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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Gmünder Männergruppe machte sich kürzlich auf an die türkische Mittelmeerküste

Wenn in den Alpen noch oder schon wieder der Schnee das Mountainbiken für viele Biker unmöglich macht, fängt in Lykien an der türkischen Mittelmeerküste die Saison erst so richtig an. Davon konnte sich kürzlich auch eine Gmünder Männergruppe überzeugen.

Freitag, 17. Juli 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (pm). Warum zieht es eine zehnköpfige Männergruppe dorthin? Sind es die knackigen Höhenmeter und die vielen Kilometer, die es zu bezwingen gilt oder der Anreiz, den inneren Schweinehund in der Hitze zu überwinden? Oder einfach das Land an sich mit seinen historischen, geschichtsträchtigen Stätten in der unberührten, urwüchsigen Landschaft mit der reichhaltigen Flora und den über 3000 Meter hohen Bergen? Jeder hat seine individuelle Vorstellung und sucht seine Antwort.
Um den gewaltigen Anforderungen gewachsen zu sein, unternahm die Gruppe an zwei Wochenenden zusätzliche Trainingstouren auf den Trails der Schwäbischen Alb zur intensiven Vorbereitung für Lykien. Doch Horst hatte die Hauptarbeit: Wie lange dürfen die Etappen sein? Wie viele Höhenmeter sind machbar? Wo endlich ist eine Unterkunft? Trotz seiner umfassenden Türkei-​Erfahrungen bei Biketouren unter. in Kappadokien, verbrachte er im Herbst und Frühjahr noch zusätzlich zwei Erkundungsurlaube mit seiner Enduro, weil auch das Kartenmaterial für Mountainbiker zu unpräzise und zum Teil unzuverlässig ist.
Mitte Mai geht es endlich los, per Flugzeug und mit den eigenen Bikes bepackt Richtung Antalya. Der abenteuerliche Transfer vom Flughafen zur Unterkunft lässt schon die türkischen Gepflogenheiten und Unbekümmertheit erkennen. Radmontage noch am Abend und dann nur noch eine kurze Nacht, in der kaum einer richtig schlafen kann, trennt die Biker vom Start ins Ungewisse. Die beiden ersten Fahrtage mit jeweils über 2600 Höhenmetern und je zirka 110 Kilometer und das mit dem gesamten Gepäck, waren die ersten gewaltigen Anforderungen an Mensch und Material eine Knochenarbeit und das bei 40 bis 45 Grad Celsius.
Ein Mountainbike-​Lodge bei Gökbük, mitten in einer orangefarbenen blühenden Granatapfel-​Plantage, überrascht uns am ersten Abend. Von Bernhard, einem Österreicher, und seiner türkischen Frau herzlichst empfangen, konnten wir neben einer kühlen Quelle sitzend, den selbst gekelterten Wein und die fantastische Küche genießen – man fühlt sich wie im Paradies.
Die nächste Etappe über kleine schottrige, bis grob asphaltierte Nebensträßchen, die dem Gelände total angepasst sind und entsprechend laufend auf und ab führen, zieht sich hoch bis zu einem kleinen Gebirgspass von 1580 Metern. Dann kurz unterhalb des Passes an einem türkis-​blauen Stausee, liegt der Ort Gömbe, die einzige Herberge im Umkreis von 60 km. Ein Berg-​Zicklein aus dem Backofen als Spezialität mit reichlich Beilagen hatten wir uns redlich verdient.
Die folgende Strecke durchquert den Westtaurus über mehrere Pässe und häufig von einem gelben Blütenmeer gesäumt bis zur Saklikentschlucht, die aufgrund des schneereichen Winters und der Regentage zuvor, auffallend viel Wasser führt. Sie ist vergleichbar mit der Samarin-​Schlucht auf Kreta.
Doch bald hat die Einsamkeit ein jähes Ende – wir erreichen den bekannten Traumstrand der Ägäis – die Lagune von Ölüdeniz. „Totes Meer“ wurde die Bucht ursprünglich genannt, weil kein Wellenschlag die südseehafte Idylle stört. Wir fügen uns in den Rummel am Lagunenstrand, in der die Bäuerin mit Kopftuch und Esel mit barbusigen Touristinnen am Strand konfrontiert wird.
