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Warnstreik beim Unternehmen Leicht Küchen in Waldstetten

Obwohl sich die Situation der Küchenproduzenten, laut des Verbands der Deutschen Küchenmöbelindustrie (VDDK), momentan dramatisiert, werden bei der Leicht Küchen AG in Waldstetten täglich dennoch (besser, gottseidank) „1 500 Schränke“ gefertigt. Gestern streikten die Beschäftigten. Von Giovanni Deriu

Freitag, 17. Juli 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 37 Sekunden Lesedauer

WALDSTETTEN. Ganz so schlecht gehe es dem Waldstetter Küchenhersteller nicht, wie IGM-​Sekretärin Felicitas Nick und Leicht Küchen-​Betriebsrat Torben Wengert festhielten. Die Beschäftigten übten lang genug Verzicht – nun wollen sie etwas vom Kuchen abhaben. Der Leidensdruck der Beschäftigten im Bereich Holz– und Kunststoff, deren Ansprechpartner die IGM-​Sekretärin Felicitas Nick in Schwäbisch Gmünd ist, muss schon groß sein. War es ein Schuss Chuzpe, oder einfach die Not der Verzweiflung, dass sich gestern bei brütender Hitze an die 400 Beschäftigte vor den Pforten des Küchenherstellers (480 Arbeitnehmer hat Küchen Leicht beschäftigt) in Waldstetten versammelten? Sie alle wollten „einfach“ ein Zeichen setzen, und viele von ihnen legten dann zur Mittagszeit auch die Arbeit nieder, und entschwanden ins verlängerte Wochenende. Mehr Geld in Krisen-​Zeiten? Anscheinend kein Widerspruch.
Als Frechheit, oder gar als „abstruse Forderungen“, wie vom Arbeitgeber-​Verband gern kolportiert, sehen es die Kämpfer an vorderster Front überhaupt nicht. Ihrem Anliegen, nach mehr Lohn und einem moderaten Tarifabschluss, Druck zu verleihen, sei schlichtweg ihre Aufgabe, hielten Felicitas Nick, die IGM-​Vertreterin und Betriebsrat Torben Wengert unisono fest. Sage und Schreibe drei Tarifverhandlungen hätten nichts gebracht, die letzte endete vorgestern, spät abends. Nun sei einfach genug. Deshalb der Warnstreik zur Mittagsstunde, und heute stehen ebenfalls die Bänder still. Der „produktionsfreie Tag“ stehe an, so Betriebsratsmitglied Peter Abele. Abele und seine Kollegin Georgia Killinger, nebenbei mit letzten Pinselstrichen am Banner tätig, sehen es als ihre Pflicht an, gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Man kann ihnen zuhören, oder einfach vom Bettlaken ablesen, die Slogans sind die gleichen. Eine „Faire Bezahlung – oder sind wir Euch nicht Mehr Wert“, fordern sie. Dass die „Preise steigen“, die Löhne aber seit geraumer Zeit schrumpfen, vereinigt die Arbeitnehmer bundesweit. Die Betriebsratsmitglieder um Torben Wengert, und auch Felicitas Nick von der IGM, sehen den Kern der Krise und deren Lösung von einem anderen Standpunkt. „Wer hat denn die Krise verschuldet?“, fragt Wengert rhetorisch. Bestimmt nicht die Arbeiter. Richtig, die Banken waren’s. Damit es konjunkturell wieder aufwärts gehe, müsste der arbeitenden Bevölkerung einfach mehr Geld „im Portemonnaie“ übrig bleiben. Sie alle hängen dem Glauben nach, die Wirtschaft würde dadurch (wieder) angekurbelt.
Den überzeugenden Worten Wengerts jedenfalls, sowie den Ausführungen Nicks („es geht wirklich um die Wurst“), schenkten alle Streikenden Glauben. Viel Applaus und die schrillen Trillerpfeifen ertönten. Felicitas Nick berichtete von der „Schein-​Offerte“ des Verbands der Arbeitgeber, wonach dieser bereit wäre, eine einmalige Summe von 250 Euro festzulegen, sowie zweimal „eins-​Komma-​drei Prozent“ an Lohnerhöhung garantiere. Das erste Mal bereits zum Herbst, und dann Mitte „nächsten Jahres“. Die Antwort der Gewerkschaft und deren Mitglieder: „Nicht mit uns“. Die Vier vor dem Komma soll es schon sein. Ein faires Angebot müsse folgen, sonst nähme der Druck zu – nur darauf reagieren die Arbeitgeber schließlich, so Felicitas Nick. Nick erwähnte zudem, dass bereits heute weitere Unternehmen in Baden-​Württemberg in den Warnstreik treten. In unmittelbarer Nähe, im Remstal, Rudersberg, beteilige sich auch Fensterbauer Weru. Nun kann man den Leicht-​Beschäftigten nicht vorwerfen, nicht schon selbst Verzicht geübt zu haben. Eine „ganze“ halbe Stunde Mehr-​Arbeit bringen die Arbeiter bereits zum wiederholten Male ein. Insgesamt erwirtschafte die Branche in diesem Jahr wohl ein Minus, dennoch liege der Umsatz der Küchenhersteller immer noch bei über einer Milliarde Euro.
Auch in Waldstetten werden noch einige Küchen verkauft. Dass Familien einfach mehr zum Leben brauchen, davon sei wohl auch die Geschäftsleitung des Küchenherstellers überzeugt, doch die Leicht AG sitze eben auch im Arbeitgeber-​Verband, so die vage Schlussfolgerung. Die Kommunikation des Betriebsrats zum Vorstand sei bisher aber stets „gut und fair“, gewesen, wie Wengert und sein Stellvertreter, Matthias Hackl, betonen. So soll es auch bleiben.

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