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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Gerda Kalbantner aus Bettringen hat die beiden „Maria Franziska Deblers“ der Themenstadtführung eingekleidet

Neugierige Blicke sind den drei Gästeführern, die als „Dominikus Debler“ bzw. „Maria Franziska Debler“ durch Gmünd laufen, stets gewiss. Die barocken Kostüme, die sie am Leibe tragen, sind schließlich keine Alltagsklamotten. Geschneidert hat die Kostüme Gerda Kalbantner aus Bettringen. Von Nicole Beuther

Donnerstag, 30. Juli 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 25 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Das Erstaunliche: Gelernt hat die 74-​Jährige das Handwerk nie. Zwar hat sie als junge Frau für die Susa-​Werke Schneider & Sohn Korsette geschneidert. Doch die Ausbildung dort dauerte nur sechs Wochen; „danach musste ich Akkord arbeiten“. Ein Jahr hat sie dort gearbeitet. Ab 1951 arbeitete sie bei einer Lampenschirmwerkstätte in Schwäbisch Gmünd. „Das kam mir sehr entgegen, da ich schon immer gerne gebastelt habe“, erzählt sie. 1955 heiratete sie; zwei Kinder, ein Sohn und eine Tochter, erblickten kurze Zeit später das Licht der Welt. Fortan kümmerte sich Gerda Kalbantner um den Haushalt und die Kinder; einen halben Tag arbeitete sie als Büroangestellte im Lindenhof. 25 Jahre war die 74-​Jährige zudem im Liederkranz Bettringen tätig.
So ganz ohne Basteln ging es aber nicht — 30 Jahre leitete die Bettringerin einen Bastelkreis der evangelischen Kirche. Kleider hat sie im Laufe der Jahre immer wieder mal genäht, für sich und für ihre Kinder. Heute näht sie vor allem Blusen und Blazer für sich selbst. Ihr Mann ging bisher leer aus — Männerkleidung könne sie nicht nähen. Aus diesem Grund hat sie für die Themenstadtführung „Dominikus bzw. Maria Franziska Debler“ nur die zwei barocken Kleider genäht. Wobei das Wörtchen ‘nur’ den Schneiderarbeiten nicht gerecht wird. Zwischen dem ersten Nadelstich und dem letzten lagen 100 Stunden. Ein klein wenig Übung hatte Kalbantner schon; vor drei Jahren hat sie die Barock-​Kleider für die Mozart-​Aufführung in Weiler geschneidert. Hier und auch bei den Debler-​Kleidern hat sie eine Industriemaschine zur Hilfe genommen. Ein schwarzes Brautkleid habe Maria Franziska Debler laut den Aufzeichnungen des Gmünder Kaufmanns Dominikus Debler getragen. „Das wollten alle nicht“, erinnert sich Kalbantner an die Gespräche mit den Verantwortlichen der Stadtführung. So kam es, dass sie sich Anfang April daran machte, ehrenamtlich ein grünes und ein rotes Kleid zu kreieren. Ende Mai waren die Kleider dann fertig. Sieben Meter Stoff pro Kleid und insgesamt acht laufende Meter Korsettstäbe hat sie verarbeitet. Mit Brigitte Kumpf, ebenfalls eine Stadtführerin, habe sie sich beratschlagt. Unterstützung bekam sie auch von ihrer Tochter — allerdings nur telefonisch, da diese in Düsseldorf lebt, wo sie ihr eigenes Atelier hat — sie ist Schneidermeisterin.
Da auch Gerda Kalbantners Großvater sowie ihre Mutter Schneidermeister waren, liegt der Verdacht nahe, dass das Talent, schöne Outfits zu kreieren, in den Erbanlagen steckt. Die 74-​Jährige kann sich aber gar nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die sich beim Nähen ungeschickt anstellen.
„Jeder kann schneidern“, sagt sie mit überzeugter Stimme. „Fangt wieder an zu nähen“, so ihr Appell an die Frauen. „Das, was Sie nähen, haben die anderen nicht“, nennt die Großmutter von drei Enkeln einen Vorteil. Außerdem mache es Spaß, Ideen in die Tat umzusetzen. „Meine Phantasie ist riesengroß“, sagt Gerda Kalbantner. Manchmal komme es vor, dass sie während eines Spaziergangs zum Notizblock greift und eine Zeichnung anfertigt.
Wer Lust bekommen hat, mit „Dominikus bzw. Maria Franziska Debler“ eine Zeitreise durch das Schwäbisch Gmünd des 18. Jahrhunderts zu unternehmen, der kann sich an die Touristik und Marketing GmbH wenden. Eine Führung mit dem Stadtchronisten Dominikus Debler findet unter anderem auch im Rahmen des Tages der offenen Tür des Rathauses am kommenden Freitag statt. Die Führung beginnt bei der Infothek um 12.30 Uhr, 14.30 Uhr und 16.30 Uhr. Anmelden sollte man sich frühestens 30 Minuten vorher.

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