Wegen eines gewaltigen Gewitters in der Nacht, muss die geplante Tour übers Gebirge abgeändert werden. Auf kleinen sträßchen wird das ganze Bergmassiv umfahren, um den Gewitterschäden und nicht befahrbaren Lehmstraßen auszuweichen, mit 125 Tageskilometern erreichen wir dann endlich Kas. Doch die Schweißperlen sind auf der herrlichen Dachterrasse unseres Hotels schnell verdunstet, bei einem entspannenden Rundumblick auf die vorgelagerten Mittelmeerinseln genießt man die Abendstimmung. Von Kas aus, teilweise dem lykischen Wanderweg folgend, überraschen uns kulturelle Höhepunkte: Der Ort Demre mit dem antiken myra, das schon im fünften Jahrhundert als lykische Siedlung gegründet wurde und uns v. a. als Bischofssitz des Heiligen Nikolaus in Erinnerung ist. Hier ist der Museumsbesuch in der Basilika mit der Grabstätte des Hl. Nikolaus auch für Biker verpflichtend, wie auch die Felsengräber von Myra. Man muss kein Archäologe sein, um von diesen grabbauten der Lykier fasziniert zu sein – wir sind im Reich der lykischen Gräber.
Aber die Aktualität des heutigen Hightech-​Zeitalters holt uns schnell ein – wir werden plötzlich von einem türkischen Zeitungsreporter per Auto eingeholt, während der Fahrt interviewt und fotografiert und tags darauf kann man in der türkischen Zeitung lesen: „Sie kamen mit dem Flugzeug und fuhren mit ihren Fahrrädern …“ Doch unser Tagesziel ist noch nicht erreicht, wir müssen weiter über holprige, häufig mit Schlaglöchern durchbrochene Wege übers Gebirge bis nach Finike. Von hier aus geht es am nächsten Tag dem Küstenstreifen entlang, eine bizarre ausgewaschene Felsenküste, bis nach Olympos und Cirali.
An der steilabfallenden Felsenküste liegt Olympos mit seinem antiken Burgberg und den Resten einer Akropolis. Diese Hafenstadt wird von dem schneebedeckten Berg Tahtali Dage, der in der Antike Olympos hieß, bewacht und wurde nach den griechischen Siedlern später zu einem Piratennest. Heute sind die Hütten und Bumhäuser v. a. von Abenteuerurlaubern bewohnt. Der einsame Strand von Cirali liegt im Beydaglari Nationalpark und ist als achäologische Schutzzone ausgewiesen. Außer ein paar Ausflugsbooten bleibt die Natur hier bewahrt, wie es sonst sehr selten in der Türkei geworden ist. Der Grund dafür, hierher kommen unzählige Wasserschildkröten zur Eiablage und benötigen diesen Schutz.
Der lykische Wanderweg, der zu einem der schönsten Fernwanderwege der Welt zählt, führt über 500 Kilometer von Fethije nach Kemer. Im Bereich von Birali ist er für Biker kaum zu befahren, zu viele Schiebe-​Passagen wollten wir vermeiden, deshalb werden am nächsten Morgen alle Männer mitsamt ihren Rädern auf ein kleines Fischerboot verfrachtet. Mit fröhlichen Gesang erreichen wir nach zirka zehn Kilometern Transfer um eine Halbinsel in der Madenbucht wieder den Wanderweg. Ein gröbst, schottriger Naturpfad führt uns wieder auf und ab der Küste entlang bis er später in eine staubige Sandpiste übergeht und uns nach Kemer führt.
Herrlicher Empfang von unseren Frauen, kurzes Eintauchen in das glasklare, türkisfarbene Meer und Stärken im Ultra-​all-​inclusive-​Hotel, waren das Rüstzeug für den nächsten Tag. Der neunte und letzte Fahrtag führt uns nochmals in die fast unberührte Natur über einen 1390 Meter hohen Pass und auf kleinen Hinterland-​Sträßchen zurück in die Millionen-​Stadt Antalya.
Die schöne Schinderei geht zu Ende. Resümee: zirka 700 Kilometer und etwa 12000 Höhenmeter, nur ein Plattfuß, dafür mehrere lädierte Hinterteile wegen der schweren Rucksäcke und der unwegsamen Naturpfade. Aufgrund guter Kondition und hervorragender Fahrtechnik, konnte die ganze Tour unfallfrei bewältigt werden. Und nicht zuletzt der guten Vorbereitung von Horst Maier war sie ein super toller Erfolg.

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