Scheffold-​Lehrer Franz Merkle hatte MdB Christian Lange als Gesprächspartner für seine Schüler eingeladen

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

„Ich hätte nicht gedacht, dass ein Politiker so locker drauf sein kann, so lustig und so offen ist“, so brachte es Nadine, stellvertretend für viele Schülerinnen und Schüler der Klassen 9c und 9d am Scheffold-​Gymnasium auf den Punkt. Von Franz Merkle

Samstag, 06. Juni 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
149 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Gemeinschaftskundelehrer Franz Merkle hatte den Schwäbisch Gmünder Bundestagsabgeordneten Christian Lange eingeladen, um den Schülern Politik aus erster Hand zu vermitteln. Nach den Anmerkungen zu seiner Person, seinem beruflichen und politischen Werdegang kam Lange zur Sache: ein Feuerwerk an Politik aus der Sicht eines langjährigen Abgeordneten.
Der Bundestag sei in seiner Zusammensetzung geprägt durch Männer und Frauen aus dem öffentlichen Dienst. Lange: „Wer nicht mehr gewählt wird, der kehrt auf seinen Beamtenposten zurück. In die Privatwirtschaft zurückzukehren, ist nicht so einfach.“ Zudem verdiene ein führender Wirtschaftsmann erheblich mehr als ein Beamter, mithin sei der Wechsel in den Bundestag oft nicht lukrativ. Die Arbeitslosigkeit unter den nicht mehr gewählten Abgeordneten aus der Privatwirtschaft sei sehr hoch. Seine Aufgabe als parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-​Bundestagsfraktion sei die eines „Disziplin– und Stimmführers“.
Die Hälfte des Jahres stehe die Arbeit in Berlin im Mittelpunkt, die andere Hälfte für Wahlkreis– und über den Wahlkreis hinausreichende politische Arbeit. Nach vielen weiteren präzise vorgetragenen Informationen zur Arbeit eines Abgeordneten prasselten jede Menge Fragen auf den Abgeordneten ein:
Wie er zur SPD gekommen sei? Das sei im Zusammenhang mit dem Koalitionswechsel der FDP zur CDU 1982 zu sehen. Helmut Schmid musste abtreten, Kohl wurde Kanzler. „Nicht nur ich stellte mir die Frage: wenn Demokratie Herrschaft des Volkes bedeutet, dann müssen Wahlen stattfinden; auch wenn eine Koalition wechselt. Ich empfand es als undemokratisch, einfach den Partner zu wechseln und weiter zu regieren, als wäre nichts gewesen.“
Was ihn an der SPD angezogen habe? Das sei deren Auffassung, dass Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein dürfe. Die SPD sei im übrigen aus Arbeiterbildungsvereinen entstanden. „Sind Sie auch mit Kollegen aus anderen Parteien befreundet?“ wollte eine Schülerin wissen. Mit vielen aus allen Parteien, außer der Linkspartei. Man kenne sich von früh an aus der politischen Arbeit. „Man darf“, so Lange, „nicht vergessen, dass das Leben, auch das politische, nicht aus Schwarz/​Weiß besteht.“
Auf die Besonderheiten einer Großen Koalition angesprochen meinte Lange: „Koalition heißt nicht CDU-​pur oder SPD-​pur, sondern Kompromiss. Bei gleich starken Partnern bedeute das für beide eine neue Politik.“
Voraussetzung für eine glaubwürdige Politik sei, die Menschen „mitzunehmen“. Und: „Was man sagt, das sollte man auch tun.“ Ob er noch etwas anstrebe? Nein, er sei schon in der ersten Reihe der SPD-​Fraktion gelandet und ganz zufrieden. „Im übrigen kann man politische Karrieren nicht planen. Sie sind immer von Wahlen abhängig. Die Karten werden immer wieder neu gemischt.“
„Warum macht Ihnen Politik Spaß?“ „Ich kann meine Schwerpunkte selbst aussuchen. Das kann man in ganz wenig Berufen. Und dann komme ich mit ganz vielen verschiedenen Menschen zusammen und bin dadurch so gut informiert wie wohl sonst niemand. Es ist auch sehr schön, Ideen umzusetzen. So wie es mir 2005 gelungen ist, dass Abgeordnete ihre Einkünfte offenlegen müssen, um eventuelle Abhängigkeiten und Einflussmaßnahmen zu erkennen.“ Hauptaufgabe für dieses Jahr sei natürlich, die Turbulenzen der Weltwirtschaft in den Griff zu bekommen.
Wenn er einen Tag unsichtbar sein könnte? „Dann würde ich an diesem Tag Barack Obama auf Schritt und Tritt beobachten, um von ihm zu lernen.“ Ein Traum, den er sich noch erfüllen wolle: eine große Südamerika-​Reise.
„Herr Lange war“, so Sandra in der „Lagebesprechung“ nach dem Besuch, „sehr menschlich, freundlich, kompetent, ruhig und gelassen. Er hat uns nicht belehrt, sondern ist auf alle Fragen eingegangen.“