Stirn. Dieser Gottvater schaut – bewirkt durch Augenstellung und Stirnfalten – besorgt, sogar sehr besorgt drein. Und über dem Altarretabel ein Barock-​Engelköpfchen auf Goldflügelchen. Ein Engelkopf mit neckischer Stirnlocke, Hängebäckchen und vielen Doppelkinnen.
Ist’s Unvermögen des Künstlers, Zufall also, oder dem sogenannten Bauernbarock kaum zuzutrauendes Können? Manchem jedenfalls zwinkert dieser Putto unverschämt zu.
Möchten Sie sich nicht auch mal zuzwinkern lassen? Ein Kapellchen wie viele also? Nicht doch! Als Schwabe ist man versucht zu sagen: eine „hälingen“ schöne Kapelle. Und lässt sich dieses „hälingen“ schon kaum schreiben, wie viel weniger übersetzen! Heimlich, verhalten, leise könnte es heißen. Kenner wissen darum, und Kenner wiederum schätzen auch eine so verborgen schöne Kapelle.
Nun, neugierig geworden, mag das in der Nähe gefundene Pest– und Sühnekreuz hinter der Kapelle Antrieb zu Mutmaßungen sein oder das an der Kapellenaußenwand angebrachte Debler-​Wappen den Weg zur allernächsten Umgebung, zur interessanten Geschichte des 3,5 Hektar großen Deblerschen Stiftsguts weisen.

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