Archäologie aus der Fischperspektive: Studierende der PH Schwäbisch Gmünd im Golf von Neapel

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Angehende Geschichtslehrer von der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd suchten sich kürzlich eine besonders interessante und geschichtsträchtige Region für ihre diesjährige Großexkursion aus.

Freitag, 10. Juli 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
158 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (pm). Unter Leitung von Dr. Eva Wittneben bereisten sie für eine Woche den Golf von Neapel. Um einen Einblick in den Alltag einer antiken römischen Familie zu bekommen, gingen sie sogar unter Wasser
Bei der Ankunft in Castellamare di Stabia verschlug es den Exkursionsteilnehmern nahezu den Atem: aus den Fenstern des dortigen Studienzentrums sah die Gruppe den Vesuv mit seiner sanften Silhouette hoch aufragen über das Meer. Castellamare di Stabia ist eine der Küstenstädte am Golf von Neapel, in der beim Vesuvausbruch im Jahr 79 n. Chr. der berühmte Plinius bei seinem Freund Pomponianus Zuflucht suchte, der wahrscheinlich in einer der heute noch zu besichtigenden Luxusvillen lebte. Die Archäologin Valeria zeigte den PH-​Studierenden die prächtigen Fresken und erklärte, wie die private Therme mit einem sogenannten Samowar, einem von unten gefeuerten Kessel, geheizt wurde.
Auf dem Programm standen außer den Villen von Stabia zunächst die antiken Städte Pompeji und Herkulaneum, die beim Vesuvausbruch 79 n. Chr. verschüttet wurden. Es schien geradezu, als ob das antike Leben hier gestern erst erstarrt wäre: Häuser, zahlreiche Imbissstuben und Bäckereien zeugten vom alltäglichen Leben der Bewohner – sogar das antike Lupanar, ein Bordell, hat sich erhalten. Der Eindruck vom Leben in den Vesuvstädten wurde durch den Besuch im Nationalmuseum in Neapel abgerundet. Besonders beeindruckend waren die aus Tausenden von Steinchen zusammengesetzten kostbaren Mosaiken und Fresken aus Wohnhäusern, die nun erstmals seit zehn Jahren wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.
Die ausgestellten Skulpturen, wie beispielsweise der Herkules Farnese oder Kaiserbüsten, ließen den Prunk und die Machtfülle des Römischen Reiches bildlich vor den Augen der zukünftigen Geschichtslehrer erstehen. Nach so viel Pracht und Würde bildete der Stadtrundgang durch Neapel ein geradezu quirliges Bild des Lebens. Dabei mussten die Fotoapparate nicht allzu festgehalten werden, denn Neapel ist längst besser als sein Ruf! In Renaissance und Barock gehörte die Stadt zu den bedeutendsten Städten Europas und der Welt. Prunkvolle Bauten aus dieser Zeit prägen das Stadtbild bis heute. Der unumstrittene Höhepunkt der Großexkursion war ein Besuch in Baja, wo sich einst die Villengegend der reichen römischen Oberschicht und der Kaiserpalast befanden.
Nach einer Besichtigung des Archäologischen Parks hatte die Gruppe ein „appuntamento“ in der nahe gelegenen Tauchschule. Nach einer kurzen Einweisung in die Tauch– und Schnorchel-​Ausrüstung fuhr die Gruppe mit einem Boot hinaus in die Bucht. In der Antike hatten sich die Villa der adligen Familie der Pisones und ganz in der Nähe der Hafen des antiken Pozzuoli befunden. Durch den sogenannten Bradiseismos, die vulkanisch bedingte Senkung des Bodenniveaus, wurde das gesamte Terrain vom Meer geflutet. Die Entdeckung römischer Überreste aus der Fischperspektive ließ die Gruppe den Zauber des Meeres unmittelbar erfahren: Am Meeresgrund waren nicht nur prächtige Mosaiken und Reste von Amphoren zu entdecken; erkennbar war sogar die in einer Art antikem „Zement“, der sogenannten Pozzolanerde, ausgegossene Hafenmole. Die Theorie kam jedoch im Zuge der Exkursion auch nicht zu kurz: die Studierenden hatten im Vorfeld zu einem breiten Themenspektrum Vorträge erarbeitet, so dass die Geschichte vor Ort konkret und mit einem fundierten Hintergrund erklärt wurde. Das Urteil der Studierenden zur Exkursion fiel eindeutig aus: „Ich habe jetzt eine sehr konkrete Vorstellung von der römischen Zivilisation, die ich mit anderem Wissen vernetzen kann“, so eine Studentin. Eine Studentin im höheren Fachsemester bekräftigt: „Fielen solche Exkursionen weg, würde nicht nur die Gemeinschaft der Studierenden leiden, sondern es fehlten auch wichtige Anstöße zur Vertiefung fachlicher Inhalte.“ Ein anderer Student meint dazu: „Historische Inhalte werden durch Exkursionen anschaulich und konkret fassbar. Man kann Bezüge zu diesen Inhalten herstellen, so dass sich auch der Kompetenzerwerb von selbst einstellt.“ Die Studierenden hoffen daher, dass in Zukunft noch viele Studierende die Gastfreundschaft in Castellamare di Stabia erfahren dürfen!